28. Oktober 2007

Dom in Växjö (22.10.2007)

Hektische Woche

Hektische zehn Tage liegen hinter mir, in denen es nicht viel Zeit gab, um hier zu posten. Ich war vergangenenes Wochenende mal wieder in Göteborg, am Montag in Växjö und den Rest der Woche in München. Kam jeweils abends nach Hause und reiste morgens schon wieder woanders hin.

Jetzt ist erst mal Pause und das ist gut so.

18. Oktober 2007

"We're not Brazil, we're Northern Ireland, and it's all the same to me"

An Stimmung mangelte es nicht auf dem Weg zum Nationalstadion Råsunda in Solna. Zahlreich angereiste nordirische Fans verbreiteten gute Laune.

Das 1:1 zwischen Schweden und Nordirland verdarb dann die Stimmung. Nicht, weil die geplante schwedische Qualifeier verschoben wurde, sondern wegen einer grottenschlechten Leistung vor allem der Gastgeber.

In der zweiten Halbzeit spielten die Blaugelben Querpass um Querpass an der Mittelfeldlinie, zurück zu Keeper Isaksson, wieder zur Mittellinie, quer, und hin und her und wunderten sich dann noch über die Buhrufe der Fans, die zwischen 30 und 70 € für die Tickets berappen mussten.

Fussball zum Abgewöhnen, ideenlos, seelenlos, gegen eine zweitklassige nordirische Elf, die mit einer Spitze angetreten verdient, einen Punkt mit nach Belfast nehmen konnte.

Was hatte man sich vergangene Woche in der schwedischen Presse noch unisono darüber empört und ereifert, dass Zlatan Ibrahimovic nicht unter die 30 besten Fussballer der Welt nominiert war. Das fand ich da schon übertrieben durch die nationale Brille gesehen.

Nach dem heutigen Abend
kann man der FIFA für ihre weise Entscheidung nur gratulieren. Wenn das einer der besten 30 Fussballer der Welt war, der sich auf dem Rasen von Solna präsentierte, dann wäre es um den Weltfussball schlecht bestellt.

Ich freue mich schon jetzt auf Marta am 3. November, wenn Umeå zu Gast bei Djurgården ist. Die Frau kann das, was 22 Akteure heute zumindest nicht zeigten: Fussball spielen und immer wieder für magische, zauberhafte Momente sorgen.

17. Oktober 2007

Vier Jahre für Vergewaltiger

In zweiter Instanz entschied gestern ein Gericht in Stockholm, dass zwei Männer (in den schwedischen Medien "Stureplanprofile" genannt) yzu je vier Jahren Haft wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt werden.

In der ersten Instanz waren die Männer frei gesprochen worden. Sie hatten eine 19-Jährige, mit der sie schon früher Sex gehabt haben, gegen ihren Willen vergewaltigt und der jungen Frau dabei insgesamt 48 Verletzungen vor allem im Unterleib, u.a. schwere Blutungen im Analbereich zugefügt.

Die Frau hatte unmittelbar nach der Tat die Notrufzentrale verständigt, was das Gericht gestern als schwerwiegenden Beweis betrachtete. Die Männer hatten behauptet, dass die Frau freiwillig die Verletzungen zugelassen habe. Man hätte auch früher schon gewalttägigen Sex gehabt und sei sich einig gewesen.

Das Urteil erregt in Schweden grosse Aufmerksamkeit, weil lediglich in 10% aller Fälle Vergewaltigungen auch zu Verurteilungen führen. Viele Beobachter sehen ein eventuell bahnbrechendes Urteil, das Vergewaltigungsopfern Hoffnung macht, dass ein Nein auch Nein bedeutet und dass das schwedische Rechtswesen dies nun auch ausdrücklich so festlegt.

In Deutschland wären die beiden Täter nicht mit vier Jahren davongekommen. Das Strafgesetzbuch sieht beim Tatbestand der schweren Vergewaltigung eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor. Höchststrafe sind 15 Jahre.

Das Gericht in Stockholm sprach in dem vorliegenden Fall die Mindeststrafe von vier Jahren aus. Höchststrafe für schwere Vergewaltigung in Schweden sind zehn Jahre.

16. Oktober 2007

Neues "National"stadion in Solna

In Deutschland regt sich schon niemand mehr auf, wenn ein Stadion den Namen eines Sponsoren trägt. In Schweden gibt es noch Diskussionen, aber nutzen wird es wohl kaum.

Das schwedische "National"stadion für Fussball steht in Solna, am Mittwoch empfängt man dort im Männerfussball Nordirland im Rahmen der EM-Qualifikation.

Jetzt wurde beschlossen, dass das seit längerem geplante neue Stadion Swedbankarena heissen wird, zumindest bis 2023. In fünf Jahren soll Europas modernstes Fussballstadion mit einer Kapazität von 50-60.000 Zuschauern fertig sein. Es wird in einem heruntergekommenen Industriegebiet hochgezogen.

AIK Solna wird seine Heimspiele im dann wohl legendären Råsunda-Stadion spielen, bis die neue Arena fertig ist. Dann wird Råsunda abgerissen und macht Wohnungen und Geschäften Platz. Damit geht dann eine hundertjährige Fussballgeschichte auf den Bauschutt.

15. Oktober 2007

Aus für religiöse Freischulen

Die schwedische Regierung plant ein weitgehendes Verbot religiöser Ausrichtung von Freischulen. Das teilte Schulminister Jan Björklund gestern mit.

Björklund ist Vorsitzender der liberalen Volkspartei und Schulpolitik war einer der wichtigsten Gründe für die Abwahl der sozialdemokratischen Regierung im vergangenen Jahr.

Björklunds Parteifreundin, Integrationsministerin Nyamko Sabuni, hätte gerne religiöse Freischulen verboten. Ihr warf jedoch der sozialdmokratische Debatteur Kurdo Baksi vor einigen Wochen Islamophobie vor.

In einem Artikel in Dagens Nyheter werden jedoch islamische Freischulen nur in einem Nebensatz erwähnt, auch wenn die politische Entscheidung vor allem ihnen gelten dürfte.

Zitiert wird dagegen eine Schule der sogenannten Plymouthbrüder, einer christlichen Sekte, die unter anderem Fernsehen, Radio, Mobiltelefone, Belletristik und vieles mehr verbietet.

In Smålandsstenar leben die meisten Plymouthbrüder in Schweden und dort wurde auch die Laboraskolan gegründet, die von Anfang an landesweites Aufsehen erregte. So bezeichnete die sozialdemokratische Vorsitzende Mona Sahlin die ideologische Grundlage der Schule als "abscheulich". Dagens Nyheters Kulturchefin Maria Schottenius forderte ein Verbot der Schule durch Major Björklund.

Verteidigt wird die Schule jedoch von der christdemokratischen Partei Schwedens. Ein Lokalpolitiker der Kristdemokraterna bezeichnet auf der Webseite der Partei (siehe Link) die Schule gar als eine Bullerbü-Schule, in der keine religiöse Indoktrinierung stattfinde. Alle Lehrer seien "Heiden" gemäss des Glaubens der Plymouthbrüder, die laut dem Autor "ehrenwerte und anständige" Menschen sind, obwohl er niemanden von ihnen persönlich je getroffen hat.

Unter den Nazis wurden Plymouthbrüder verfolgt. Die meisten leben in den USA und Kanada, sie sind davon überzeugt, dass Jesus auf die Erde zurückkehrt.

Das erwartete Verbot der Regierung dürfte jedoch vor allem den muslimischen Freischulen in Schweden gelten. Vor kurzem hatte eine Meinungsumfrage ergeben, dass jeder zweite Schwede für ein Verbot des Schleiers ist.

14. Oktober 2007

Brutale Finnen

Glaubt man den Worten des schwedischen Kriminologen Jerzy Sarnecki, dann gibt es in Finnland eine gewisse grundsätzliche Neigung zu Brutalität. Einer nordeuropäischen Studie über Jugendgewalt zufolge ist die Bandenkriminalität unter Jugendlichen jedoch in Dänemark am stärksten ausgeprägt.

Zur Untermauerung seiner These von den brutalen Finnen weist Sarnecki auf den finnischen Bürgerkrieg hin und dass der Geist dieses Kriegs sozusagen von Generation zu Generation weitergegeben worden sei.

Dazu mag ein Fall passen, der ganz Finnland erschüttert hat. Ein 21-Jähriger Mann hat in dem kleinen Städtchen Kotka an der Südküste seine beiden Schwestern (14 und 16 Jahre alt) ermordet.

Aber Sarnecki hat natürlich unrecht und ein Professor sollte sich nicht zu derart banalen Stereotypen hingeben, die an schwedischen Stammtischen gedroschen werden.

In Deutschland hört man oft verunglimpfende Generalisierungen über Polen. Der aus Polen stammende Sarnecki sollte mit seiner Ausbildung wissen, dass all das nichts weiter ist als Volksverhetzung.

13. Oktober 2007

Umweltpreis statt Friedenspreis

Aus dem Friedenspreis ist ein Umweltpreis geworden, zumindest in diesem Jahr. Der Ex-Vizepräsident der USA Al Gore wurde vom Nobelkomitee in Oslo ausgezeichnet.

Vielleicht sollte man einen Umweltpreis zusätzlich einrichten.

Ich hätte mir als Preisträger den ehemaligen finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari gewünscht, der schon seit vielen Jahren als Friedensdiplomat durch die Welt reist und sich zur Zeit um eine Lösung für den Kosovo bemüht. Ahtisaari ist weltweit respektiert und ein Beispiel eines Politikers, der sich nach der Ausübung eines hohen Amtes in den Dienst des Friedens gestellt hat und diesen Aufsichtsräten vorgezogen hat.

10.000 demonstrierten gegen Jugendgewalt

Am Freitag vor einer Woche fand im Stockholmer Stadtteil Kungsholmen eine Fete statt. Eine Gruppe von fünf Jugendlichen misshandelte einen Gleichaltrigen dabei mit Schlägen und Tritten gegen den Kopf so schwer, dass er am Sonntag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag.

Am gleichen Wochenende schoss ein 50-Jähriger Familienvater in Skåne nachts mit einer Schrotflinte auf Jugendliche, die seit Monaten seine Familie und insbesondere seinen 19-Jährigen entwicklungsgestörten Sohn drangsalierten. Die Schüsse des Familienvaters trafen - ein 16-Jähriger wurde getötet, ein weiterer liegt noch im Krankenhaus.

Die Täter von Stockholm gehören nicht etwa der Unterschicht an, sie stammen aus wohlhabenden Familien. Ein 16-Jähriger gehört einer Verlegerfamilie an, die mehrere Zeitungen und Buchverlage besitzt. Er ist wiederholt in den letzten Jahren als besonders schwer erziehbar aufgefallen.

Die Kronprinzessin ist mit dem Vater des Stockholmer Opfers befreundet.

Gestern nun demonstrierten gut 10.000 Menschen im Kungsträdgården in Stockholm gegen die zunehmende Jugendgewalt und suchten dabei wohl mehr die Gesellschaft anderer, die ebenso rat- und hilflos sind wie sie selbst.

Der schwedische Staat setzt bei Gewalttaten vor allem auf Rehabilitierung der Täter. Die Strafen für die fünf Jugendlichen in Stockholm dürften des Alters der Täter wegen sehr mild ausfallen.

Leider signalisiert man den Jugendlichen damit auch, wie viel oder wie wenig ein Menschenleben wert ist. Es geht hierbei nicht um Rache, aber um die angemessene Antwort des Staates auf nicht akzeptables Verhalten. Wir werden nur dann Respekt von einigen jungen Menschen für das Leben anderer einfordern können, wenn wir deutlich machen, dass die Verletzung anderen Lebens mit empfindlichen Strafen geahndet wird.