16. Juni 2007

Halbzeit


Nach elf Spieltagen und zweieinhalb Monaten ist Halbzeit in der Damallsvenskan. Zeit ein wenig Bilanz zu ziehen und das Geschehene mit den Prognosen und Erwartungen zu vergleichen.

Ich habe zwölf Spiele mit insgesamt elf Mannschaften gesehen, lediglich Linköpings mit so grossen Erwartungen gestartete Elf habe ich noch nicht gesehen.

Es gab viele, die vor der Saison geschrieben haben, dass Titelverteidiger Umeå in diesem Jahr nicht so stark sei wie im vergangenen. Sicher, Anna Sjöströms und vor allem Malin Moströms Rücktritt hatten Lücken hinterlassen. Hinzu kam, dass mit Sofia Lundgren, Sanna Valkonen und Anne Mäkinen weitere tragende Stützen das Team verlassen hatten. Aber man hatte sich entsprechend verstärkt im Norden. Aus Sunnanå kam Madelaine Edlund, aus der Schweiz das junge Talent Ramona Bachmann und sensationell aus China die 19-Jährige Ma Xiaoxu.

Dass Djurgården mitspielen wurde um die Spitze schien den Experten klar, der etwas überraschende Weggang von Laura Kalmari sollte durch die von Hammarby kommenden Emma Lundh und Linda Forsberg aufgefangen werden. Hinzu eine ebenfalls spektakuläre Neuverpflichtung auch in Stockholm. Mit Ariane Hingst spielt erstmals eine deutsche Weltmeisterin in der schwedischen Liga. Die 27-Jährige hatte einen 2-Jahresvertrag unterschrieben.

Malmö und Linköping wurden genannt, vor allem Linköping sah sich selbst als klaren Konkurrenten für Umeå. Bei beiden Clubs spielen jeweils fünf schwedische Nationalspielerinnen, die beiden ersten in der Liga gleichen das durch ausländische Stars aus. Malmö kam ins Gespräch. Der hoch verschuldete Club Malmö FF, der dem grossen Verein angehörte, wechselte kurz nach Beginn der Saison den Namen und heisst jetzt LdB Malmö FC. Neben neuem Logo und Namen führte das auch zu neuen Trikots und Socken, jeweils in Rosa, was dem Klischee, dass sich viele vom Frauenfussball machen wollen, ganz nahe kommt.

Linköping sorgte für die Überraschung. Das mit Stars wie Frida Östberg, Josefine Öqvist gespickte Team verlor seine ersten vier Spiele und verabschiedete sich damit sicher vom Kamp um die Meisterschaft. Trotz teils sehr guter Leistungen beim 0:2 gegen Umeå ist das mehr als peinlich, insbesondere, wenn man vorher den Mund so weit aufgemacht hat.

QBIK uberraschte mich im Auswärtsspiel bei Djurgården, das man zwar 1:3 verlor, aber das Team bot eine so kompakte Leistung, basierend auf einem funktionierenden Mannschaftsgefüge und einer taktisch glänzend aufgestellten Elf, dass ich zwar mit meiner These Recht behielt, dass das Team nicht so lange wie 2006 au den ersten Sieg warten müsste – am Ende der Tabelle stehen sie nach elf Runden denn doch. Au dem Weg dorthin ist Falköping. Der Aufsteiger hatte fulminant begonnen, hat auch mit Sandra Krantz und Linnea Liljegärd sowie der neu hinzugekommenen Nigerianerin Cynthia Uwak gute Offensivkräfte, die Abwehr aber ist erschreckend schwach. 0:2 verloren sie auf Skytteholms IP gegen AIK, dem sonst in zehn weiteren Spielen nur ein Tor gelang.

AIK Solna. Aufsteiger. Souveräner Sieger in der Norrettan des Vorjahres und dann mit sicherlich beträchtlichem finanziellen Aufwand für die Verhältnisse im Frauenfussball verstärkt mit Sofia Lundgren im Tor, Sanna Valkonen und Jessica Juhlin in Abwehr und Mittelfeld und vorn mit Laura Kalmari. Von Djurgården kamen auch Linda Lekander und Sofia Simonsson, zwar nicht erste Wahl beim Vizemeister, aber immerhin.

Selbst nach elf Spielen versucht Trainer Jörgen Zetterström immer noch Optimismus zu verbreiten. Es bestehe kein Grund zur Sorge. Nach dem ersten Spiel gegen Djurgården (0:3) war ich mir sicher, diese Truppe muss sich nur einspielen, das braucht ein paar Wochen. Elf Spiele haben nicht gereicht in Solna ist etwas grundlegend falsch. Es gibt Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfussball – einer davon ist, dass man bei den Männern dem Trainer nach einer solch enttäuschenden Hinserie schon Feuer unter dem Stuhl gemacht hätte. Wenn bei AIK nicht bald der Knoten platzt, kann es zu spät sein und dann wird der Verein bei einem weiteren Jahr in der zweiten Liga sicher nicht noch einmal so viel Geld investieren wollen.

Umeå marschierte dann doch wie gewohnt. Zwar war Hanna Ljungbergs Saison immer wieder durch Verletzungen unterbrochen, aber dennoch gelangen ihr acht Tore. Das Women's Cup Finale gegen Arsenal London als haushoher Favorit angetreten, endete mit einer Niederlage, ebenso wie das letzte Spiel der Hinrunde gegen Djurgården. Aber im Ganzen gesehen ist Umeå nach wie vor relativ unbestritten das beste Team der Liga. Der wesentliche Unterschied ist Marta Vieira da Silva. Die Brasilianerin spielt in der besten Liga der Welt, aber eigentlich alleine in einer anderen Liga. Sie hebt den Frauenfussball in eine neue Dimension und ist ihrer Zeit voraus. Überragende Technik, unbändiger Ehrgeiz, aber sie ist nicht nur die technisch versierteste, sie ist auch die schnellste Spielerin der Damallsvenskan und dazu noch ungeheuer zweikampfstark. Martas 14 Tore in elf Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Statistisch liegt mir nicht vor, wie viele weitere Treffer ihrer Mannschaftskameradinnen sie vorbereitet hat.

Vier Punkte beträgt der Abstand auf Djurgården, das sich nach dem Auswärtssieg in Umeå, der ersten Niederlage in einem Ligaspiel der Nordschwedinnen nach 56 Begegnungen, Hoffnungen macht. Aber trotzdem wäre Djurgården auf Mithilfe angewiesen und dürfte selber keine Punkte mehr abgeben. Und das wird nicht eintreten. Djurgården verlor in Göteborg, wo Lotta Schelin einen Hattruick erzielte und gab wichtige Punkte gegen Bälinge und Sunnanå ab.

Sehr stark ist Malmö. Wie Linköping mit fünf blaugelben Nationalspielerinnen ausgestattet, dazu aber noch mit den beiden Sturmspitzen Helgadottir und Melis. Die Stärken der Isländerin sind hinreichend bekannt. Die junge Holländerin Manon Melis wird in der Liga noch von sich reden machen. Fünf Tore in der Hinrunde – Melis ist pfeilschnell, explosiv und eine klare Verstärkung. Malmö kann die Meisterschaft mit beeinflussen, aber nicht gewinnen, der Rückstand ist zu gross.

AIK hat gezeigt, dass massive Verstärkungen nicht notwendigerweise zum Erfolg führen, wenn es nicht gelingt, daraus ein Kollektiv zu bauen. Bälinge hat das Gegenteil bewiesen. Im vergangenen Jahr noch mit einer mageren Torausbeute, in dieser Saison spielt Bälinge in der oberen Hälfte mit und liegt völlig zu Recht auf Rang 5. Es sind die Finninnen, die hier am meisten aufallen, die hervorragend miteinander kombinieren. Heidi Matinlassi, Anne Mäkinen, Sanna Talonen und Katri Nokso-Koivisto sind das Quartett, das Bälinge einen deutlichen Schub gegeben hat – das jetzt im zehnten Spiel gar noch wie im Vorjahr die Amerikanerin Kacey White hinzugestossen ist, macht das Team noch stärker.

Hammarby hatte vor der Spielzeit mit Emma Lundh und vor allem Linda Forsberg zwei seiner Nachwuchshoffnungen an Djurgården abgegeben und dazu noch den Trainer gewechselt. Der charismatische En Perlskog fehlt nicht nur dem Publikum am Kanalplan auf Södermalm mit seinem Temperament und seinen humorvoll-bissigen Kommentaren, er scheint auch dem Team zu fehlen. Zur Halbzeit ist Hammarby lediglich neunter mit Siegen nur gegen Falköping und bei QBIK. Das ist zu wenig, der Anspruch ist höher und angesichts eines recht ausgeglichen stark besetzten Teams mit guten Offensivkräften muss mehr drin sein. Jessica Landström und Sara Johansson nutzen ihre Torchancen zu wenig und Riesentalent Louise „Lollo“ Fors (siehe Foto) hat sich in dieser Saison bislang nicht weiterentwickelt. Aber die bald 18-Jährige geht noch zur Schule und man darf nicht vergessen, dass die beruflichen Voraussetzungen bei Männern und Frauen gravierend unterschiedlich sind. An Lollodinho wird der schwedische Frauenfussball sicher noch viel Freude haben.

Dass Göteborg im Konzert der grossen mitspielen kann, hatte man erwartet, das Team ist aber zu unbeständig. Glanzvolle Siege wie der (glückliche) gegen Djurgården stehen teils hohe Niederlagen z.B. in Örebro gegenüber. Der Auftritt der Westschwedinnen bei AIK endete zwar mit einem 2:0-Sieg, war aber nicht sonderlich überzeugend.

Der Abstiegskampf wird sich in der Rückrunde vor allem um Falköping, QBIK und AIK drehen. Sollte der Knoten bei AIK platzen, wird es fast unmöglich für die beiden anderen. Dabei spielen Falköping und QBIK beide sehr gefälligen Fussball und können prinzipiell fast allen Teams Punkte abnehmen. Aber besonders die Defensive weist markante Schwächen bei beiden Vereinen auf.


Alles andere als ein Hattrick von Umeå wäre eine Überraschung. Aber davor gibt es noch mehrere Pausen, u.a. eine lange mit der WM in China im September

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