Es ist eine stille Welt am Heiligabend 2006. Die Stockholmer Straßen leerten sich merklich, nachdem die Geschäfte ihre letzten Geschenke gegen 14 Uhr verkauft hatten und auf einmal waren nur noch wenige unterwegs. Die meisten hatten sich sicher schon vor den Fernsehern versammelt, der Anteil der FlatScreens stetig zunehmend. Der Schwede schaut zu Weihnachten und zwar jedes Jahr zu Weihnachten immer denselben Walt-Disney-Weihnachtsfilm. Donald Duck heißt hier Kalle Anka. Und alle, ALLE gucken Kalle Anka. Und zwar nicht auf Video oder DVD, nicht die Konserve, live muss man das sehen.
Der Zugverkehr nach Norden, nach Göteborg und nach Kopenhagen ist allmählich eingeschlafen, nur noch vereinzelt fahren S- und U-Bahnen. Es weihnachtet, ohne Schnee in diesem Jahr in der Hauptstadt, aber der Kalender gibt es vor. Wir sind harmonisch. Vor zwei Jahren urlaubten tausende Schweden an den paradiesischen Stränden von Thailand, als am zweiten Weihnachtstag ein gigantisches Seebeben eine noch nie so gesehene Flutwelle verursachte und viele Menschen sich ein neues Wort in ihren Wortschatz einverleiben mussten: Tsunami.
Weihnachten 2006 ist bislang ruhig.
In Neapel nahm die italienische Polizei den 36-Jährigen Mario Scaramella fest. Im Zusammenhang mit dem Mord an dem ehemaligen russischen Agenten Litvinenko ist der Name des Italieners des öfteren gefallen. Litvinenko, der mit dem seltenen, nahezu unbeschaffbaren und sündhaft teuren Polonium ermordet wurde, einem radioaktiven Stoff, der in geringster Form in den Blutkreislauf gebracht, bewirkt, dass sich das Gewebe auflöst und die Organe somit frei im Körper schweben, ein Sterben, das sicher nicht fälschlich als qualvoll beschrieben wird. Litvinenko starb Ende November in London, er war ein Kritiker einflussreicher Kreise in Russland, auch den Präsidenten Wladimir Putin ("einen lupenreinen Demokraten", Gerhard Schröder, Alt-Bundeskanzler) hatte Litvinenko kritisiert, stimmte nicht mit Gerhard Schröder in der Sichtweise überein. Ob man der Lösung des Falles näherkommt, wie weit ist die zuständige Mordkommission im Fall der ermordeten Journalistin Anna Politkovskaja ("eine unbedeutende Person", Wladimir Putin, Präsident) inzwischen gekommen? Keine Fragen, die an den Feiertagen einer Lösung näher kommen dürften.
Wann immer ich Zeit zur Zerstreuung habe, greife ich gerne mal zur Washington Post, seit Watergate meine Lieblingsgazette auf Amerika. Und schon bin ich mitten drin im Wahlkampf der nächsten Präsidentschaftswahlen. Wer wird der Nachfolger von dabbelju. George W Bush, jener Meat-And-Potatoes-Präsident, den der kasachische Journalist Borat vor begeisterten Rodeo-Besuchern im amerikanischen Süden früher in diesem Jahr noch als großen Warlord gefeiert hatte und dem er wünschte, er möge das Blut jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes im Irak trinken. Im Rückblick muss man sich doch etwas schämen, den Film gesehen zu haben, weshalb ich ihn hiermit sofort zum peinlichsten Kinobesuch des Jahres 2006 wähle.
Back in the USA. Das hatte ich mal in einer Version von Linda Ronstadt auf Vinyl. Original von Chuck Berry und richtig, die Kenner unter den Lesern warten jetzt darauf, die Replik anzubringen, dass es dann die Beatles waren, die darauf cool mit "and the Ukraine girls really knock me out, they leave the West behind" in Back In The USSR antworteten und Michel Friedman stimmte dem vor ein paar Jahren tatkräftig zu.
Nein, Senator Hillary RODHAM Clinton und Senator Barack-Osama, sorry Barack Obama, beide Demokraten, stehen jetzt im Fokus des Medieninteresses und beiden räumen politische Beobachter, ich liebe diese Bezeichnung politische Beobachter, politische Beobachter räumen den Beiden die Chance ein, massenhaft Geld für den Präsidentschaftswahlkampf locker machen zu können. Immer mehr Konkurrenz steigt vorzeitig aus dem Rennen aus, noch bevor die beiden Zugpferde überhaupt angekündigt haben, in die Box steigen zu wollen.
Hillary ist kürzlich mit schlappen 67% in New York wiedergewählt worden, Quoten, von denen die CSU (Frohe Weihnachten an meinen Leser Eddie Stoiber nach München!) nur noch träumen kann und in deren Nähe bestenfalls FJS, die Älteren unter Ihnen wissen noch wofür diese Initialien standen, gekommen war.
Und Barack Obama stammt aus Illinois. Der dritte Favorit (the third man) der Post-Schreiberlinge, nein, das ist zu negativ für meine Post - der dritte Favorit der Post-Journalisten ist der ehemalige Senator John Edwards aus North Carolina. Einer von den Dreien machts. In Deutschland wäre eine Mehrheit für Hillary, aber viele Amerikaner wollen verhindern, dass Bill Clinton wieder ins Weiße Haus zieht und wer weiß, was Hillary für Praktikanten anstellen würde, gut durchtrainierte Marines mit Waschbrettbauch und Knackpo, um dem Gemahlen einen Denkzettel zu verpassen.
Wir erinnern uns: Der frühere Präsident hat verschiedene Praktiken, die man vorher als sexuelle eingestuft hatte, entsexualisiert: "I had not sex with that woman, Miss Lewinsky." Die hat gerade in diesem Monat an der renommierten London School of Economics ihren Magister gemacht. Thema ihrer Arbeit: In Search of the Impartial Juror: An exploration of the third person effect and pre-trial publicity.
Jetzt gibt es schon autobiographische Magisterarbeiten...
Hat dieser Eintrag der Welt irgendetwas gebracht? Vermutlich nichts, ein wenig, vielleicht sogar ein Leben verändert. Wie auch immer, ich habe das Blog gestartet und wollte mal schauen, wie das Design sich macht, wenn da Text drin ist. Also unterscheidet sich meine Intention nur unwesentlich von der Millionen anderer Blogger.
24. Dezember 2006
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