27. Januar 2009

"Sollte ich?"

fragte der amerikanische Autor John Updike den Journalisten, der ihn gefragt habe, ob er schon mal etwas von Elfriede Jelinek gelesen hatte, die das Stockholmer Komitee gerade mit dem Nobelpreis bedacht hatte. Und wieder einmal nicht ihn selber, einen der grössten Romanciers in der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Jetzt ist es zu spät. John Updike starb heute, im Alter von 76 Jahren, an Lungenkrebs. Wikipedia ist brutal aktuell und die englische wie die deutsche Seite ist schon mit dem Todesdatum aktualisiert worden...aus ist wurde war. War stets ein Kandidat für den Nobelpreis, hat ihn aber, wie so viele grosse Autoren, nie bekommen könnte man ergänzen..

Ich habe über John Updike eine Proseminararbeit geschrieben und neben dem Romanautor auch einen Meister der Kurzgeschichte kennen gelernt. Seine Sammlungen "A & P", "Pigeon Feathers", "Olinger Stories" und "The Music School" gehören zu den besten short stories, die ich je gelesen habe.

13. Januar 2009

Eine wahre Geschichte

nannte Bestsellerautorin Liza Marklund ihr vor einigen Jahren erschienenes Buch "Gömda" (Deutsch: Mia. Ein Leben im Versteck). Die Krimiautorin war schon reich, aber "Gömda" verkaufte sich in Schweden rund 800.000 mal.

Es ist die Geschichte einer Schwedin, die sich in einen Araber (der Mann mit den schwarzen Augen im Buch) verliebt, Kinder von ihm bekommt und nach einiger Zeit unzähligen Misshandlungen und Verfolgungen nach der Trennung ausgesetzt ist.

Marklund setzte sich damit in die vorderste Reihe derer, die Misshandlung von Frauen in der Ehe oder Beziehung anprangern.

Der Mann mit den schwarzen Augen habe unverzeihlich gehandelt und seine Missetaten könnten nciht durch die Strafe des Gesetzes gesühnt werden, sagte sie.

Das hinderte sie nicht, sich im Herbst einen literarischen Agenten zu beschaffen, der seine ehemalige Frau beweislich immer wieder misshandelt hat.

Und jetzt hat Marklund noch mehr Probleme, da eine schwedische Journalistin nachgewiesen hat, dass ihr Buch "Gömda" in etlichen Punkten eben nicht eine wahre Geschichte, sondern pure Fiktion schildert.

Und Marklunds Position in der Reihe der vorderen Kämpfer gegen Misshandlung von Frauen wankt bedenklich. Jetzt steht sie da als eine selbstverliebte Autorin, die vor allem eines mit ihrem Buch bezweckte: Geld verdienen. Viel Geld. Geschadet hat sie damit vor allem denen, für die sie sich angeblich einsetzt. Einräumen musste Marklund mittlerweile, dass der Untertitel von Gömda eben eine wahre Geschichte zu sein, nicht glücklich gewählt sei. Geld wird ihr dafür aber gottlob nicht abgezogen. Verkauft ist nun mal verkauft, auch wenn die Moral auf der Strecke bleibt.

12. Januar 2009

Marta

heisst zum dritten Mal nacheinander die beste Fussballspielerin der Welt. Franz Beckenbauer überreichte der Brasilianerin die Trophäe, die sie verdient wie keine andere, obwohl grosse Spielerinnen wie Cristiane, Nadine Angerer und Kelly Smith die Konkurrentinnen waren.

Vor der Verleihung teilte Marta mit, dass sie dieses Jahr für Los Angeles Sol spielen werde. Nicht mehr unerwartet, nachdem Freundin Johanna Frisks Wechsel dorthin bereits vergangene Woche bekanntgegeben worden war.

Zum letzten Mal sehen konnten wir Marta in Stockholm am 22.10.2008 beim Pokalhalbfinale gegen Djurgården, wo sie das 4:3 in der Verlängerung für Umeå schoss. Vier Jahre hat sie den schwedischen Ligafussball belebt.

Ich habe zweimal mit ihr reden können und eine sympathische, fast schüchterne Frau kennengelernt, die den Frauenfussball in eine andere Dimension geführt hat.

Changeling


Clint Eastwood jr. wird im Mai 79 Jahre alt. Müde ist der alte Mann allerdings überhaupt nicht. Er gehört zu den wichtigsten Regisseuren des gern gescholtenen Hollywood-Kinos.

In Changeling (in Deutschland am 07.11.2008 angelaufen unter dem Titel "Der fremde Sohn"; Schweden-Premiere vergangenen Freitag) erzählt Eastwood eine wahre Geschichte.

Der 9-Jährige Sohn der alleinstehenden Mutter Christine Collins (Golden Globe-nominiert: Angelina Jolie) verschwindet spurlos. Die korrupte Polizei von LA bringt der Mutter nach fünf Monaten das falsche Kind zurück. Als sie versucht, der Polizei klarzumachen, dass das Kind nicht ihres ist, stösst sie auf taube Ohren, wird gar in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen, aus der sie von einem polizeikritischen Pastor (John Malkovich) herausgeholt wird.

In einer Nebenhandlung findet die Polizei über einen entlaufenen Jungen die Ranch eines Mannes, der nach Aussagen des Jungen ca. 20 Jungs ermordet hat. Einer davon war Walter Collins.

Eastwoord zeigt uns die "Behandlung" von Christine Collins mit ebensolcher detailgetreuer Grausamkeit wie die Hinrichtung des Massenmörders. Die aufbegehrende Frau wird als hysterisch eingestuft und solche Frauen gehören nach § 12 in die Klinik.

Die Geschichte ist mit ihren Originalnamen sehr detailgetreu verfilmt. Eines jedoch haben die Filmemacher ausgelassen. Der Mörder Gordon Northcott hatte bei seinen Greueltaten die Hilfe seiner Mutter, die sich später als seine Grossmutter herausstellte, seine Schwester war seine Mutter. Die Morde gingen unter dem Titel Wineville Chicken Coop Murders in die amerikanische Kriminalgeschichte ein.

Eastwoods Film nach dem Drehbuch von J. Michael Straczynski fokussiert jedoch auf der nach ihrem Sohn verzweifelt suchenden Mutter und zeichnet vor allem das Porträt einer jungen, selbstbewussten Frau in einer frauenfeindlichen Zeit in einer Demokratie, in der die Polizei mit undemokratischen Methoden Kritiker ins Irrenhaus sperren konnte.

Angelina Jolie ist so gut, dass man sie gar nicht unbedingt erkennt. Oscar-Nominierung nicht ausgeschlossen. Ein harter, realistischer Film, der den uschauer nicht schont, der kein Happy-End hat, der aber wie alle Eastwood-Filme der letzten zehn Jahre weit besser als der Durchschnitt ist, mit dem sich Millionen von Menschen hierzulande und anderswo die Zeit totschlagen. Sehenswert.

P.S.: Changeling bedeutet Wechselbalg, das musste ich auch erst nachschlagen. In der Mythologie das Kind eines Trolls, das gegen ein Menschenkind ausgetauscht wurde.

Krise

Heute kündigte der schwedisch-finnische Telekommunikationskonzern Telia Sonera an, dass man alsbald 1.200 Mitarbeiter entlassen werde.

Die Arbeitslosenzahlen steigen im Königreich. Nach der massiven Verschlechterung der Stellung von Arbeitslosen, die durch die Mitte-Rechts-Regierung Fredrik Reinfeldts betrieben worden ist, dürfte 2009 ein schweres Jahr für viele Betroffene und deren Familien werden. Nicht nur bei Telia Sonera.

Es ist 6 Grad plus heute Abend in Stockholm, aber die soziale Kälte nimmt zu.

10. Januar 2009

Ausweisung

Eigentlich wollte ich nicht mehr über politische Themen schreiben. Aber manchmal veschlägts einem doch die Sprache.

Die 17-Jährige Lollo ist in Lund geboren, Schwedisch ist ihre Muttersprache. Sie spricht etwas Romani. Der Vater ist kroatischer Staatsbürger, hat seine Tochter laufend misshandelt und droht, sie zu töten, weil sie ihn angezeigt hat und sich weigert, den ausgesuchten Mann zu heiraten.

Lollo lebte deshalb zuletzt in sogenanntem "geschütztem Wohnen" in Schweden.

Jetzt soll sie nach 17 Jahren in Schweden nach Kroatien ausgewiesen werden. Der Vater wartet schon.

Schwedische Einwanderungspolitik 2009. Ein beispielloser Skandal. Und wahrscheinlich nur ein Schicksal von vielen. Und ein Beispiel für die Borniertheit und Gefühllosigkeit schwedischer Bürokratie. Frohes neues Jahr!

1. Januar 2009

Bordelle in Schweden

Liebe Blogleser aus Deutschland und Österreich, die ihr euch für Bordelle in Schweden interessiert,

es gibt zumindest offiziell keine Bordelle in Schweden. Am 01. Januar 1999, also auf den Tag genau vor zehn Jahren, trat ein Gesetz in Kraft, dass den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe stellt. Sogenannte "Freier" (torskar auf Schwedisch) machen sich somit strafbar und können zu Haftstrafen verurteilt werden.

Leider lässt sich das (von wem eigentlich so bezeichnete) "älteste Gewerbe der Welt" nicht ganz aus dem Land vertreiben. Prostitution findet statt, aber hauptsächlich via Internet, in illegalen Clubs und in stinknormalen Wohnungen, in denen hauptsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Mädchen und Frauen freiwillig oder gezwungenermassen täglich zwischen 10-20 "Kunden" "bedienen".

Wer mehr über den widerlichen Menschenhandel wissen möchte, dem sei der Krimi "Blasse Engel" (wieso zum Teufel heisst der so auf Deutsch; Originaltitel "Box 21", was "Schliessfach 21" wäre...) der Journalisten Roslund/Hellström empfohlen, in dem die beiden Autoren die brutale und grausame Realität gründlich recherchiert haben und anhand einer fast dokumentarisch wirkenden Story aufzeigen.