Der acht Jahre alte Tobias Enroth wurde vergangene Woche in Jönköping von einem 27-Jährigen erstochen.
Das Kind ist das neueste und sicher nicht das letzte Opfer der in den 90er Jahren durchgeführten Psychiatriereform und eines Gesundheitswesens, in dem in einigen Bereichen ein rücksichtsloser Abbau betrieben wurde.
Der Täter, ein psychisch schwer gestörter Mann, war seit langem aktenkundig. 2004 wurde er in eine Anstalt eingewiesen, nachdem er die Wohnung seiner Mutter in Brand gesetzt hatte. Am 29.11.2006, knapp zwei Monate bevor das Leben von Tobias jäh beendet wurde, entließ man den 27 Jahre alten Mann aus der Klinik. Der Oberarzt hielt ihn für ungefährlich. Einige Tage vor dem brutalen Mord an dem kleinen, völlig wehrlosen Kind, hatten sich Verwandte des Täters große Sorgen um den Zustand des 27-Jährigen gemacht.
Wenige Stunden vor Tobias Tod war sein Mörder nicht zu einem Termin in der Psychiatrie erschienen.
Innerhalb von vier Monaten der vierte Fall von tödlicher Gewalt, in den Patienten der Ryhov-Klinik in Jönköping verstrickt waren. Anfang Januar hatte ein 88-Jahre alter Mann zuerst seine Frau und dann sich selbst getötet. Er war in Kontakt mit der Klinik gewesen, hatte aber keinen Arzt erreicht. Im Oktober 2006 wurde ein Krankenpfleger von einem Patienten getötet.
In den letzten zehn Jahren hat es eine Reihe solcher Fälle von unmotivierter Gewalt von psychisch schwer Kranken gegeben. Anfang der 90er Jahre hat die schwedische Regierung in einer großen Psychatrie-Reform Tausende von Kranken aus Heimen entlassen mit dem vorgeblichen Argument, dass eine Integration in die Gesellschaft den Kranken neue Perspektiven geben würde. Dahinter verbarg sich jedoch eher ein Sparkonzept. Der Staat sparte so etliche Millionen an Einrichtungs- und Personalkosten.
Dass es dann Kollateralschäden gibt in Form von Gewaltopfern wurde und wird dabei in Kauf genommen. Prominentestes Opfer eines Kranken, der eher in eine geschlossene Anstalt gehört hätte, war 2003 Schwedens Außenministerin Anna Lindh. Ihr Mörder Mihajlo Mihajlovic hatte wie der 27-Jährige in Jonköping eine erwiesen lange Liste von Auffälligkeiten und Gewalttaten bis hin zum Mordversuch an seinem Vater.
Morde wie der an dem kleinen Tobias passieren leider überall auf der Welt. Völlig kann man sich nicht schützen. Allerdings gibt es in Schweden viele schwer gestörte Menschen, die nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere eine Gefahr sind und diese gehören dorthin, wo sie für andere keine Gefahr darstellen.
Merkwürdig finde ich im Übrigen auch die Angewohnheit der schwedischen Presse, fast nie die Namen von Tätern zu veröffentlichen. Es ist zwar ein sehr hehres Prinzip, vor der Verurteilung niemanden bei Namen zu nennen. Warum allerdings veröffentlicht man dann Foto und Namen von Opfern? Als ob deren Familien nicht schon genug zu leiden hätten.
27. Januar 2007
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