31. Januar 2007

Nah an Katastrophe in Berlin

Als Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt am 12. Januar Berlin besuchte und von dort aus mit der schwedischen Regierungsmaschine nach Bremen fliegen sollte, wäre es beinahe zu einem vermutlich tödlichen Unfall gekommen. Als die schwedische Maschine auf dem Weg zur Startbahn war und eine Landebahn überqueren sollte, landete ein Flugzeug. Dem schwedischen Piloten gelang eine schnelle Bremsung.

Vor etwas mehr als fünf Jahren kamen bei einem ähnlich gelagerten Szenario in Mailand 118 Menschen ums Leben, als eine Maschine der skandinavischen Fluggesellschaft SAS mit einem kleinen Privatjet kollidierte.

Fredrik Reinfeldt gab zu den Meldungen keinen Kommentar ab.

Bloggen in Schweden

Expressen protzt heute damit, dass das Blog der Journalistin Linda Skugge, das meistgelesene in Schweden sei. Vor dem von Außenminister Carl Bildt. Jeder zehnte Schwede lese täglich Blogs schreibt Dagens Media, insgesamt also rund 900.000 Menschen.

Ebenfalls gern gelesen wird das Blog von Aftonbladet-Journalist Fredrik Virtanen.

Web 2.0 geht in Schweden mit großen Schritten voran. Wie sieht es in Deutschland aus?

Schlägerei beim drei zu drei

Bandy? Schon mal gehört? Bandy ist eine Art Eishockey auf Fußballfeldern und wird mit elf Spielern je Team gespielt. Statt eines Pucks hat man einen kleinen Ball.

Derzeit findet in Sibirien (jawohl!) die Weltmeisterschaft statt. Chancen dürfen sich gewöhnlich die Teams aus Russland, Schweden und Finnland ausrechnen. Heute trafen die beiden erstgenannten aufeinander.

In Kemerowo. Wo?

Ich bin mal über Kemerowo hinweggeflogen. In einer Jak-40 der guten alten Aeroflot. Auf dem Weg von Barnaul nach Abakan. Wir sprechen also über ca. 3300 km südöstlich von Moskau. Das erinnert mich an ein schönes Mädchen aus Kemerowo mit dem wunderbaren Namen Natascha Rodina. Rodina bedeutet Heimat. Und an die weniger schönen Kohlegruben. Und natürlich auch an die Kemerowo-Mafia, die nicht nur in Sibirien, sondern bis ins Baltikum bekannt ist, auch heute noch.

Dort in Kemerowo, rund sechs Flugstunden von Stockholm entfernt, spielten heute Russland und Schweden Bandy. 3:3. Es gab das eine und das andere Handgemenge. Schweden steht im Halbfinale der WM und trifft auf Finnland. Im anderen Semifinale treffen Russland und Kasachstan aufeinander. 25.000 Zuschauer sahen die Partie im Chimikstadion von Kemerowo, darunter 500 Militärs, die für Ordnung sorgten.

Schwedenpop

Gestern wurden in Hovet, der Halle direkt neben dem bekannteren Stockholmer Golfball Globen, die schwedischen Schallplattenpreise, analog zum deutschen Echo verliehen. Anders als beim Echo stehen hier nicht unbedingt die Verkaufszahlen im Zentrum.

Die Preisträger findet man bei Fiket.

30. Januar 2007

Ulf Nilsson: Wir haben nichts aus Anna Lindhs Tod gelernt

Ulf Nilsson ist einer der bekanntesten Kommentatoren der schwedischen Boulevardzeitung Expressen. In einem Artikel über den Tod des 8-Jährigen Tobias schreibt er heute:

"Der soeben entlassene Psychiatriepatient besorgte sich ein Messer. Seine Mutter wurde unruhig. Sie erstattete dem Krankenhaus Bericht. Merkwürdiges Benehmen. Und jetzt ein Messer, eine Waffe, mit der man töten kann. Keine Gefahr, sagte man im Krankenhaus. Er ist ungefährlich. Völlig. Dass die Diagnose falsch war, wissen wir. Es gibt klare Beweise für die Inkompetenz der Ärzte. Eine Leiche. Ein toter kleiner Junge."

Das Problem besteht darin, dass ein zusammengespartes Gesundheitssystem keine Antworten und keine Hilfe mehr auf drängende Fragen und Probleme hat. Auch Anna Lindhs Mörder Mihajlo Mihajlovic hatte immer wieder Hilfe bei der Psychiatrie gesucht, schreibt Nilsson. Vergebens.

"Überall in Schweden irren psychisch Gestörte hilflos herum. Es geht ihnen oft furchtbar schlecht, am Telefon werden sie allzu oft von Behandelnden vertröstet oder abgewiesen. 'Nimm deine Tabletten und verhalte dich ruhig.' Wir müssen in Schweden aufhören, die Augen zuzumachen und auf das Beste zu hoffen. Wir müssen einsehen, dass viele um uns herum sowohl krank wie auch potentiell lebensgefährlich sind, für sich selbst und andere. In Schweden, mit den höchsten Steuern der Welt, haben wir das Recht, mehr als das zu verlangen."

Selbst habe ich gottlob keine Erfahrungen mit der Psychiatrie. Aber mit den Notaufnahmen der Stockholmer Krankenhäuser. Als ich eine akute Blinddarmentzündung hatte, dauerte es acht Stunden vom Eintreffen bis zur Operation. Von den letzten Stunden bekam ich dank hohen Fiebers nichts mit und kann mich bis heute nicht erinnern. Als wir mit unserer kleinen Tochter mit ständigem Erbrechen und Durchfall ins Kinderkrankenhaus Sachsska kamen, dachte ich als Nichtmediziner, dass meine Tochter wohl an den Tropf müsse, um den enormen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.

Zuerst warten. Dann kam eine Krankenschwester. Die Ärztin hat noch zu tun. Ob das Kind eine Urinprobe abgeben könne. Als ich meine Tochter zur Toilette tragen wollte, übergab sie sich über meinen Rücken. Keine Urinprobe. Krankenschwester: Bald kommt die Ärztin. Nach knapp acht Stunden entschied eine überarbeitete Ärztin, das Kind solle eine Nacht im Krankenhaus bleiben, da es zu viel Flüssigkeit verloren habe.

"Dann geh doch rüber", sagte man früher in der Deutschland-West, wenn man Zustände kritisierte. Nein, das will ich nicht. Wie Ulf Nilsson bin ich der Meinung, dass wir sehr viel Steuern zahlen und dafür mehr erwarten dürfen.

Im Fall der psychisch kranken Patienten, die auch eine Gefahr für andere bedeuten können heißt das: Hilfe für die Kranken und gleichzeitig Schutz für die Allgemeinheit. Die Liste der Opfer ist lang genug. In vielen Fällen hatten die Täter oder ihre Angehörigen vorher selber Hilfe gesucht und waren abgewiesen worden.

Ohne Ibrahimovic gegen Ägypten

Der beim italienischen Tabellenführer Inter Mailand spielende Zlatan Ibrahimovic ist die schillerndste Figur im aktuellen schwedischen Fußball.

Am 03. September vergangenes Jahr schickte der schwedische Nationalcoach Lars Lagerbäck Ibrahimovic und dessen Mannschaftskameraden Christian "Chippen" Wilhelmsson und Olof Mellberg vor dem Spiel gegen Liechtenstein nach Hause, weil sie trotz Anweisung Lagerbäcks spät abends das gemeinsame Hotel verlassen hatten.

Wilhelmsson und Mellberg kehrten inzwischen reumütig ins Team zurück. Nun lehnte Ibrahimovic die Teilnahme am Freundschaftsspiel gegen Ägypten ab, was alle schwedischen Zeitungen veranlasst, ihre erste Seite mit der Nachricht zu schmücken.

Zlatan und die Nationalmannschaft - bislang eine unerfüllte Liebesgeschichte. Der Junge mit Migrationshintergrund aus dem armen Stadtteil Rosengård in Malmö, dem es gelang mit Hilfe des Fußballs einen amerikanischen Traum als Schwede in Italien zu realisieren; er spaltet die Fußballfans in glühende Verehrer und skeptische Kritiker, die dem 25-Jährigen Arroganz und Hochmut vorwerfen.

Die Nationalmannschaft hat nach dem WM-Aus gegen Deutschland auch ohne ihn wieder den Weg zurück in die europäische Spitze gefunden. Beim 2:0 Heimsieg in der EM-Qualifikation gegen Spanien Anfang Oktober zeigte das schwedische Kollektiv eine Glanzleistung und die beiden Sturmspitzen Johan Elmander und Marcus Allbäck besorgten die Tore gegen eine spanische Elf, die nominell auf jeder Position besser besetzt war, aber letzten Endes hochverdient unterlag.

Kernkraftwerk Forsmark - Sicherheitsbedenken

Das schwedische Fernsehen SVT ist in den Besitz eines internen 30-seitigen Berichts gelangt, der erhebliche Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Forsmark, nördlich von Uppsala gelegen, offen legt.

Am 25.07.2006 kam es im Kernkraftwerk zu einem Stromausfall, bei dem die Notstromaggregate nur teilweise funktionierten und die Kühlung des Reaktors nur sehr bedingt funktionierte.

Der Bericht kommt nun zu dem Schluss, dass der Zwischenfall nur die Spitze eines Eisbergs bedeute. Die Sicherheitskultur des Kernkraftwerks weise erhebliche Mängel auf.

Das Krenkraftwerk wird vom Vattenfall-Konzern betrieben, der seit einigen Jahren auch in Deutschland erhebliche Geschäftsinteressen hat. Wirtschaftsministerin Maud Olofsson (c) hat die Konzernführung von Vattenfall aufgefordert, eine Erklärung über die Sicherheitsauffassung des Konzerns abzugeben.

Der frühere Vorsitzende der Zentrumspartei und jetzige Chef der schwedischen Sektion von Greenpeace, Lennart Daléus, forderte den Rücktritt der Leitung des Kernkraftwerks. Das Sprachrohr der Grünen (statt eines Vorsitzenden haben die schwedischen Grünen zwei "Sprachrohre"), Maria Wetterstrand, sagte im schwedischen Fernsehen, die Sicherheitsmängel von Forsmark und anderer schwedischer Kernkraftwerke seien so eminent, dass die Kraftwerke von einer Arbeitsgruppe aus unabhängigen ausländischen Experten und schwedischen Wissenschaftlern auf ihre Sicherheit hin überprüft werden müssten.

29. Januar 2007

Copycat: Nach Mord an Tobias zwei weitere Wahnsinnstaten

Das ganze Land reagierte mit Abscheu und Entsetzen auf den Mord an dem 8-Jährigen Tobias in der Nähe von Jönköping. Fast das ganze Land.

Manche regt die sinnlose Wahnsinnstat an, selber gewalttätig zu werden. In Farsta, südlich von Stockholm wurde gestern ein 37-Jähriger Spaziergänger von einem Mann ohne Warnung mit einem Messer in den Bauch gestochen und in Malmö erwischte es gestern Abend eine Frau, die ihren Hund ausführte: Ein Mann stürzte auf sie zu und brachte ihr mit einem Messer schwere Wunden im Bauchbereich bei.

Beide Täter sind noch auf freiem Fuß.

Wie schon berichtet, gerät die Psychiatriereform aus den 90er Jahren erneut in den Fokus der Diskussionen. Man kann nur hoffen, dass endlich einmal auch Konsequenzen gezogen werden.

Nach dem Attentat auf Anna Lindh am 11. September 2003 vergingen keine 24 Stunden bis ein psychisch schwer gestörter Mann in Dalarna ein kleines Mädchen außerhalb ihres Kindergartens tötete.

Einer der Architekten der von vielen Experten für völlig fehlgeschlagen eingestuften Reform war Lindhs Witwer Bo Holmgren, dessen Frau ein gutes Jahrzehnt später selbst Opfer eines Mannes wurde, der psychisch schwer gestört war.

Preiserhöhung: 100%

Ab heute ist es in Stockholm wesentlich teurer, mit einem einfachen Fahrschein in Bussen, U-Bahnen (tunnelbana) oder S-Bahnen (pendeltåg) zu fahren.

Gestern noch 20 Kronen, ab heute 40 Kronen, das sind 100% und acht alte DM und mehr als vier neue €. Egal, ob man eine Haltestelle oder ein paar Kilometer fahren will.

Proteste gibt es schon viele, immerhin kann man auch ab heute ein Ticket per SMS kaufen. Aber auch die kostet ja nochmal extra...

Noten schon ab Klasse 1

Schulminister Jan Björklund (fp) kündigte an, dass Schüler ab Klasse 1 möglicherweise schon ab dem kommenden Schuljahr im Herbst notenähnliche Beurteilungen bekommen könnten.

Alle drei Lehrergewerkschaften äußerten Kritik an dem Vorschlag. Denn es ist den Gemeinden, die in Schweden Schulträger sind, überlassen, ob und wie sie den Vorschlag umsetzen.

Metta Fjelkner, Vorsitzende der Gewerkschaft Lärarnas riksförbund, ist der Auffassung, dass das problematisch ist, weil der Staat die Ziele vorgibt. Eva-Lis Preisz, Vorsitzende von Lärarförbundet, sagte: "Eltern und Schüler müssen wissen, auf welcher Grundlage die Noten erteilt werden. Wenn alle Noten geben können, wie es ihnen beliebt, wo bleibt dann die Gleichbehandlung? Es muss dieselben Kriterien geben, egal auf welche Schule man geht."

Preisz lehnt Noten ab Klasse 1 auch generell ab und hält dies für zu früh. Stattdessen soll man lieber die individuellen Entwicklungspläne für Schüler weiter entwickeln. "Man kann nicht einfach nur konstatieren, wie ein Schüler steht. Man braucht mehr Hilfe für Schüler, mehr Ressourcen, eine gute Vorschule mit Lehren und Lernen und spezieller Hilfe im Vordergrund für Schüler, die Hilfe brauchen.

Preisz weiter: "Buchstaben und Zahlen reichen nicht aus. Ein Schüler in der ersten Klasse braucht zukunftsgerichtete Hilfe und nicht Beurteilen à la 'Du kannst nicht lesen'.

Den Lehrergewerkschaften gab der Minister lediglich eine Woche Zeit für Stellungnahmen.

In vieler Hinsicht versucht die neue Regierung eher die Menschen zu bekämpfen als die Symptome zu behandeln und auf dieseem Weg Probleme zu lösen. Arbeitslose werden unter enormen Druck gesetzt statt neue Arbeitsplätze zu schaffen. In der Schule will man nun Noten ab Klasse 1 geben, statt den Schulen mehr Geld zu geben, um ausreichend ausgebildetes Personal einzustellen.

Dass Schüler leichter lesen und rechnen lernen, nur weil man 7-Jährigen Noten gibt, ist absurd und ist eine Idee von Politikern und nicht von Pädagogen. Nur im Dialog beider Gruppen kann man aber die Schule verbessern. Dass man den Pädagogen nur eine Woche Zeit für eine Stellungnahme gibt, zeigt aber, dass es Minister Björklund eher darum geht, populistische Entscheidungen zu treffen, die den wahren Problemen nicht abhelfen.

Reinfeldt: Kindermädchen ohne Arbeitserlaubnis

Nachdem schon einige Minister der schwedischen Regierung wegen unbezahlten Fernsehgebühren, schwarz arbeitenden Kindermädchen und Sommerhäusern, die Briefkastenfirmen auf Jersey gehörten, in die Schlagzeilen gerieten, hat man jetzt offenbar auch bei Ministerpräsident Reinfeldt Flecken auf der scheinbar weißen Weste entdeckt.

Die kostenlose Zeitung Metro fand heraus, dass eine serbische Asylbewerberin 2005 beim Einwohnermeldeamt in Täby mit derselben Adresse registriert war, unter der auch das der Politikerehepaar Reinfeldt residiert.

Im Oktober 2005 verdiente die 26-Jährige Serbin knapp 7.000 Kronen obwohl sie nicht arbeiten durfte. Bis heute ist die Frau offiziell in der Reinfeldt-Behausung registriert, die sie nach eigenen Angaben kurz nach der Wahl im September 2006 (sic!) verlassen musste.

28. Januar 2007

29 Verletzte bei Konzert von Mando Diao

Bei einem Konzert der populären Rockband Mando Diao in Umeå, gab der Fußboden auf einer Fläche von ca. 10 Quadratmeter vor der Bühne plötzlich nach und mehrere Jugendliche stürzten knapp zwei Meter in die Tiefe. Vier Personen sind noch im Krankenhaus, drei davon erlitten Knochenbrüche.

Die Lokalitäten in der Norrlandsoperan, wo das Konzert stattfand, waren erst kürzlich auf ihre Sicherheit hin überprüft worden und man hatte nichts beanstandet. In dem für über 800 Menschen zugelassenen Lokal hielten sich auch nur etwas mehr als 700 auf. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Balken nachgegeben haben sollen. Der Boden besteht aus großen schwarzen Platten, die von einer Stahlkonstruktion gehalten werden.

27. Januar 2007

8-Jähriger Junge in Jönköping erstochen

Der acht Jahre alte Tobias Enroth wurde vergangene Woche in Jönköping von einem 27-Jährigen erstochen.

Das Kind ist das neueste und sicher nicht das letzte Opfer der in den 90er Jahren durchgeführten Psychiatriereform und eines Gesundheitswesens, in dem in einigen Bereichen ein rücksichtsloser Abbau betrieben wurde.

Der Täter, ein psychisch schwer gestörter Mann, war seit langem aktenkundig. 2004 wurde er in eine Anstalt eingewiesen, nachdem er die Wohnung seiner Mutter in Brand gesetzt hatte. Am 29.11.2006, knapp zwei Monate bevor das Leben von Tobias jäh beendet wurde, entließ man den 27 Jahre alten Mann aus der Klinik. Der Oberarzt hielt ihn für ungefährlich. Einige Tage vor dem brutalen Mord an dem kleinen, völlig wehrlosen Kind, hatten sich Verwandte des Täters große Sorgen um den Zustand des 27-Jährigen gemacht.

Wenige Stunden vor Tobias Tod war sein Mörder nicht zu einem Termin in der Psychiatrie erschienen.

Innerhalb von vier Monaten der vierte Fall von tödlicher Gewalt, in den Patienten der Ryhov-Klinik in Jönköping verstrickt waren. Anfang Januar hatte ein 88-Jahre alter Mann zuerst seine Frau und dann sich selbst getötet. Er war in Kontakt mit der Klinik gewesen, hatte aber keinen Arzt erreicht. Im Oktober 2006 wurde ein Krankenpfleger von einem Patienten getötet.

In den letzten zehn Jahren hat es eine Reihe solcher Fälle von unmotivierter Gewalt von psychisch schwer Kranken gegeben. Anfang der 90er Jahre hat die schwedische Regierung in einer großen Psychatrie-Reform Tausende von Kranken aus Heimen entlassen mit dem vorgeblichen Argument, dass eine Integration in die Gesellschaft den Kranken neue Perspektiven geben würde. Dahinter verbarg sich jedoch eher ein Sparkonzept. Der Staat sparte so etliche Millionen an Einrichtungs- und Personalkosten.

Dass es dann Kollateralschäden gibt in Form von Gewaltopfern wurde und wird dabei in Kauf genommen. Prominentestes Opfer eines Kranken, der eher in eine geschlossene Anstalt gehört hätte, war 2003 Schwedens Außenministerin Anna Lindh. Ihr Mörder Mihajlo Mihajlovic hatte wie der 27-Jährige in Jonköping eine erwiesen lange Liste von Auffälligkeiten und Gewalttaten bis hin zum Mordversuch an seinem Vater.

Morde wie der an dem kleinen Tobias passieren leider überall auf der Welt. Völlig kann man sich nicht schützen. Allerdings gibt es in Schweden viele schwer gestörte Menschen, die nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere eine Gefahr sind und diese gehören dorthin, wo sie für andere keine Gefahr darstellen.

Merkwürdig finde ich im Übrigen auch die Angewohnheit der schwedischen Presse, fast nie die Namen von Tätern zu veröffentlichen. Es ist zwar ein sehr hehres Prinzip, vor der Verurteilung niemanden bei Namen zu nennen. Warum allerdings veröffentlicht man dann Foto und Namen von Opfern? Als ob deren Familien nicht schon genug zu leiden hätten.

25 Jahre MTV - Party in Stockholm


Vergangenen Donnerstag lud der Musiksender MTV zur 25-Jahrfeier in die Färgfabriken, eine stillgelegte Fabrik, die sich den Beinamen "Gegenwartslabor" (samtidslaboratorium) gegeben hat und in der viel zeitgenössische Kunst stattfindet.

Gesponsort von einem finnischen Mobiltelefonhersteller, dem weltweit führenden Wodka-Produzenten aus den USA und einer Brauerei aus dem gleichen Land (alle Getränke gingen aufs Haus), lud MTV ein paar hundert überwiegend junge und schöne Menschen zu einer exklusiven Party ein, wo vom experimentellen DJ bis zum mehr mainstreamtauglichen Jean-Louis Huhta ein breites Spektrum vertreten war. Auf der Bühne spielten die Weeping Willows, eine der erfolgreichsten Popbands des Landes seit 1995 und die anglo-amerikanischen Garage-Rocker Five O'Clock Heroes, letztere nach all den Freibieren im volltrunkenen Zustand.

Leider ließ die Soundanlage zu wünschen übrig. Unter dem Motto "25 Years Of Creativity" feierten wir den Musiksender, der heutzutage leider kaum noch Musik spielt, sondern mehr seichte, albern-peinliche Soap-Operas. Aber vielleicht bin ich ja einfach schon viel zu alt und hab noch nicht kapiert, dass Musik bei einem Sender der sich "Musical Television" nennt, nicht so wichtig ist.

Dennoch, war ein netter Abend mit akustischen wie optischen Reizen.

24. Januar 2007

Jetzt ist er da, der Winter

Joakim Nyberg aus Stenudden, 70 km nordwestlich vom lappländischen Arvidsjaur schickte der Zeitung Expressen ein Bild der Anzeige des Außenthermometers seines Autos (Bastian Sick wäre glücklich ob dieser Konstruktion).

- 37 Grad im Auto...

CD-Schlussverkauf hat angefangen

Schweden ist anders. It's another world. Manchmal zumindest.

Heute startete im Königreich der CD-Schlussverkauf (Schwedisch: CD-rea), längst noch nicht so heißersehnt und langerwartet wie der Bücher-Schlussverkauf (bokrea), der uns im Land der Mitternachtssonne Ende Februar ins Haus steht.

Den "bokrea" gibt es schon lange und alle Leseratten und Einrichter, die schöne Buchrücken in ihren IKEA-Regalen haben wollen, warten auf die Veröffentlichung der Kataloge der großen Ketten oder des lokalen Buchhändlers.

Wesentlicher Unterschied zwischen S und D: In Schweden gibt es zum Leidwesen der kleinen Buchhändler keine Preisbindung. Das führt dann dazu, dass der mit dem hoch angesehenen "August"-Preis ausgezeichnete Roman "Svinlängorna" (Die Schweinehäuser) von Debütantin Susanna Alakoski hier für 300 und bei den beiden großen Internetanbietern www.bokus.com oder www.adlibris.se für 135 Kronen plus Versand in der gebundenen Ausgabe angeboten wird.

Beim "bokrea" gibt es Kataloge, die bis zu 50 Seiten umfassen und in denen etwas ältere Bücher verramscht werden, eben ein echter Schlussverkauf. Meine Büchereinkäufe lege ich immer auf den Februar und klicke mich durch die Angebote der schon genannten Internetanbieter.

Zurück zum CD-Rea. Wer was Schwedisches sucht, der findet bei www.cdon.com, das es auch in Deutschland als Download-Anbieter gab unter anderem:


Carola: 18 bästa, wer auf Diva-Schlager steht...

Agnetha Fältskog: That's Me - Greatest Hits

Lars Winnerbäck: Söndermarken

alles für nur 49 kr. Ja, es gibt noch andere Anbieter und dieses Blog verdient keine Öre daran,

zum Beispiel gibt es noch www.ginza.se. Ginza ist eigentlich DER Klassiker. Heute hauptsächlich Internetlieferant hat Ginza immer noch seinen klassischen Papierkatalog mit über 200 Seiten, jeden zweiten Monat.

Früher wartete man gespannt auf den neuen GINZA und wenn man sich in Trollhättan abends an der Würstchenbude traf, ging man den Katalog durch, denn bei Gemeinschaftsbestellungen über 1.000 Kronen bekam man Prozente, weshalb dann die Vinylscheibe von den Bay City Rollers, Meat Loaf, Simple Minds oder U 2 gleich fünf Mal bestellt wurde.

Auch GINZA hat viel für 49 kr, zum Beispiel die Popnudelmaschine Da Buzz aus Karlstad mit ihrem Album "More Than Alive", reihenweise echte schwedische Rockklassiker von Ebba Grön (Ende 70er/Anfang 80er), auch Scheiben der Nachfolgeband Imperiet mit Punkgenie Joakim Thåström, die Kindfraustimme von Lisa Ekdahl auf dem gleichnamigen Album von 1994 oder Material von Schwedens Dieter Bohlen Per Gessle (Roxette-Fans nicht böse werden...).

Es lohnt sich mit anderen Worten, durch die Läden zu stöbern und schwedische Musik zu kaufen. Mit dem Thema wird sich auch das Stöckchen beschäftigen, dass ich diese Woche noch loswerfen werde...

23. Januar 2007

Rosenberg zu Werder Bremen?

In der schwedischen Nationalmannschaft sitzt Marcus Rosenberg meist auf der Bank. Leider war das in letzter Zeit auch so bei seinem Club Ajax Amsterdam. Nun wird der 24-Jährige mit dem deutschen Bundesliga-Herbstmeister Werder Bremen in verbindung gebracht.

Der schwedische Fernsehsender TV4 beruft sich auf seiner Seite fotbollskanalen.se auf holländische Quellen, die sich des Wechsels sicher sind. Allerdings haben sowohl Rosenberg wie sein Agent Martin Dahlin einen Kommentar abgelehnt. Dahlin spielte selber in den 90er Jahren für Borussia Mönchengladbach und den Hamburger SV und hat exzellente Kontakte in die Bundesliga. Werder Bremen sucht nach einem Ersatz für seinen kroatischen Stürmer Ivan Klasnic, dem eine Nierentransplantation bevorsteht.

Oscar: Deutschland oder Dänemark?

Thomas hat in seinem Blog Fiket schon berichtet, dass gestern Abend "Das Leben der Anderen" mit dem "guldbagge", dem Goldkäfer, dem schwedischen Filmpreis, als bester ausländischer Film 2006 ausgezeichnet worden ist.

Nun sind auch die Oscar-Nominierungen raus und da ist "Das Leben der Anderen" nominiert als "Best Foreign Picture". Konkurrent dabei ist unter anderem der dänische Film "Efter Bröllopet" (Nach der Hochzeit) der dänischen Regisseurin Susanne Bier. In diesem Film spielt Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen einen Dänen, der jahrelang in Indien ein Waisenhaus geleitet hat. Als das Waisenhaus von der Schließung bedroht wird, erhält er das Angebot eines dänischen Geschäftsmannes, gespielt von dem großartigen schwedischen Schauspieler Rolf "Kurt Wallander" Lassgård. Vier Millionen $, wenn er an einer Hochzeit in Dänemark teilnimmt. An das Angebot sind merkwürdige Bedingungen geknüpft, die Jacob-Darsteller Mikkelsen in ein moralisches Dilemma bringen.

Dänemark ist zur Zeit das interessanteste Filmland in Nordeuropa, das zeigte leider auch die gestrige Preisverleihung der schwedischen Goldkäfer. Den Dänen sagt man zur Zeit eine innovative Leichtigkeit nach, die dem schwedischen Kino abhanden gekommen ist.

Vielleicht kann der Schwede Lassgård Anfang März jubeln, wenn ein noch ausguckender Promi den Umschlag öffnet und sagt: "And the Oscar goes to..."

In einem Telefoninterview mit Aftonbladet sagte Lassgård: "Für mich war das eine Rolle, die ich in Schweden wohl nicht bekommen hätte. Es war eine Herausforderung, der ich so noch nicht begegnet war. Das ist der zweite Film, in dem ich mitgespielt habe und der jetzt für einen Oscar nominiert ist. Fantastisch."

Lieschen Müller heißt Anna Johansson

Wenn man in Schweden vom "medelsvensson" spricht, dann meint man den Durchschnittsbürger, den "Mittelsvensson". Dass der häufigste Nachname in Schweden Johansson ist, wissen die meisten hierzulande.

Das Statistische Zentralamt hat nun die typische Durchschnittsfamilie konstruiert. Ein paar Details:

Die Familie heißt Johansson, wohnt im Eigenheim, beide arbeiten in der Industrie oder in einem Pflegeberuf und fahren, na was schon, Volvo natürlich.

Sie heißt Anna, ist 42 Jahre alt, und ist seit 15 Jahren mit dem 39-Jährigen Lars verheiratet. Arbeitsplatz: Krankenhaus oder Altersheim.

Zwischenfrage 1: Sind in Schweden die Ehemänner durchschnittlich jünger als ihre Frauen? Zwischenfrage 2: Werden nicht 50% aller Ehen in Schweden geschieden?

Zwei Kinder haben die beiden: Johan ist 15 und Emma 11. Sie haben ein Haustier, das nicht näher definierbar ist. Vielleicht einen Hund namens Charlie oder eine Katze namens Bessie. Oder ein Kaninchen namens Lille Skutt nach der gleichnamigen Comic-Figur aus dem sehr populären Kinder-Comic Bamse. Beide Kinder räumen ihre Zimmer regelmäßig auf und machen nicht mehr als 2 Stunden Schularbeiten pro Tag, eher eine Stunde.

Was machen die Erwachsenen in der Freizeit? Lars wäscht den Volvo, Baujahr 2000 und Anna surft im Internet oder liest ein Buch. 97% aller zusammenlebenden Schweden haben einen PC zu Hause und 93% einen Internetanschluss.

Pro Woche futtern die Johanssons 1,2 Kilo Süßigkeiten, hier "godis" genannt. Lars hat leichtes Übergewicht, was entweder auf die Leckerlis zurückzuführen ist oder auf das Bier, das er sich dann und wann gönnt.

Die Familie hat ein gemeinsames Einkommen von 50.000 Kronen (5488 €) brutto, das macht 32.000 (3512 €) netto. 25% davon gehen fürs Wohnen drauf. Insgesamt geben sie 31.300 Kronen pro Monat aus. Bleiben lediglich 7 Hunderter (knapp 77 €) übrig, nicht viel Erspartes also...

Anna hat eine Lebenserwartung von 83 und Lars sollte 79 werden.

Im Forum auf der Seite der Onlinezeitung E24.se, auf der das Ergebnis der Studie zu finden ist, zweifeln viele das ihnen scheinbar zu hohe gemeinsame Einkommen an und betonen, dass sie selber deutlich weniger verdienen. Ein paar Stimmen:

Hawkins jr. glaubt, dass es z.B. in Stockholm leichter sei, einarmige Vietnamveteranen zu finden als diese Durchschnittsfamilie. Die meisten verdienten vermutlich weniger als 30.000 netto im Monat.

Erik schreibt: "Ich arbeite selber in der Industrie, mache Akkord, verdiene besser als der Tarifvertrag meiner Gewerkschaft, weil es meinem Unternehmen gut geht, arbeite ständig nachts, was mir einen Zuschlag von 21% bringt. Wenn ich richtig, richtig gut gearbeitet habe, kriege ich vielleicht 16.000 [1760 €] netto zusammen. Aber die Frau in einem Pflegeberuf? Was für eine widerwärtige Lüge! Ihr wollt nur, dass die Leute sich mies fühlen und dass sie glauben, noch mehr arbeiten zu müssen."

Sege Frisk: "Der Durschnittsschwede hat im Prinzip kein Eigentum, kann kaum überleben, falls das nächste Gehalt nicht kommen sollte. Woher kommen all diese merkwürdigen Mythen?"

Skolverket: Verbot von Schleiern verstößt gegen Schulgesetz

Am 08.03.2006 wandte sich die Mutter eines 7-Jährigen Mädchens an Skolverket. Grund: die Minervaschule in Umeå hatte es dem Mädchen untersagt, während des Schultages einen Schleier zu tragen. Die Schule war der Ansicht, dass das Tragen des Schleiers gegen geltende Ordnungsregeln verstoße, die auch das Tragen von Schirmmützen oder Mützen untersagte.

Nun hat die schwedische Schulbehörde heute mitgeteilt, dass das ausgesprochene Verbot gegen das geltende Schulgesetz verstoße. Wenn die Schule dem Mädchen untersage, einen Schleier zu tragen, würde das Kind aufgrund seiner Religion vom Unterricht ausgeschlossen. Die Mutter hatte das Kind nach der Entscheidung an einer anderen Schule angemeldet.

Die Minervaschule hatte versucht damit zu argumentieren, dass lediglich Erwachsene das recht besitzen würden, ihre Kleidung aufgrund religiöser Überzeugungen zu wählen. Besonders für junge Mädchen bedeute das Tragen religiös motivierter Kleidung eine Unterdrückung des eigenen Bestrebens nach Freiheit und des Willens, eigene Entscheidungen zu treffen.

Skolverket wies diese Begründung zurück. Die Minervaschule wird von einer der prominentesten Anwältinnen Schwedens vertreten, Elisabeth Fritz, die sich besonders für Mädchen und Frauen einsetzt, die in Fragen der Ehre von ihrer Familie unterdrückt und verfolgt werden.

Elisabeth Fritz führt in ihrer Begründung des Widerspruchs gegen die erste Entscheidung Skolverkets unter anderem an, dass Frankreich am 15.03.2004 ein Gesetz eingeführt habe, dass religiöse Kleidung und religiöse Symbole in allgemeinbildenden Schulen verbiete. Am 29.06.2004 hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg der Universität Istanbul Recht gegeben, das Tragen von Kopftüchern aus religiösen Gründen zu untersagen. Elisabeth Fritz schrieb, es sei merkwürdig, dass europäische Richter keinen Verstoß gegen europäische Konventionen feststellten, schwedische Behörden aber der Ansicht seien, dass sie sich über solche Entscheidungen hinwegsetzen könnten.

2003 hatte Skolverket in einem anderen Fall einer Göteborger Schule recht gegeben, die das Tragen von Burkas während des Unterrichts untersagt hatte. Damals hatte die Behörde gesagt, dass auch wenn die Burka eine religiöse Stellungnahme ausdrücken würde, so müsse man den pädagogischen Auftrag der Schule höher einschätzen. Fritz schliesst daraus, dass Skolverket durch diese Entscheidung durchaus eingeräumt hätte, dass man die Religionsfreiheit in allgmeinbildenden Schulen einschränken könne.

Die heutige Begründung von Skolverket gibt es auf Schwedisch als PDF-Dokument auf der Homepage der Behörde.

Elisabeth Fritz erwägt nun, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. "Die Entscheidung von Skolverket kann gegen die Europäische Konvention verstoßen. Ich treffe täglich Klientinnen, die den Schleier nicht mehr tragen wollen, es aber nicht dürfen, und in diesem Fall geht es darum, dass die Schule sich um die Interessen eines Kindes gekümmert hat und darauf hat Skolverket keine Rücksicht genommen," sagte Fritz der Zeitung Svenska Dagbladet.

22. Januar 2007

Nicht nur in Landskrona

Nicht nur im südschwedischen lLandskrona gibt es Probleme mit der Disziplin in der Schule. Die Vorkommnisse an der dortigen Gustav-Adolf-Schule sind in aller Munde und die Rektoren haben zusammen mit den politisch Verantwortlichen in der Gemeinde nun verboten, dass andere Sprachen als Schwedisch gesprochen werden.

Auch in der Göteborger Torslanda-Schule gibt es Scherben. Leider im wahrsten Sinne des Wortes. Im vergangenen Jahr wurden Scheiben im Wert von ca. 33.000 € in der Schule zerstört, allein während der Weihnachtsferien gab es 22 Vorfälle an den beiden Schulen, weshalb man jetzt beschlossen hat, dass die Schulen nachts bewacht werden, schreibt Westschwedens größte Zeitung Göteborgs Posten. (GP)

Der heutige Schultag in Göteborg begann für die Schüler mit einer anonymen Schreibaufgabe. Sie sollten notieren, wen sie für verantwortlich für die Zerstörung halten, nachdem am Wochenende erneut etliche Scheiben eingeworfen worden waren.

Bislang haben fünf Leser den Artikel in GP kommentiert, darunter anonym: "Der Rektor sollte sich lieber um die Sicherheit an der Torslanda Schule kümmern. Man stirbt nicht von Graffiti oder Scherben, aber die Behandlung, die dir an deiner Schule widerfährt, die kann dir schaden."

Eisglätte sorgt für mehr als 100 Unfälle

In Skåne hat das Winterwetter mit Eisesglätte für mehr als 100 Unfälle gesorgt, berichtet die Zeitung Sydsvenska Dagbladet.

Da der Winter für schwedische Verhältnisse ungewöhnlich spät einsetzt, glaubt man auch, dass viele Schweden noch keine Winterreifen angelegt haben, obwohl dies eigentlich vorgeschrieben ist.

Hier in Stockholm ist es kalt und dem Vernehmen nach relativ ruhig auf den Straßen.

Worte der Woche

"I'm in."

Hillary Rodham Clintons kurze, aber prägnante Ansage, dass sie sich um das Amt der Präsidentin bewerben wird.

Gewerkschaften verlieren Mitglieder

Die Entscheidung der konservativen Regierung unter Ministerpräsident Reinfeldt, die monatlichen Beiträge der Schweden zur Arbeitslosenversicherung annähernd zu verdreifachen, führt dazu, dass viele bei ihrer Gewerkschaft anrufen und die Arbeitslosenversicherung aufkündigen. Trotz der Risiken, die damit verbunden sind, im Falle der Arbeitslosigkeit gar keine Unterstützung zu bekommen.

Allerdings erhalten auch alle, die eine Arbeit haben, monatlich mehr Geld, weil die Regierung gleichzeitig einen sogenannten "Arbeitsabzug" (jobbavdraget) eingeführt hat. Wer Arbeit hat, zahlt weniger Steuern. Bis zu ca. 110 € monatlich.

Die Erhöhung der Arbeitslosenversicherung (A-kassa) ist letzten Endes geringer als der Steuererlasss. Trotzdem steigen nun täglich Hunderte aus der Arbeitslosenversicherung aus, berichten das schwedische Staatsfernsehen SVT und mehrere Tageszeitungen.

Die aktuellen Meinungsumfragen nach politischer Präferenz stellten der neuen Regierung ein schlechtes Zeugnis aus: Nur knapp 100 Tage nach Machtantritt hat eine neue Regierung noch nie so viele Sympathien bei den Wählern verloren. Wären heute Wahlen, bekäme der Linksblock aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei rund 51% der Stimmen.

Am 25. jedes Monats werden gewöhnlich die Gehälter ausgezahlt. Nun hofft man in der Regierungskanzlei, dass die Einsicht, dass die arbeitende Bevölkerung mehr Geld überwiesen bekommt als im Dezember, viele wieder mit der Politik von Reinfeldt & Co. versöhnt.

Den Arbeitslosen allerdings wird es an den Kragen gehen. Die Spaltung der Gesellschaft ist faktisch vorhanden, sie wird sich vermutlich noch vertiefen.

21. Januar 2007

Vom Hölzken aufs Stöcksken


Am Niederrhein kennt man den Spruch, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich das richtig geschrieben habe. Gruß in meine alte Heimatstadt Mönchengladbach, verbunden mit dem Wunsch, dass die Borussia alsbald den Abstiegsplatz verlassen möge und an alte, glorreichere Zeiten anknüpfen können möge.

Ich bekam ein Stöckchen zugeworfen aus Thomas Blog Fiket zugeworfen und lasse hiermit alle wissen, wie mein Schreibtisch aussieht. Heute etwas karg, fast ordentlich, meistens chaotischer. Um mir 284 Mails mit der Frage "Was ist das für ein Aufkleber am Bildschirm oben rechts?" zu ersparen: Es ist ein Aufkleber der Ärzte-CD "Bäst of" mit der Sylvesterbitte: "Ärzte statt Böller" und dem Hinweis auf das Konzert der Mediziner in der Köln-Arena am 31.12.06....

Wer übernimmt den Fährbetrieb nach Gotland?

Visby und Gotland ist eine Reise wert. Mehr als eine Reise sogar. Seitdem ich vor einigen Jahren im Mai der Insel und ihrer mittelalterlichen Hauptstadt einen Besuch abstatten durfte, bin ich ein Freund Gotlands, auch wenn mir der dortige Dialekt nicht gefällt und in meiner noch unveröffentlichten Liste der schwedischen Dialekte auf einem Abstiegsplatz liegt, sorry liebe Gotländer! Es ist schön bei euch, wenn ihr euch bemüht, "rikssvenska" (sowas wie Hochschwedisch...) zu sprechen.

Nun aber zum Thema. Die Insel ist groß, die größte in der Ostsee, aber sie ist nur zu erreichen per Flugzeug oder mit der Fähre aus Nynäshamn (südlich von Stockholm) oder Oskarshamn. Momentan betreibt die Reederei Destination Gotland diese Linien auf der Ostsee exklusiv.

Sie werden von der schwedischen Regierung mit großen Beträgen gefördert und ein Gotländer zahlt für das Ticket zum Festland und zurück deutlich weniger als jemand wie ich, der im Einzugsgebiet der Hauptstadt lebt. Damit die Gotländer einen regelmäßigen Fährbetrieb zum Festland haben, der nicht saisonalen und damit rein kommerziellen Interessen ausgesetzt ist, ist das dem Staat einiges wert.

Der Vertrag mit Destination Gotland läuft nun demnächst aus. Und es dürfen Angebote anderer Reedereien eingereicht werden. Man rechnet nun damit, dass sich Viking Line und auch die estnische Tallink mit Angeboten in den Wettbewerb einschalten werden. Tallink, die in den letzten Jahren agressiv expansiv in der Ostsee operiert, (siehe dazu den Artikel "Die Katzen von Tallinn" in diesem Blog), gilt gar als Geheimfavorit, da man in den eher ruhigeren Wintermonaten den Verkehr aus dem estnischen Paldiski via Visby nach Stockholm betreiben könnte und somit für Lastwagenverkehr aus Russland eine weitere Route nach Skandinavien eröffnen könnte.

20. Januar 2007

Landskrona. Nur noch Schwedisch in der Schule

Auf die Gustav-Adolf-Schule im südschwedischen Landskrona gehen fast nur Kinder von Einwanderern. Die Muttersprache Schwedisch haben nur wenige. Nachdem die Schule schon seit einigen Monaten disziplinäre Probleme hat, bekam man vergangenen Freitag nun landesweit Aufmerksamkeit, nachdem Schüler auf den Fluren Feuerwerksraketen abfeuerten.

Zwar wurde niemand verletzt, aber Schüler und Lehrer haben Angst. Heute nun sagte Rektor Patrik Helgesson, dass Schüler ab sofort nur noch Schwedisch sprechen dürfen, mit Ausnahme natürlich des Englisch-, Deutsch-, Französisch-, Spanisch- oder Muttersprachenunterrichts.

Vor ein paar Wochen hatten Liberale dasselbe schon in Malmö vorgeschlagen. Die Maßnahme hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Schulminister jan Björklund (fp) meinte, aus Stockholm wolle er diese lokale Maßnahme nicht kommentieren. Seine Parteikollegin und Integrationsministerin Nyamko Sabuni hält die Entscheidung der Schule für unangebracht. Man könne Kindern außerhalb des Unterrichts nicht für die Pausen vorschreiben, in welcher Sprache sie sich unterhalten müssten, meinte Sabuni. Die Chefjuristin der schwedischen Schulaufsichtsbehörde Skolverket Ingegärd Milton war sich noch nicht sicher, ob man überhaupt so verfahren dürfe. Wenn sich ein Schüler oder Eltern bei Skolverket beschweren, muss die Angelegenheit rechtlich geprüft werden.

Meine eigene Meinung: Ich halte es mit Nyamko Sabuni. Es ist mehr als unangebracht, vorzuschreiben, in welcher Sprache man sich in der Öffentlichkeit unterhalten muss. Randalierern wird man damit nicht beikommen. Randalierer sollen bestraft werden, aber es bringt nichts, andere Sprachen zu verbieten. Die Schukle will damit erreichen, dass das Personal so von Drohungen gegenüber Personal oder anderen Schülern informiert wird, die man heute nicht mitbekommt. Was wichtiger ist, ist den gewaltfreien Schülern die Angst zu nehmen vor den Problemkindern. Es nützt wenig ob nun auf Arabisch oder Schwedisch gebrüllt wird, bevor eine Rakete abgefeuert oder jemand geschlagen oder Mädchen als "Hure" beschimpft werden, ein alltägliches Wort in schwedischen Schulen. Was hilft, ist, dass die Schule und damit die Gesellschaft sich durchsetzt gegenüber Randalierern. Dass Schüler, die gegen Gewalt sind, wissen, dass die Erwachsenen und die Gesellschaft ihnen helfen und sie schützen.

Dass erreicht man allerdings nicht nur mit drakonischen Strafen, die auch notwändig sind. Man muss auch dringend gegen die Segregation vorgehen, gegen die zunehmende Hoffnungslosigkeit in den Vororten oder Stadtteilen mit besonders hohem Anteil von Einwanderern.

Gerade in Landskrona gewannen die rechtsradikalen Schwedendemokraten bei den letzten Reichstagswahlen 22,3% bei den Gemeindewahlen. Das verschaffte den Rechten 12 Sitze im Gemeindeparlament. Die Entscheidung des Rektors dürfte Wasser auf die Mühlen der Fremdenfeindlichen gießen.

Manifestation am 5-Jahrestag des Mordes an Fadime

Heute vor fünf Jahren wurde Fadime Sahindal von ihrem Vater ermordet. Ein sogenannter Mord aus Gründen der Ehre. Der Tod Fadimes machte damals auf ein bis dahin weitgehend verdrängtes Problem aufmerksam: Manche Mädchen aus vorwiegend muslimischen Familien, deren Lebensstil nach Ansicht der Familie allzu westlich oder schwedisch ist, werden von ihrer Familie bedroht, unter Druck gesetzt und schlimmstenfalls sogar mit Gewalt gezwungen, nachzugeben, damit die Ehre der Familie gewahrt bleibt. Im Fall Fadime Sahindal führte es bis zum Mord an der eigenen Tochter.

Heute fand auf dem Stockholmer Sergels Torg am 5-Jahrestag der Ermordung Fadimes eine Manifestation statt, an der leider nur ca. 50 Menschen, vorwiegend Frauen, teilnahmen. Justizministerin Beatrice Ask versprach mehr Geld für Arbeit gegen Gewalt, die aus Gründen der Ehre begangen wird.

Die Ministerin sagte: "Es gibt eine Grenze, die man nicht überschreiten darf und wenn man bedroht, jemanden verfolgt oder gar jemanden tötet, nur weil sie ein modernes Leben leben wll, dann ist man zu weit gegangen."

Recht hat die Ministerin. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und hielte es für angebracht, im Fall von Beweisen die meist männlichen Familienmitglieder lebenslang auszuweisen, die glauben, aus Gründen der Ehre ihre Töchter, Schwestern oder Kusinen bedrohen, misshandeln oder gar töten zu dürfen. Es muss auch möglich sein, jemandem die erworbene Staatsbürgerschaft wieder abzunehmen.

Sportler des Jahres 2006

Bei einer Gala im Stockholmer Globen wurden vergangene Woche die Sportler des Jahres gekürt:

Sportler des Jahres wurde der zweifache Skisprint-Olympiasieger Björn Lindh.

Sportlerin des Jahres die Biathletin Anna-Karin Olofsson.

Mannschaft des Jahres die Eishockey-Nationalmannschaft, die 2006 das Kunststück schaffte, sowohl Olympiasieger wie Weltmeister zu werden.

Den begehrten Hjerring-Radiopreis für die Sportleistung des Jahres gewann etwas überraschend die Hürdenläuferin Susanna Kallur, die sich bei der Publikumsabstimmung gegen die Eishockeyspieler durchsetzte.

Sozialdemokraten erreichen neues Hoch

Die Wahlen sind verloren. Aber die Meinungsumfragen über die Sonntagsfrage sehen so gut für die Sozialdemokraten aus wie schon lange nicht mehr. Kaum ist Mona Sahlin zur einzigen Kandidatin für den Parteivorsitz gekürt, was ihr seitenlange Artikel in allen wichtigen Zeitungen eingebracht hat, da steht die Partei bei 41%. Allerdings ist die Umfrage schon vor der Bekanntgabe der Entscheidung Sahlins gemacht worden. Die Regierung Reinfeldt sinkt weiter im Ansehen der Bevölkerung. Das selbstaufgeklebte Etikett der neuen Arbeiterpartei nimmt dem Millionär Reinfeldt heute schon niemand mehr ab. Aber drei Jahre hat er Zeit, das Land zu verändern. Dann wird er es im Wahlkampf mit Mona Sahlin zu tun bekommen, der Frau, der man nachsagt, sie spreche wie keine andere die Sprache des Volkes. Zu dem einstigen Zentrums-Vorsitzenden Olof Johansson sagte sie einmal: "Meine Röcke sind kurz. Hinter denen kannst du dich nicht verstecken."

Wintereinbruch


Und am 20. Januar 2007 kam der Winter nach Stockholm und in die südlicheren Landesteile. Seit ein paar Stunden schneit es und die Temperaturen liegen in der Hauptstadt leicht unter 0. In den nächsten Tagen soll es so bleiben.

Beim PISA-Sieger

Zwei Tage leite ich ein Seminar über "Pop- und Rockmusik im Deutschunterricht" beim PISA-Sieger Finnland. Und am Ende, nach zwei Tagen intensiver Arbeit mit elf Lehrerinnen aus Grundschule und Gymnasium in Tampere, wundere ich mich nicht mehr sonderlich: Eine Gruppe von Deutschlehrerinnen aus Tampere. Allesamt sehr kompetent, hervorragend ausgebildet, sehr gute Deutschkenntnisse, auch diejenigen, die "nur" die 3. und 4. Klasse unterrichten. Und ich wundere mich gar nicht mehr.

Kein anderes Land in der EU gibt so viel Geld für Bildung aus wie Finnland. In die Lehrerausbildung kommen nur die Besten, weil es ein sehr angesehener Beruf ist, anders als etwa in Schweden. So macht Arbeit Spaß.

17. Januar 2007

Benimmnoten in Stockholm ab Herbst

Die neue Stockholmer Stadtregierung wird ab dem kommenden Schuljahr, d.h. ab Mitte August 2007, in Stockholm Noten für Betragen einführen.

Mit diesem Thema gingen die Liberalen (fp) schon in den Wahlkampf und versprechen sich davon mehr Ruhe in den als laut und unruhig geltenden Schulen und als Folge dessen weniger Mobbing und insgesamt bessere schulische Leistungen.

Obs hilft?

In einem Diskussionsforum der Zeitung Svenska Dagbladet schreibt ein Lehrer namens Tore dazu: "Das Problem mit der Diskussion der Liberalen ist, dass sie vor den eigentlichen Problemen die Augen verschließen: schlechte Arbeitsbedingungen, kaum Forschung oder Fortbildung, die Wurzeln der Probleme in den Schulen. Die Diskussion müsste um ganz andere Dinge als nur om Ordnungsfragen handeln. Darüberhinaus sieht man auch in dieser Frage das negative Menschenbild der Liberalen. Als Lehrer kann ich sagen, dass die meisten Schüler, die ich habe, wissbegierig und interessiert sind und ihr Äußerstes tun. Aber der Druck ist enorm."

Mona Sahlin gab ihr Ja-Wort

Es ist keine Sensation, nicht einmal eine Überraschung. Dagens Nyheter meldet in seiner Internet-Auflage, dass nach all den Neins von Margot Wallström, Karin Jämtin, Ulrica Messing und wer weiß noch wem Mona Sahlin heute "ja" gesagt hat.

Verheiratet ist sie schon lange mit einem Mann namens Bosse (sprich: Busse). Aber die Frage bezog sich auf die Bereitschaft, im März auf dem sozialdemokratischen Parteikongress als Kandidatin für den Vorsitz anzutreten.

Damit steht fest, dass sie auch gewählt werden wird. Und vielleicht wird sie bei den nächsten Reichstagswahlen 2010 dann auch die erste weibliche Regierungschefin im nach eigener Aussage gleichberechtigsten Land der Welt.

Es ist die große Revanche der Mona Sahlin. Vor zehn Jahren war sie down and out und alle schrieben sie ab (siehe frühere Posts). Jetzt feiert sie ein Comeback wie übrigens auch bald Rocky alias Sylvester Stallone. Bald in Ihren Lichtspielhäusern.

Post aus Tampere

Der heutige Eintrag kommt aus der südfinnischen Stadt Tampere. Mein Flug war eine gute Stunde verspätet, weil am hiesigen Flughafen irgend etwas mit der Radaranlage nicht in Ordnung war. Die Reise mit dem fast leeren Flieger der SAS-Tochter Blue1 war eine Reise von einem Land ins andere, fast aber auch von einer Jahreszeit in eine andere.

Während Stockholm immer noch auf den Winter wartet und um die Mittagszeit rein gar nichts an die kalte Jahreszeit in diesem Winterland erinnert, sah ich schon beim Landeanflug überall Schnee. Am Wochenende finden hier die finnischen Meisterschaften im Skilanglauf statt und Virpi Kuitunen und all die anderen Stars des sich langsam von der Dopingkatastrophe von Lahti erholenden finnischen Teams werden nicht auf einer von Schneekanonen künstlich präparierten Loipe laufen müssen.

Die Architektur finnischer Städte, mit Ausnahme von Helsinki, ähnelt sich sehr. Durch Brände geschädigt und vom Geist der 60er Jahre geprägt, stehen in den finnischen Mittelstädten à la Turku und Jyväskylä, Kuopio und Tampere rechteckige Blocks, die leider wenig Charakteristisches ausstrahlen. Austauschbarkeit. Das soll aber nicht heißen, dass es nicht sehr schöne Plätze geben kann. Tampere hat viele Parks, aber es ist eine alte Industriestadt, das finnische Manchester wird es bisweilen genannt.

Und hier heißt das Zahlungsmittel Euro. Gottlob hatte ich 20 € in der Brieftasche, denn am Flughafen fehlt ein Geldautomat. Knapp 40 Minuten dauerte die Fahrt mit dem Linienbus 61, kostete aber immerhin lediglich 4,30 €.

Als ich ankomme im Zentrum ist es schon dunkel. Wie immer habe ich irgendwas vergessen, einen Gürtel, also hole ich mir einen bei der Warenhauskette Anttila. Mache einen Abstecher in die CD-Abteilung, um zu schauen, ob ich eine CD der finnischen Hardrockband Apulanta (zu Deutsch: Dünger) günstig ergattern kann. Und was spielt man in der Abteilung: Völkerball von Rammstein. Die Finnen sind Rammstein-Fans, das passt zu unserem Geschmack, sagte mir ein Finne.

Morgen schaue ich mir die Stadt auch mal bei Tageslicht an und dann gibt es einen kleinen Tagesbericht hierzu.

16. Januar 2007

Computerspiel verursachte Riesenschlangen

Wer gestern Nachmittag durch Stockholm ging, wie der Autor dieser Zeilen, sah vor einigen Geschäften lange Schlangen von Jugendlichen, die offenbar auf etwas Besonderes warteten. Heute, am 16.01. wurde das PC-Spiel "World of Warcraft" in einer neuen Version auf dem schwedischen Markt veröffentlicht. Einzelne Läden öffneten deshalb um Mitternacht ihre Pforten.

"World of Warcraft" ist ein Rollenspiel, das sich für manche gegen das reale Leben durchsetzt. Der 19-Jährige Oscar Henningson hat nach eigener Aussage seit Veröffentlichung der ersten Version vor zwei Jahren täglich zwei Stunden mit dem Spiel verbracht, einmal sogar 36 Stunden ohne Pause, bis seine Eltern eingriffen.

14. Januar 2007

Orkan in Süd- und Westschweden

Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 145 km/h ist am Vormittag der Orkan "Per" über Süd- und Westschweden hereingebrochen. Bäume wurden entwurzelt, bereits 240.000 Menschen haben keinen Strom mehr und es hat leider auch schon zwei Tote gegeben. In Motala am östlichen Ufer des Vättern-Sees wurde ein 9-Jähriger Junge von einem Baum erschlagen und in der Nähe von Nässjö in Småland starb ein Autofahrer als ein Baum quer vor seinen Wagen stürzte.

Göteborgs Posten meldet, dass das Dach der Eishalle von Kungsbacka, südlich von Göteborg, vom Sturm mitgenommen wurde. Kersti Raiend, Reporterin der Zeitung, die sich in der Halle gerade ein Jugend-Eishockeyspiel anschaute: "Teile des Dachs wurden weggerollt, so wie wenn man mit einem Käsehobel eine Scheibe Käse abschneidet." Scheinbar ist wie durch ein Wunder niemand ernsthaft verletzt worden.

Der Zugverkehr in Skåne und zwischen Göteborg und Malmö ist aus Sicherheitsgründen eingestellt worden. Die schwedischen Eisenbahnen gingen bereits heute Morgen mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, dass sie allen Fahrgästen, die Tickets gebucht hätten, das Geld zurückerstatten würden. Es gab auch keinen Ersatz durch Busse, weil man auch das als zu gefährlich ansah.

Um die Mittagszeit gab es auch keinen Strom im Göteborger Bahnhof, so dass sämtlicher Zugverkehr, auch nach Stockholm, zum Erliegen kam.

Zwei Schnellzüge vom Typ X2000 mit insgesamt ca. 500 Reisenden sitzen fest, berichtet die Zeitung Sydsvenska Dagbladet. Es ist noch ungewiss, ob sie die Reise fortsetzen können, oder ob sie an der Stelle, an der sie stecken geblieben sind, übernachten müssen. Ein Zug war auf dem Weg von Malmö nach Stockholm und steht jetzt in Moheda, unweit von Alvesta, einem Eisenbahnknotenpunkt in Småland.

"Zuerst hieß es, wir würden von Bussen abgeholt, aber inzwischen sagte man uns, dass es auch für Busse zu gefährlich sei," sagt Jenny Eriksson, Mitarbeiterin von Sydsvenska Dagbladet, die zu den Passagieren gehört. Ein weiterer Zug steht bei Tranås, ebenfalls in Småland.

Edvard Lind, Pressesprecher der Eisenbahngesellschaft SJ: "Im schlimmsten Fall müssen die Passagiere im Hotel übernachten, niemand bleibt im Wald hängen."

In Stockholm ist es in diesen Minuten schon dunkel, aber dass weiter südlich ein Orkan tobt, ist hier nicht zu merken. Es hat geregnet und die Temperaturen liegen im Plusbereich. Heute Abend noch mehr zu den Folgen des Orkans in Schweden.

13. Januar 2007

ABBA-Björn: Große Steuernachzahlung steht an

Dass die vier ABBAs weltweit mehr als 300 Millionen Tonträger verkauft haben, hat sie steinreich gemacht. Und dass man in Schweden mit die höchsten Steuern der Welt zahlen muss, weiß jedes Kind. Mona Sahlin, designierte Vorsitzende der Sozialdemokraten, hat sich vor einigen Jahren mit dem Zitat "Es ist geil, Steuern zu zahlen." (Det är häftigt att betala skatt.) unsterblich gemacht.

Björn Ulvaeus (sprich: Ull-weh-uss), der Mann an der Gitarre und Ex-Mann von ABBA-Blondie Agnetha, wird Sahlin nicht zustimmen. Von ihm verlangt das Finanzamt nun aus den Jahren 2004 und 2005 insgesamt noch einmal 1,75 Millionen €. Das Finanzamt ist der Auffassung, dass Ulvaeus es durch eine Reihe von Firmen im Ausland vermieden hat, Steuern in der vorgeschriebenen Größenordnung zu zahlen.

Bereits vergangenes Jahr war der ABBA-Musiker in den Schlagzeilen, weil das Finanzamt von ihm noch viel mehr, nämlich 9,53 Millionen € haben wollte. Natürlich hat Ulvaeus gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt und die Sache ist noch nicht entschieden. Hier meint das Finanzamt, dass der ABBA-Björn durch verschiedene von ihm kontrollierte Stiftungen im Ausland der schwedischen Steuer den ihr zustehenden Obulus entzogen habe.

Nun hat sich die Gesamtforderung also noch einmal erhöht auf insgesamt 11,28 Millionen €.

Orkanwarnung

In der kommenden Nacht erwartet man in Westschweden einen Sturm, der möglicherweise fast ebenso stark sein könnte, wie "Gudrun" im Jahr 2005. Dieser Sturm hatte Zehntausende Bäume vor allem in Småland gefällt und eine Reihe von Waldbesitzern an den Rand des Ruins getrieben. Die Aufräumungsarbeiten nach "Gudrun" dauerten weit bis ins Jahr 2006.
Dabei gab es schon letzte Nacht einen Sturm an der Westküste. 24.000 Haushalte sind noch immer ohne Strom, meldet Svenska Dagbladet. Nun rechnet man mit Windgeschwindigkeiten bis zu 135 km/h in der kommenden Nacht.

12. Januar 2007

Kommt der Winter doch noch?

Wenn man den Ankündigungen von SMHI, dem Staatlichen Institut für Meteorologie in Norrköping glauben kann, dann wird es heute Nacht in Halland und Skåne losgehen und am Sonntag dann auch hierhin, Richtung Stockholm, ziehen. Scharfer Wind, bis hin zu Orkanböen und viel Schnee.

Am Dienstagabend war ich noch gegen 23 Uhr in der Innenstadt unterwegs und wollte die Treppe zur Vasagatan vom Klarabergsviadukten runtergehen, als der Wind mich buchstäblich zurückblies. In dieser Nacht wurden einige Bäume entwurzelt und ca. 60.000 Haushalte in Mittel- und Südschweden hatten auf einmal keinen Strom mehr.

Apropos, Strom. Die Preise für Elektrizität sind in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen, trotz oder vielleicht gerade wegen der Privatisierung, die es den Schweden schon etwas länger als den Deutschen ermöglicht, aus einem riesigen Pool von Anbietern zu wählen. Ich habe beispielsweise einen Vertrag mit Jämtlands Energi und frage mich immer, wie der Strom wohl gerade von denen über die 700 km in mein Haus geleitet wird...

Aber verstehen muss ich das nicht, lediglich den Lichtschalter umlegen und die Rechnung bezahlen. Im Herbst warnten die schwedischen Medien allesamt vor einem weiteren dramatischen Anstieg der Strompreise, da der Sommer sehr trocken war und die Wasserreservoire leer wären.

Also schloss ich einen neuen Vertrag für Strom ab und legte den Preis auf 2 Jahre fest. Und nun: Erstmal kein Winter und sinkende Preise. Danke Dagens Nyheter, danke Svenska Dagbladet, danke Metro und wie ihr alle heißt! Eure Empfehlung kostet mich (und ein paar tausend andere) eine Stange Geld.

Keine Untersuchung gegen Bildt

Staatsanwalt Christer van der Kwast teilte am Abend mit, dass wegen der Aktiengeschäfte des Außenministers Bildt nun kein Verfahren eröffnet werde. Damit ist Calle Bildt gerettet, aber die Flecken im Hemd werden sich doch nicht so leicht rauswaschen lassen.

9. Januar 2007

Mein Kiruna

Mein erster Besuch in Kiruna liegt schon lange zurück. Vor 21 Jahren bestieg ich in Kopenhagen den Lapplandspilen (Lapplandpfeil), einen Zug der damals noch rein staatlichen schwedischen Eisenbahn SJ, der die fast 2.000 Kilometer bis in die Stadt über dem Polarkreis in 26 Stunden zurücklegte.

Den Zug gibt es nicht mehr, die Strecke gehörte damals für Interrailer im Norden zu den aufregendsten und ereignislosesten zugleich. Es war ein Marathon. Fast 50mal, aber auf Schienen. Die Abstände zwischen den Bahnhöfen, kleine Holzhäuser, umgeben von einer Handvoll Behausungen wurden immer größer, je weiter man gen Norden zuckelte. Vännäs, Bastuträsk, Boden zogen vorbei. Es wurde wieder Abend und gegen sechs fuhr der Zug in einer langen Kurve auf die Stadt zu, die wir aus dem Schulfernsehen als Grubenstadt kannten, als flächenmäßig größte Stadt der Welt mit ihren 20.000 Quadratkilometern. Dann hat die Stadt diesen Spitzenplatz irgendwann verloren und heute findet man bei Recherchen die australische Stadt Mount Isa mit über 40.000 Quadratkilometern als größte Stadt auf dem Globus.

Schnee gab es hier sicher reichlich, dachten wir, hörten ab und an die Nachrichten von Radio Schweden mit den Temperaturen vom Tage am Ende und nicht selten vernahm man Ziffern wie Kiruna - 32 Grad... Brrr, das wollten wir auch einmal erleben, aber der erste Besuch in Kiruna fand im Sommer statt. Aber erst einmal fuhren wir durch. Nach Abisko zur berühmten Touristenstation, malerisch gelegen am See Torneträsk von Bergen in alle Himmelsrichtungen umgeben.

Einmal saß ich im August, dem kältesten des 20. Jahrhunderts in Schweden, in einem Kaufhaus in Kiruna, als es draußen auf einmal zu schneien begann. Zwei junge Frauen flippten aus, "Mein Gott, jetzt schneit es mitten im August", kreischte die eine, "ich hasse diese Stadt, ich will hier weg."

Zweimal fuhr ich mit Touristenbussen tief in die Grube hinein und schaute mir an, wie man hier Generation für Generation Erz gewonnen hatte.

Die Grube.

Der Grund für die Existenz von Kiruna.

Luossavaara Kirunavaara Aktiebolag. Abgekürzt LKAB. Vier Buchstaben, die Synonym sind für die Entwicklung im höchsten Norden Schwedens. Eisenerz. Gewonnen und verarbeitet in kleine Kugeln, Pellets genannt. Das braune Gold Lapplands. Man bohrte sich immer tiefer in die beiden Berge hinein und arbeitete gleichzeitig über Tage. Einer der beiden Stadtberge sieht aus, als habe man in der Mitte ein gigantisches Stück herausgeschnitten.

Kiruna. Eine Lyrikerin aus der Stadt schrieb in den achtziger Jahren ein sehr trauriges Gedicht über ihre Heimatstadt, über die Stadt, die am nördlichen Ende des Landes daliege wie in einem offenen Grab.

Ich habe diese Metapher bis heute nicht vergessen, denn Kiruna sah und sieht tatsächlich aus wie eine verwundete Stadt mit ihrem kaputten Berg. Es lag immer etwas Morbides über der Stadt, in der nun schon mehrere Generationen aufgewachsen sind.

Nun hat man beschlossen, die Stadt aus Sicherheitsgründen umziehen zu lassen. Wie kommt das?

Messungen haben vor ein paar Jahren ergeben, dass die Arbeit in den Gruben so große Risse im Zentrum der Stadt hervorgerufen hat, dass ein großer Teil der Innenstadt buchstäblich umziehen müsste. Mehrfamilienhäuser, Geschäfte, Wasserleitungen, ein Gymnasium, eine Kirche, ein Krankenhaus und das schwedenweit berühmte Stadthaus (einst zu Schwedens schönstem öffentlichen Gebäude gewählt) liegen innerhalb der Gefahrenzone.

Jetzt hat man einen politischen Beschluss über den Umzug gefasst und damit ein Projekt auch formell in Gang gesetzt, das in der Geschichte Schwedens einzigartig ist. In den Medien ist relativ wenig darüber zu finden. Stimmt es, dass Kiruna zu weit vom Schuss ist, dass sich "die im Süden" kaum für die Bewohner der dünn besiedelten Regionen interessieren? Die Volksbewegung dieser strukturschwachen, großen Landstriche "Hela Sverige ska leva" (Ganz Schweden soll leben) existiert immer noch leise, aber immerhin mit 4.000 Lokalvereinen.

Wer von euch Schwedisch kann, findet sehr viele Infos auf der Seite Kirunas framtid (Kirunas Zukunft), die von der Gemeinde Kiruna aufgebaut wurde.

Johansson gegen Sahlin

Nun muss ich mich korrigieren. Ich hatte geschrieben, dass sich Göteborgs sozialdemokratischer Parteibezirk hinter Mona Sahlin als potentielle neue Parteivorsitzende gestellt hatte. Das stimmt auch, allerdings äußerte sich Göteborgs Bürgermeister Göran Johansson heute eher kritisch zu Sahlin und meinte, es gäbe auch gute männliche Kandidaten und es sei ein Fehler unbedingt eine Frau für den Posten zu wollen.

8. Januar 2007

Die Wettervorhersage

Eigentlich sollte die Wettervorhersage kein Thema für dieses Blog sein, aber für morgen kündigen die Frösche bis zu 10 Grad plus in "östra Svealand" an, d.h. im Gebiet Stockholm und Uppsala. Das habe ich hier im Januar noch nie erlebt. Lediglich Anfang Dezember hatten wir für 2-3 Tage Schnee.

Pop/Rock aus Schweden 1: Ulf Lundell

Dass Schweden weltweit das dritterfolgreichste musikexportierende Land ist, wissen viele. Es begann wahrscheinlich damals in Brighton, als ABBA mit "Waterloo" den Grand Prix Eurovision de la Chanson aufmischten. Dass muss in dem damals (und heute) weitgehend schlagerseichten Wettbewerb so aufregend und provozierend gewesen sein wie der triumphale Sieg der finnischen Monster Lordi mit "Hard Rock Hallelujah" in Athen 2006.

Nach ABBA folgten Bands und Künstler wie Ace of Base, Europe, Dr. Alban (den man oft bei Spaziergängen auf Östermalm sieht), Roxette (mit Schwedens Dieter Bohlen Per Gessle), A-Teens und inzwischen erfreulicherweise auch eine ganze Reihe von nicht so geschliffenen Mainstream-Formationen wie die zuerst genannten: The Cardigans, The Hives, The Sounds, The Soundtrack Of Our Lives, Mando Diao und so weiter.

Diese Künstler sind in Deutschland hinreichend bekannt und brauchen kaum weiter erwähnt zu werden.

Weniger bekannt sind natürlich Künstler und Bands, die in der Landessprache, also på svenska, singen und veröffentlichen.

Deshalb ab heute und jetzt und hier eine kleine Serie, in der einige vorgestellt werden, die auf Schwedisch arbeiten. Und vielleicht mal für den einen oder anderen Blogleser beim nächsten Schweden-Besuch ein Tipp zum Einkaufen, nachdem wir ja alle aufgehört haben, bei Limewire und ähnlichen P2P-Börsen Sachen illegalerweise herunterzuladen, gell?

Den Anfang möchte ich mit Ulf Lundell machen.

Das hat auch persönliche Gründe. Als ich 1986 in der Göteborger Jugendherberge Ostkupan wohnte, kaufte ich mir in einem naheliegenden Plattenladen das Doppelalbum "Den vassa eggen" (Wortwörtlich "Die scharfe Klinge"), damals noch in der Vinylversion. CD-Player gab es schon, liebe junge Generation, aber ich hatte noch keinen, dafür aber ein paar hundert LPs und dazu kam nun meine erste schwedischsprachige. Wusste nichts über den Künstler. Das hat sich geändert.

Also: Ulf Lundell wurde 1949 am 20. November in Stockholm geboren und obwohl er die Stadt immer wieder mal verlassen hat, auch öffentlich bekundete, dass er es hier nicht mehr aushält, ist er doch letzten Endes immer wieder zurückgekehrt. Lundell ist nicht nur ein Rockmusiker, sondern auch Schriftsteller und Maler.

1949 ist das Jahr in dem auch Bruce Springsteen geboren wurde und obschon gleich alt und ungefähr auch gleichzeitig debütierend wie sein amerikanischer Kollege, hat Lundell Springsteen immer etwas nachgeeifert. Möglicherweise haben beide als Altersgenossen auch sehr viele gemeinsame Einflüsse gehabt.

1975 erscheint das Debütalbum "Vargmåne" (Wolfsmond) und für Lundell war es von Anfang an klar, dass er nur in seiner Muttersprache arbeiten würde. Ein Jahr später legte er seinen ersten Roman "Jack" vor. Ein Generationsroman darüber im Stockholm der 70er Jahre jung zu sein. Geschrieben in langen, verschachtelten Sätzen, voll Stockholmer Slang, bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. In der ehemaligen DDR gab man 1980 ein literarisches Lesebuch mit dem Titel "Schweden heute" (Volk & Welt, Berlin) heraus, in dem jemand ein Kapitel des Romans übersetzt hat.

"Jack" traf den Nerv der jungen Generation und das Buch wurde zum damaligen Zeitpunkt der kommerziell größte Erfolg schwedischsprachiger Literatur im eigenen Land seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Aber hier geht es um Musik...

Lundell hat bis heute 36 Alben (!) veröffentlicht, darunter allerdings auch eine Reihe von Sammelalbum und eine 3er-Live-CD mit dem Titel "Maria, kom tillbaka" (Maria, komm zurück).

Kaum jemand hat über einen so langen Zeitraum einen so kontinuierlichen Erfolg. Musikalisch ist Bob Dylan ähnlich wie bei Springsteen einer der größten Einflüsse. Lundell rockt mit einer heiseren, kratzigen Stimme und er hat inzwischen einen ganzen Kanon von Klassikern geschrieben, der von seinem Publikum, das mehrere Generationen überspannt, geliebt wird. Seine Stärke und da liegt die große Gemeinsamkeit zu seinem amerikanischen Altersgenossen, ist es, in einfachen, aber treffenden und poetischen Worten Gefühle zu beschreiben und Geschichten zu erzählen. In dem einen oder anderen Text lernt man so Schweden auf eine andere Weise kennen.

1982, Lundell war längst ein Star, veröffentliche er das Album "Kär och galen" (Verliebt und ausgeflippt), mit dem er endgültig Kultstatus erreichte. Auf dieser Platte (CD) ist der Song "Öppna landskap" (Offene Landschaften) enthalten, der seitdem so etwas wie eine zweite inoffizielle Nationalhymne Schwedens wurde und bis heute auch in vielen Schulklassen gesungen wird. "Öppna landskap" ist eine Liebeserklärung an Schweden, seine Landschaft, die Freiheit und das Meer.

Mitte der 80er Jahre dann die große Krise, in der das Album "Den vassa eggen" entstand. Der Erfolg stresst den Künstler, er wird nicht damit fertig, seine Ehe scheitert, Ehekrise, die Situation der Kinder und sein Alkoholismus (im Roman "Tårpilen" [Trauerweide] schrieb er später: "Das war die Zeit in der ich eine Flasche Absolut pro Tag trank.") werden öffentlich ausgetragen, sind ständig in den Schlagzeilen der Boulevardblätter und Wochenmagazine. Durch die Hilfe der Anonymen Alkoholiker wird Lundell trocken und ist Ende der 80er Jahre wieder da. Ungebrochen kreativ macht er gleich zwei Doppelalben hintereinander "Evangeline" und "Utanför murarna" (Außerhalb der Mauern).

Mittlerweile vergeht kein Jahr, in dem Lundell nicht angkündigt, sich von den Bühnen als Rockmusiker zumindest eine Pause zu gönnen. Aber beinahe klassisch ist der Satz: "Nach dieser Sommertournee ist erst mal Schluss." Ich vermute, dass auch 2007 wieder eine Tournee angekündigt wird. Die Konzerte des Singer-Songwriters dauern ähnlich wie die des großen Amerikaners ca. drei Stunden, beide können auch in einem großen Fundus nach Stücken suchen.

Und ein Konzert von Lundell auf der Stockholmer Freilichtbühne Skansen im Sommer bei gutem Wetter lockt immer wieder 10.000 Zuschauer an. Mehr werden auch nicht reingelassen. Falls mal ein Schwedentourist im Juli oder August Plakate sieht, kauft euch ein Ticket.

Empfehlenswerte Alben:

Kär och galen (1982), Den vassa eggen (1985), Lundell live, Maria kom tillbaka (1993, 3 CD)), Club Zebra (2002), När jag kysser havet (Det bästa 1975-1984, 2 CD)Danielas hus (Det bästa 1985-1994, 2 CD), Venus & Jupiter (Det bästa 1995-2005, 2 CD)

Songs zum Downloaden:

Sextisju, sextisju, Snön faller och vi med den, (Oh la la) Jag vill ha dej, Rom i regnet, Kär och galen, Öppna landskap, Lycklig lycklig, När jag kysser havet, Chans, Den vassa eggen, Danielas hus, Evangeline, Hon gör mig galen, Isabella, Folket bygger landet, Gott att leva.

NACHTRAG: Da zu den anderen Folgen auch Musik zu hören (und sehen) ist auch etwas von Ulf Lundell, live aus dem Tyrol in Stockholm: Folket bygger landet (2005)

Bildts Aktiengeschäfte Sache für den Staatsanwalt

Die Affäre um Schwedens Außenminister Carl Bildt spitzt sich zu. Nachdem am Wochenende die Grünen ankündigten, eine Anzeige bei der staatlichen Behörde gegen Korruption einzuleiten, hat nun deren Oberstaatsanwalt Christer von der Kwast angekündigt, auf eigene Initiative zu prüfen, ob man ein verfahren einleiten müsse.

Der Oberstaatsanwalt betonte jedoch, dass es sich um die Untersuchung eines sehr empfindlichen Themas handele, nämlich ob der Außenminister einen unakzeptablen Vorteil durch die Aktienoptionen im Energiekonzern Vostok Nafta bekommen hätte.

Nachdem Bildt gestern Abend in einem Interview mit dem Fernsehsender TV4 verbale Entgleisungen entfahren waren: "Du sollst nicht interpretieren, du sollst mich die Fragen beantworten lassen," zischte Bildt und warf dem Reporter vor, Parteipolitik zu betreiben.

Kritik an Bildt kommt allerdings auch aus dem Lager der bürgerlichen Parteipresse. Henrik Brors, Wirtschaftskolumnist von Dagens Nyheter schreibt in einem Kommentar: "Man könnte meinen, dass Carl Bildt, der selbst einmal Ministerpräsident war, genau wissen müsste, dass man alles geklärt haben muss, wenn man Minister wird. Aber seitdem er Ende der 90er Jahre die Politik verließ, hat er ein ganz anderes Leben geführt als internationaler Ratgeber und Risikokapitalist. Er scheint Schwierigkeiten damit zu haben, akzeptieren zu können, dass man als Politiker Kritik vertragen muss. Bildts Angewohnheit, mit Fernsehjournalisten zu streiten, führt beim Fernsehzuschauer kaum zu einem vetrauenswürdigen Eindruck."

Der Außenminister hat für 16.15 Uhr eine Pressekonferenz in der Angelegenheit angekündigt.

Unterdessen wird das Thema in Internet-Foren heiß diskutiert. Über 350 Personen trugen sich mit Beiträgen in das Forum der Boulevardzeitung Aftonbladet zu diesem Thema ein. Dabei erfuhr Bildt auch viel Unterstützung.

Ein Leser ist der Auffassung, dass die Diskussion zeige, dass der Neid eine typisch schwedische Eigenschaft sei. Bildt sei so professionell, dass man ihm nicht unterstellen dürfe, dass er private und öffentliche Interessen unzulässig vermische. Andere äußerten sich dahingehend, dass das Auftreten Bildts von großer Arroganz geprägt sei.

7. Januar 2007

Abkürzungen 1

Wie die Deutschen so lieben auch die Schweden Abkürzungen. Manchmal machen sie das Leben leichter. Da ich ziemlich viel über politische Vorgänge schreibe, in denen immer wieder die Parteien genannt werden, hier ein kurzer Post mit den Namen der Parteien im Reichstag und den Abkürzungen, die ich verwenden werde. Sie entsprechen den schwedischen Abkürzungen in den Medien. Von links nach rechts, wobei man bei den sogenannten bürgerlichen Parteien sich besonders bei der Positionierung von Zentrum und Liberalen streiten könnte, aber während die Liberalen einen deutlichen Rechtsruck seit dem Wahlkampf 2002 durchgemacht haben, hat die Zentrumspartei (bevor Maud Olofsson Vorsitzende wurde) die Minderheitsregierung der Sozialdemokraten toleriert. Auch die Wahlkampfpropaganda der Reinfeldt-Partei, die sich "die neue Arbeiterpartei" nannte, hat nichts genutzt - ihr steht immer noch rechts außen!

Wie auch immer:

Linkspartei = (v), Vorsitzender: Lars Ohly (*1957)

Umweltpartei / Die Grünen = (mp), Sprachrohre: Peter Eriksson (*1958) & Maria Wetterstrand (*1973)

Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens = (s), Vorsitzender: Göran Persson (*1949)

Zentrumspartei = (c), Vorsitzende Maud Olofsson (*1955)

Liberale Volkspartei = (fp), Vorsitzender Lars Leijonborg (*1949)

Die Christdemokraten = (kd) , Vorsitzender Göran Hägglund (*1959)

Moderate Sammlungspartei = (m), Vorsitzender Fredrik Reinfeldt (*1965)

GRÜNE zeigen Außenminister wegen Aktiengeschäften an

Über die Aktienaffäre des amtierenden Außenministers Carl Bildt (m) hatte ich bereits geschrieben. Nun wurde am Abend bekannt, dass sich die Grünen (hier in Schweden Umweltpartei/Die Grünen genannt) dazu entschlossen haben, den 56-Jährigen anzuzeigen.

Grünen-Sprecher Peter Eriksson forderte den Rücktritt von Carl Bildt. Die Anzeige wird am morgigen Montag bei der staatlichen Behörde gegen Korruption eingereicht.

Bildt war im Besitz von Optionen des Konzerns Vostok Nafta gewesen und hatte diese kurz vor Weihnachten veräußert und einen beträchtlichen Gewinn erzielt. Vostok Nafta gehört dem Energiegiganten Gazprom, der eine Erdgas-Pipeline durch die Ostsee plant, zu der Schweden seine Zustimmung oder Ablehnung geben muss.

Der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten Urban Ahlin hatte in einem Artikel in der Zeitung Svenska Dagbladet behauptet, dass die außenpolitische Glaubwürdigkeit Schwedens aufs Spiel gesetzt worden sei. Ulrica Messing (s) verlangte, dass Ministerpräsident Reinfeldt eine Garantie abgeben solle, dass Schweden den Russen keinerlei Versprechungen gemacht hat.

Ein Fernsehinterview für TV4 entwickelte sich am Sonntagabend zu einem offenen Streit zwischen Carl Bildt und dem Journalisten Ulf Kristoffersson. Bildt wörtlich: "Ich habe ziemlich viel aufgegeben, als ich Außenminister wurde. Ich bin aus allen Aufsichtsräten zurückgetreten und die Honorare, die ich bekommen habe, habe ich für meine Arbeit bekommen und darauf habe ich genau so viel Anrecht wie die anderen Mitglieder der Aufsichtsräte."

Carl Bildt betonte er könne doch nichts dafür, dass sich der Wert der Vostok Nafta-Aktien verzehnfacht habe. Wenn er nicht in die regierung gegangen wäre, würde er weiterhin im Aufsichtsrat des Konzerns sitzen.

Kritiker sind der Ansicht, dass der mehrfache Millionär Bildt auf den Gewinn aus den Optionen hätte verzichten müssen, da man ihm ansonsten den Vorwurf der Bestechlichkeit machen könne. Die Diskussion wird weitergehen.

Skolverket kritisiert Freizeiteinrichtungen in den schwedischen Schulen

Deutschland schlittert von einer PISA-Blamage zur nächsten. Als Folge des schlechten Abschneidens in den internationalen Untersuchungen über den Leistungsstand von Schülern reisten immer wieder deutsche Bildungsdelegationen nach Schweden und Finnland, um sich anzuschauen, wie man es vielleicht besser machen kann.

Im Dezember 2004 fand in Bonn eine Tagung von Schulen ans Netz statt, in der Modelle vorgestellt wurden, wie man in Ganztagsschulen mit den Neuen Medien arbeitet. Und während man in der Bundesrepublik mit Schwierigkeiten, die Geld und alte Strukturen heißen, versucht, Ganztagsschulen einzurichten, gibt es diese in Schweden schon sehr lange.

Schüler der 1. - 6. Klasse haben in der Regel überall im Land die Möglichkeit, nach dem Schultag ihre Zeit in Freizeitheimen ("fritis") zu verbringen, die Teil der Schulen sind.

Nun hat die oberste schwedische Schulbehörde Skolverket den Freizeitheimen ein überwiegend negatives Urteil ausgestellt. Oft sei es viel zu laut und zu stressig in den Freizeiteinrichtungen und bei sehr vielen scheine jeder pädagogische Ansatz zu fehlen.

Vergangenes Jahr besuchten 327.000 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren in Schweden ein "fritis". Als in den 90er Jahren die allgemeine Wirtschaftskrise in allen Gesellschaftssektoren zu gravierenden Sparmaßnahmen führte, strich man auch im Schulwesen etliche Stellen. Heute kommen in der Freizeitbetreuung auf einen Angestellten 18,6 Kinder. Wer wie ich einmal Freizeitbetreuung in Deutschland gemacht hat und dabei schon mit acht Kindern vollauf genügend zu tun hatte, weiß wie stressig der Alltag für das Personal sein muss.

Silja Jundin, die als Projektleiterin bei Skolverket, die aktuelle Studie überwacht hat, sagt, dass die Gruppen manchmal so groß seien, dass die Angestellten kaum wüßten, wo alle Kinder stecken.

Skolverket hat den staatlichen Auftrag, die Schule in Schweden ständig zu evaluieren. Jede Schule in Schweden soll alle 3-4 Jahre einer individuellen Inspektion unterzogen werden, den die Inspekteure mit einem veröffentlichten Bericht abschließen. Gibt es gravierende Mängel, können Schulen sogar geschlossen werden.

Lars Ullén, Unterrichtsrat bei Skolverket, kommentiert die aktuelle Untersuchung über Freizeitheime: "Die Freizeitheime sind eine Einrichtung, die von großer Wichtigkeit für die Entwicklung eines Kindes sind. Es sind in hohem Maße Freizeitheime, wo Kinder Vorbilder bekommen, wo sie Werte und soziales Zusammenspiel beigebracht bekommen, wo sie lernen, was richtig oder falsch ist und wie man sich anderen gegenüber verhalten sollte."

Old Man Henke Larsson trifft - Das Märchen geht weiter

Henrik Larsson, hier nur Henke genannt, gehört zu den erfolgreichsten schwedischen Fußballern. Larsson kommt ursprünglich aus Helsingborg, spielte etliche Jahre bei Celtic Glasgow, wurde dort sogar einmal Europas Torschützenkönig (2001) und sorgte noch im Frühsommer dafür, dass der FC Barcelona die Champions League im Finale gegen Jens Lehmanns Arsenal London gewann. Beim 2:1 der Katalanen gab der Schwede zu beiden Toren die Vorlage.

Nach dem Sieg im größten Vereinswettbewerb Europas wollte es Larsson eigentlich ruhiger angehen lassen und sich für ein oder zwei Spielzeiten bei seinem alten Verein Helsingborg zur Ruhe setzen.

Aber dann hatte Premier League Spitzenreiter Manchester United Verletzungssorgen und Larsson verdingte sich mit 35 Jahren noch einmal im europäischen Spitzenfußball. Heute nun machte der Schwede sein erstes Spiel für ManU und erzielte beim 2:1 gegen Aston Villa das erste Tor für seine neuen Club.

Herzlichen Glückwunsch, Henke! Das Märchen geht weiter, aber ich hoffe, du schaffst es dennoch aufzuhören, solange du noch richtig gut bist.

Göteborg will Sahlin

In der Frage der Nachfolge des Vorsitzenden der Sozialdemokratie in Schweden scheint die Entscheidung nun endgültig gefallen. Der mächtige Parteibezirk in Göteborg hat sich für Mona Sahlin (49) ausgesprochen. Göteborg war eine der wenigen Gemeinden in Schweden bei den Reichstags-, Provinziallandtags- und Gemeindewahlen, in denen die SAP zulegen konnte.

Der Göteborger Kommunalpolitiker Göran Johansson (*1945) gehört zu den einflussreichsten lokalen Größen des Landes. Ursprünglich Metallarbeiter und Gewerkschaftsvorsitzender hat er seit 1994 den Vorsitz im Göteborger Gemeindeparlament inne. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass Göteborg sich von einer Industriestadt mit Produktion im Auto- und Schiffsbau zu einer Stadt des Wissens entwickelt hat, in der zukunftsträchtige Technologien und Forschung eine wichtige Rolle spielen.

6. Januar 2007

Russland ist interessant

Nicht nur Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, nunmehr auf der Gehaltsliste des russischen Giganten Gazprom, hat Geschäftsinteressen in der Russischen Föderation. Auch Schwedens Ex-Ministerpräsident Carl Bildt (Moderata Samlingspartiet) gehört zu denen, die an den boomenden russischen Energieriesen verdienen. Dagegen wäre im Prinzip nur wenig einzuwenden, wenn Bildt wie Schröder sein Dasein als rüstiger Rentner fristen würde.

Aber Carl Bildt ist in der neuen schwedischen Regierung seines Parteifreundes Fredrik Reinfeldt Außenminister. Kurz vor Weihnachten meldeten nun die Nachrichtenagenturen, dass Bildt seine Aktien des Ölkonzerns Vostok Nafta verkauft habe. Auf der Habenseite von Vostok Nafta stehen vor allem Aktien von Gazprom.

Die 15.000 Optionen, die Außenminister Bildt nun eingelöst hat, brachten ihm einen Gewinn von rund 550.000 €. Carl Bildt hatte im Aufsichtsrat von Vostok Nafta gesessen, diesen verlassen, als er Außenminister wurde. Die Optionen jedoch hatte der Politiker behalten.

Von vielen Seiten ist Bildt dafür kritisiert worden, da der russische Erdgasgigant Gazprom bei seiner geplanten Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland auch auf die Zustimmung Schwedens angewiesen ist und Minister Bildt hierbei eine entscheidende Rolle spielen wird. Nach Ansicht der Kritiker kollidierten hier geschäftliche und private Interessen.

Nach wie vor besitzt Bildt Aktien des schwedischen Konzerns Lundin Petroleum. Nationale wie internationale Beobachter haben Bildt mehrfach aufgefordert, auch diese Aktien zu verkaufen. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat sich ebenfalls hierzu geäußert und weist darauf hin, dass Lundin Petroleum im Sudan aktiv ist. HRW ist der Ansicht, dass sich das sudanische Regime schweren Verstößen gegen die Menschenrechte schuldig gemacht hat.

Der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Urban Ahlin sagte hierzu: "Die Welt stellt zur Zeit Forderungen an die sudanesische Regierung, eine UN-Friedenstruppe ins Land zu lassen, um einen Völkermord zu verhindern. Als sie noch in der Opposition waren, stimmten die büurgerlichen Parteien dem zu. Ich finde es schlimm, dass der Außenminister diese Aktien hat, die er bekam, als er einen Auftrag für Lundin Petroleum ausführte."

Mehr zum Thema Lundin Petroleum und Sudan kann man einem englischspr Text bei Human Rights Watch entnehmen: "LUNDIN: WILLFULLY BLIND TO DEVASTATION IN BLOCK 5A".

5. Januar 2007

Wohnen in Stockholm

Wohnen in Stockholm und Schweden ist ein Thema für sich. Viele Astrid-Lindgren-Leser aus deutschsprachigen Landen glauben, dass alle Schweden in roten Häusern wohnen und manchmal wird man im Ausland gefragt, ob Elche und Eisbären durch die Straßen der Hauptstadt laufen würden. Hier kommt nun die Antwort: Nein. Nein. Weder noch.

Auch die neun Millionen Einwohner des größten der nordischen Länder wohnen in der Mehrheit in Wohnungen in mehrstöckigen Häusernn. Das System des Wohnens allerdings ist völlig anders, als man es in Radolfzell, Eisenhüttenstadt oder Reit im Winkl gewohnt ist.

Es gibt Mietwohnungen, Wohnungen mit sogenanntem Dauerwohnrecht (bostadsrätt), Häuser mit Dauerwohnrecht und daneben Eigenheime. Thomas Marquart hat das in seinem Schweden-Blogg "Fiket" ganz richtig beschrieben und deshalb begnüge ich mich hier mit einem Link auf seinen Post: http://www.fiket.de/2006/05/28/wort-der-woche-bostadsraett/.

in fast allen Gemeinden gibt es kommunale Wohnungsgesellschaften, die die vergleichsweise wenigen Mietwohnungen verwalten und vermitteln. Um eine Mietwohnung zu bekommen, schaut man nicht wie in Deutschland am Wochenende in die lokale oder regionale Tageszeitung, man trägt sich in die kommunale Wohnungsschlange ein. In Stockholm ist die Seite unter www.bostad.stockholm.se zu finden. Jährlich zahlt man hier 275 Kronen (etwa 30 Euro) ein und kann so Wohnungen "buchen". Je länger man Mitglied der Wohnungsschlange ist, desto aussichtsreicher die Chancen, tatsächlich eine begehrte Mietwohnung zu ergattern. Die Schlangen allerdings sind enorm. Für Wohnungen in der Stockholmer Innenstadt ("inom tullarna") sollte man wenigstens 10-12 Jahre Wartezeit auf dem Buckel haben, um eine winzige Chance zu haben. Auch in den Außenbezirken und Vorortgemeinden geht es bei den Schlangen wenigstens um einige Jahre Wartezeit.

Da viele nicht so lange warten können, aber kein Geld haben, um sich ein Dauerwohnrecht kaufen zu können, blüht der Mietmarkt in sogenannter 2. Hand. Jemand hat ein Dauerwohnrecht oder eine Mietwohnung und vermietet sie weiter. Jemand hat einen Mietvertrag erster Hand und verkauft ihn "schwarz" für ca. 5.000 € pro Zimmer weiter an einen Interessenten. Dieser letzte Deal ist illegal und im Falle der Aufdeckung verliert der Neueingezogene seine Wohnung und das schwarz gezahlte Geld ist wahrscheinlich auch futsch.

In Stockholm wechselt die politische Macht im Rathaus gewöhnlich alle vier Jahre. Die Wähler sind unzufrieden, man könnte auch behaupten, die Probleme der Stadt seien so vielfältig, dass die Stadt unregierbar ist und man es dem Wahlvolk nicht recht machen kann, da immer unpopuläre Entscheidungen zu treffen sind.

Sozialdemokratin Annika Billström, die von 2002-2006 an der Macht war, verdarb sich die Sympathien ihrer Wähler dadurch, dass sie einmal trotz gegenteiliger Ankündigung im Wahlkampf Mautgebühren für die Ein- und Ausfahrt in die Stadt einführte, um ihren kleinen grünen Koalitionspartner ins politische Bett zu bekommen und zum anderen zeichnete sie sich innerparteilich durch einen selbstherrlichen Führungsstil aus. Auch nach der Wahlniederlage im September 06 wollte Billström weitermachen, aber die Partei wollte sie nicht mehr und setzt jetzt Karin Jämtin an die Spitze der Opposition.

Von 1998-2002 regierten die bürgerlichen Parteien in der Stadt. Während dieser Jahre wurden tausende von Mietwohnungen in der Innenstadt in "Dauerwohnrecht"-Vereine umgewandelt.

Die Folge: Immer weniger Menschen mit niedrigeren Einkommen können es sich leisten, in der Innenstadt zu wohnen. Denn wenn aus einer Mietwohnung eine Wohnung mit Dauerwohnrecht wird, muss man dafür einige Hunderttausend Kronen auf den Tisch blättern. In der Regel ist das ein Preis, den man gemessen am Marktwert als günstig bezeichnen kann, aber viele können sich es dennoch nicht leisten und sind einfach nicht kreditwürdig genug bei den Banken.

Die Umwandlung von immer mehr Wohnungen vertreibt somit sozial Schwächere aus der Innenstadt in die Trostlosigkeit der sozialen Brennpunkte der Vororte. Nun ist seit Herbst 2006 wieder eine Koalition bürgerlicher Parteien an der Macht und der Ausverkauf der Mietwohnungen wird wohl wieder aufgenommen.

Dabei ist zu erwähnen, dass sozialdemokratische Politiker und Politik zwar gegen die Umwandlungen sind, sich aber als Privatpersonen durchaus gern an den Geschäften beteiligt und bereichert haben. Jüngstes Beispiel dafür ist, dass die ehemalige Außenministerin Laila Freivaldts ihre Wohnung im Stadtteil Kungsholmen, aus dem ich gerade diesen Post schreibe, verkauft hat und einen Gewinn von schlappen 370.000 € einfährt.

Noch gibt es in Stockholm 18.957 Wohnungen, die der Gemeinde gehören. Die konservative Svenska Dagbladet schreibt heute über "Das große Spiel um die Mietwohnungen". Wenn wie zwischen 1998-2002 erneut ca. 12.000 Wohnungen umgebildet würden, bliebe kaum noch etwas übrig am Ende der Legislaturperiode. Kristina Alvendal (M = Moderata Samlingspartiet) ist zuständig für Wohnungspolitik in Stockholm. Sie behauptet, dass in den nächsten Jahren vor allem in den Vororten Stockholms, z.B. Hässelby, Vällingby, Skärholmen, Tensta und Rinkeby, letztere drei mit sehr hohem Anteil ursprünglich ausländischer Bevölkerung, Wohnungen umgewandelt würden und so vieles zur Integration von Einwanderern getan werden könnte.

Nun ist es so, dass niemand direkt gezwungen werden kann, seine Mietwohnung zu verlassen, wenn er sich nicht leisten kann, die Wohnung als Dauerwohnrecht zu erwerben, aber es gibt andererseits einen großen Druck der Nachbarn, die nicht unbedingt in ihrem neu gegründeten Verein Mieter haben wollen.

Das Spiel um die Wohnungen in der Stockholmer Innenstadt und nicht nur da wird ein Thema in den kommenden Jahren sein und es wird hier weiter beobachtet werden.

Arbeitslosenverfolgung

Bereits im Wahlkampf war Schwedens selbsternannt neue Arbeiterpartei, die konservative Moderata Samlingspartiet, mit den anderen bürgerlichen Parteien aus der ebenfalls selbsternannten "Allianz für Schweden" damit an die Öffentlichkeit gegangen, im Falle eines Wahlsiegs den Arbeitslosen das Leben deutlich zu erschweren. Weniger Zeit für den Bezug von Arbeitslosengeld und eine Kürzung der Bezüge standen im gemeinsamen Manifest.

Das schreckte die Schweden nicht ab, die Regierung von Göran Persson abzuwählen, obschon dieser bei jeder Gelegenheit davor gewarnt hatte, dass das bürgerliche Lager mit den geplanten Maßnahmen nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen bekämpfen würde.

Alle in Arbeit befindlichen Schweden bekommen Steuererleichterungen seit dem 01. Januar 2007, dafür haben sich die Gebühren für die Arbeitslosenkassen um das Dreifache monatlich erhöht.

Arbeitslose und Rentner erhalten keine Steuererleichterungen. Schon seit etlichen Jahren gehören Rentner, die in Mülleimern nach Dosen und Flaschen suchen, die sie gegen Pfand abgeben können, zum alltäglichen Bild des Wohlfahrtsstaats.

Nun kommt Arbeitsmarktminister Sven-Otto Littorin (Moderata samlingspartiet) mit einem neuen Anschlag auf das Arbeitslosenheer.

Arbeitslose sollen künftig von Tag 1 der Arbeitslosigkeit gezwungen werden können, jeden beliebigen Job anzunehmen. Damit kann müssten arbeitslose Lehrer sich zur Not bei McDonalds zum Burger braten verdingen oder Ingenieure könnten dazu gezwungen werden, bei einer Putzfirma anzuheuern, um die primäre Klientel der Konservativen mit den sogenannten haushaltsnahen Diensten zu versorgen.

Nach 300 Tagen bekommt man keine Arbeitslosenunterstützung mehr (in Schweden "A-kassa" genannt) und falls man Kinder unter 18 Jahren hat, ist nach 450 Tagen Schluss. Nach dem letzten Tag A-kassa bekommt man "Arbeits- und Entwicklungsgarantie", d.h. maximal 65% des früheren Gehalts. In Schweden, wo es unmöglich ist, von einem Gehalt zu leben, falls man Kinder hat, wird das die Kluft zwischen arm und reich noch weiter vergrößern.

Die allermeisten Touristen in Schweden kennen das Stockholmer Stadtzentrum, die Seen und Wälder und wohnen 2-3 Wochen in roten Sommerhäusern. Natürlich fahren sie nicht in die Gettos der Vorstädte: Husby, Flemingsberg, Skärholmen, Rinkeby und Tensta in Stockholm wären aber eine Reise wert, denn sie würden das zuckrige Schwedenbild, das besonders viele Deutsche haben, mit einer Prise Realität ergänzen. Die Beschlüsse und Vorhaben der Regierung werden die Unterschiede weiter wachsen lassen.

Lena Mellin kommentiert die neuen Vorschläge Littorins heute in der sozialdemokratischen Zeitung Aftonbladet.

Die neue Arbeiterpartei Schwedens will Arbeitslose auch zwingen, den Wohnort zu wechseln, um Arbeit andernorts anzunehmen. In der Theorie klingt das alles wunderbar. Hart, aber gerecht. Es geht aber an der Lebenssituation der Menschen und an den reellen Chancen, die die Gesellschaft bietet, vorbei. Will man Arbeitslose mit Kindern zwingen, den Wohnort zu wechseln? Muss eine alleinstehende, arbeitslose Krankenschwester mit zwei Kindern von Stockholm nach Korpilompolo umziehen, um dort an einer Tankstelle die Spätschicht zu übernehmen?

Das Problem der neuen Arbeiterpartei ist, dass es in ihren Vorstandsreihen niemanden gibt, der auch nur eine Ahnung von der gesamtgesellschaftlichen Realität hat.

Göran Persson hatte recht: Die neue Regierung bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit, sie stürzt sich auf die Arbeitslosen. Denn sie sind es doch letztlich, die Grund sind für die unschöne Statistik. Statt Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich während der Arbeitslosigkeit weiterzubilden und zurück zu finden in eine berufliche Perspektive, die auch psychologisch wichtig ist für das eigene Wohlergehen und das Wohlergehen der Kinder von Arbeitslosen, geht es Littorin und seinen Kollegen um die Erniedrigung von sozial Schwachen.

Dahinter steht natürlich letztlich der Unwillen der Oberschicht, Steuern in hohem Umfang zu zahlen, die allen zugute kommen. Marktwirtschaft ja, aber bitte nicht sozial.

Im Wahlmanifest der Konservativen stand kein Wort über die neuen Ideen Littorins. Aus Feigheit oder aus taktischen Erwägungen? Lena Mellin fürchtet, dass aus der A-Kasse eine B-Kasse werden wird.

Der Journalist Kenneth Jonsgården von Norrländska Socialdemokraten schreibt: "Die meisten wirtschaftlichen Beobachter sind sich einig, dass die schwedische Wirtschaft boomt. Die Frage ist, wie der Zugewinn verteilt werden soll. Sollen die Reichen reicher werden und die Armen ärmer? Die Politik der Rechtsregierung scheint stark in diese Richtung zu führen. Wenige wissen heute, was die eigentlichen Ziele der Arbeitsmarktpolitik der Rechtsregierung sind. Es ist höchste Zeit, alle Karten auf den Tisch zu legen."

4. Januar 2007

Sahlin oder Messing oder doch Nuder?

Nachdem ich gestern enthüllt hatte, dass Mona Sahlin vermutlich die Favoritin der sozialdemokratischen Partei auf die Nachfolge des im März zurücktretenden Parteivorsitzenden Göran Persson ist, reagieren heute darauf die schwedischen Zeitungen.

Die liberale und international renommierte Dagens Nyheter schreibt heute, dass Sahlin schon kurz vor Weihnachten darüber informiert worden sei, dass es nicht unerheblichen Widerstand unter den Genossen gegen eine eventuelle Kandidatur der 49-Jährigen gäbe.

Zwar stehe Sahlin immer noch ganz oben auf einer internen Liste, die im Parteihauptquartier gestern Nachmittag diskutiert wurde, aber Mona Sahlin sei aufgerufen worden, über die Feiertage in sich zu gehen und über die Situation nachzudenken.

Gegen Sahlin sprechen aus Sicht des linken Flügels der Partei vor allem ideologische Gründe. Sie hatte sich vor einigen Jahren für eine Liberalisierung des Arbeitsrechts und des Kündigungsschutzes ausgesprochen und ebenfalls für die Möglichkeit eingesetzt, sogenannte haushaltsnahe Dienste steuerlich zu begünstigen. In vielen schwedischen Haushalten müssen beide Erwachsenen arbeiten, damit man sich finanziell im teuren Wohlfartsstaat behaupten kann. Viele Schweden engagieren deshalb vor allem polnische Frauen, die das Haus oder die Wohnung putzen, vorbei an der Steuer und an den Sozialabgaben. Die neue bürgerliche Regierung will die Steuervergünstigung in der laufenden Legislaturperiode einführen.

Wie auch immer das Rennen ausgeht, in dem nun trotz eines angeblichen Neins auch Ulrica Messing wieder als Kandidatin genannt wird: Von einer Entscheidung, die offiziell nie gefällt wurde, können die Sozialdemokraten nicht mehr zurück. Es muss eine Frau gekürt werden. Zu stark waren alle Äußerungen in diese Richtung nach den verlorenen Wahlen im Herbst, als dass die Wählerschaft es der Partei nicht sehr übel nehmen würde, wenn nun möglicherweise doch der Technokrat Pär Nuder (Ex-Finanzminister) oder der Sunnyboy Thomas Bodström (Ex-Justizminister) das höchste Parteiamt bekleiden würden.

Alltag 1: Chaos in der Tunnelbana

Seit ich in Schweden lebe, habe ich in der Stockholmer U-Bahn, sinnigerweise "tunnelbana" in der Landessprache genannt, schon ein paar Tausend Kilometer zurückgelegt. Das U-Bahnsystem ist weitgehend übersichtlich, es gibt eine rote, eine grüne und eine blaue Linie. Einige Stationen sind künstlerisch veredelt und es gibt sogar ein Buch über die Gestaltung der unterirdischen Bahnhöfe.

Die größten Entfernungen bietet die grüne Linie. Von Hässelby Strand im Nordwesten der Stadt bis nach Farsta Strand oder Hagsätra kann man gut eine Stunde in den nun überwiegend neuen Waggons sitzen.

Die Stockholmer zahlen gegenwärtig 600 Kronen im Monat für das Ticket, das sie berechtigt, alle S-Bahnen, U-Bahnen und Busse des Nahverkehrssystems SL (Storstockholms Lokaltrafik) zu benutzen. Das ist, verglichen etwa mit der drittgrößten Stadt des Landes Malmö, ein Spottpreis, den die neue bürgerliche Stadtregierung kurz nach Antritt im Herbst denn auch gleich zu erhöhen versprach.

So alt wie das System der farbigen Linien sind aber auch die Klagen und Plagen, denen die Reisenden ausgesetzt sind. Heute Morgen war es denn dann auch mal wieder so weit. Insbesondere auf der roten Linie saßen Passagiere in den Tunneln des weitverzweigten Systems fest, nachdem ein Stromausfall dafür sorgte, dass buchstäblich nichts mehr ging. Wieder einmal kamen zehntausende Stockholmer zu spät zur Arbeit, Kinder zu spät in die Kindergärten oder in die Freizeitheime der Schulen, die erst nächste Woche wieder Lernstoff an die Kleinen vermitteln.

Wie gewöhnlich ließ die Information der Reisenden zu wünschen übrig. Begriffe wie "Waggonfehler" (vagnfel), Türfehler ("dörrfel), Signalfehler ("signalfel") und Wasweißichfehler ("vadvetjagfel") sind längst Bestandteile des Stockholmer Wortschatz.

Wie anders war das doch in Moskau, wo die Züge im Winter zwar nicht beheizt waren, aber mit der Genauigkeit eines Schweizer Uhrwerks alle 2 Minuten donnernd in die tief gelegenen Stationen hereinbrausten. Man kann nicht alles haben und die Mails, die nun auf mich einströmen und "Dann geh doch nach Moskau!" als Schlussreplik enthalten, gedenke ich nicht zu beantworten.

Zu den Zeiten, als es noch Winter in Stockholm gab, brach der Verkehr regelmäßig zusammen, als wäre hier noch niemals Schnee gefallen. Im Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fielen, gibt es immer wieder Verspätungen aufgrund von "Blätterglätte" (lövhalka).