30. März 2007

Klubb:Europa im Klubb Autobahn

Hier kommt ein Mitschnitt vom Klubb Autobahn vom letzten Mittwoch - zu Gast sechs DJs aus sechs europäischen Ländern in Norrlands nation in Uppsala. Nochmals danke an unsere Gastgeber Ingrid, Johanna, Gustav, Nicole und all die andern

29. März 2007

Umeå Open

Heute Abend startet das grosse Rockfestival Umeå Open mit einem imponierendem Line-Up an Künstlern auf fünf Bühnen. Morgen Abend ist Klubb:Europa zu Gast im Teatercafé und wird auch frierende Nordschweden zum Tanzen bringen. Berichte und Videos bald auf der Website des Projekts.

28. März 2007

Unbeliebte Stockholmer

Man kennt das aus anderen Ländern. Die Hauptstadt ist bei den Bewohnern anderer Regionen eines Landes nicht immer ein Grund des Stolzes und der ungetrübten Zuneigung.

Fragt mal einen Bergenser, was er über Oslo denkt oder einen Turkuer, welche Stadt die erste Hauptstadt Finnlands war und wundert euch nicht, dass die Region um Turku "Varsinais Suomi" (Eigentliches Finnland) heisst.

Die Hauptstädter entgegnen dieser Ablehnung nicht selten mit grosstädtischer Arroganz. Die Wolfsgrenze, so erzählen Bewohner von Helsinki gerne, beginnt mit dem dritten Autobahnring, der Helsinki umgibt, mit anderen Worten, die Zivilisation ist da zu Ende.

Schon 1987 (Verdamp lang her, BAP) erzählten mir Bergführer an der Kebnekaise Fjällstation in Lappland, dass man ungefähr acht Stunden brauche, um den Gipfel on Schwedens höchstem Berg zu erreichen. Stockholmer würden dies allerdings in 10 Minuten schaffen, denn sie liessen sich mit dem Hubschrauber rauffliegen.

In Skåne begegnete ich erstmals dem Ausdruck 08-orna, die 08er, eine kollektive Bezeichnung für alle Hauptstädter, die immer alles besser wüssten, arrogant seien und so weiter. Ein 08:er zu sein ist nicht schmeichelhaft. Zwar entgeht den lieben Menschen dabei, dass es auch im 08-Gebiet ziemliche Unterschiede gibt zwischen den Villen von Danderyd oder Täby und den eher trostlosen Vororten wie Fittja oder Tensta, aber das ist den Schmähern egal.

Nun gibt es den ersten dokumentierten Fall eines Stockholmers, der sich um einen Job in Skåne bewarb und nicht genommen wurde weil - ja weil er Stockholmer ist.

Magnus Ahlin wollte sich als IT-Berater im schönen Lund niederlassen, aber der Personalchef war der Ansicht, seine Art zu schreiben und zu reden sei zu "stockholmerisch" und das würde bei den Kunden in Lund und um Lund herum einfach sehr schlecht ankommen.

Der Personalchef Linus Magnusson, selbst Stockholmer, aber nach eigener Aussage einer, der sich sehr bemüht, in der schonischen Bevölkerung nicht als solcher entdeckt zu werden, schrieb sogar an Magnus, dass "Stockholmer" in SKåne für viele Leute ein Schimpfwort sei. Statt "Du Idiot!" also "Du blöder Stockholmer."

Ich will nicht auf den nie endenden Streit zwischen Göteborg und Stockholm eingehen. Göteborg sieht sich grundsätzlich als die Vorderseite Schwedens und Stockholm ist sozusagen der Po...

Als Ausländer im Stockholmer Gebiet habe ich es da leichter. Wenn ich dem Taxifahrer in Skåne sage, dass ich aus Stockholm komme, bemerke ich, wie er unweigerlich zusammenzuckt und mir wird klar, wenn ich an mein Ziel gelangen will, dann muss ich jetzt mit starkem deutschem Akzent weitersprechen. Dann, nur dann, wird mir die 08, die man auf meiner Stirn sieht, verziehen.

27. März 2007

Carl Bildt kritisiert Kuba - Antwort aus Havana

Die Nachricht liegt schon seit knapp einer Woche auf dem Tisch, aber ich möchte sie dennoch hier kommentieren.

Schwedens Aussenminister Carl Bildt hat in einer Rede vor dem Rat für Menschenrechte der UNO in Genf am 12. März eine Reihe von Ländern kritisiert, in denen seiner Meinung nach systematisch Menschenrechte verletzt werden.

Daraufhin antwortete Kubas Vertreter Juan Antonio Fernandez Palacios, dass Schweden in die blutdürstigen Zeiten des schwedischen Imperialismus zurückfallen würde und warf dem skandinavischen Land vor, auch heute noch ethnische Säuberungen gegenüber Einwanderern zu betreiben, die nicht dem Aussehen von Wikingern entsprächen.

Bildt verlangte eine Entschuldigung und liess den kubanischen Botschafter ins Aussenministerium zitieren.

Ein bizarrer Vorgang. Carl Bildt kann man in letzter Zeit einiges an Kritik vorhalten, über seinen mehr als unglücklichen Aktienbesitz ist nicht nur in diesem Blog geschrieben worden.

Aber dass er in seiner Rede in Genf den Mut hatte, Verletztungen von Menschenrechten anzuprangern, zeichnet ihn aus. Allerdings sollte man diese Einstellung auch konsequent vertreten. Nicht nur Bildts Befürworten des amerikanischen Invasionskriegs im Irak legt nah, dass mit zweierlei Mass gemessen wird.

Die kubanische Antwort ist dennoch grotesk und empörend, hält dem Regime von Fidel Castro allerdings auch einen Spiegel vor. Dass die Integrationspolitik nicht funktioniert, ist eine Sache, ethnische Säuberungen jedoch gibt es in Schweden nicht.

Dem kubanischen Gesandten sei die Lektüre von amnesty internationals Jahresbericht angeraten, um sich über die Lage in seinem Land zu informieren. Wenn Carl Bildt bei passender Gelegenheit die Menschenrechtssituation der ohne Haftbefehl, ohne Gerichtsverfahren inhaftierten Gefangenen von Guantanamo (auch auf Kuba, aber Teil der USA) kritisch beleuchtet, wäre seine Position untadelig.

24. März 2007

EU macht sich weiter unbeliebt

Einen Tag vor dem 50er-Jubiläum macht sich die EU weiter unbeliebt bei vorwiegend jungen Menschen.

Nach einer Meldung der norwegischen Internetzeitschrift IT-Avisen wollen die Brüsseler, dass die Gesetze gegen illegales Herunterladen von kopiergeschütztem Material verschärft werden.

Unter Strafe gestellt werden soll demnach auch die Beihilfe zum illegalen Download. Bedeutet, wenn ich weiss, wie man illegal an Musik, Filme im Netz kommt, selber aber keinen Gebrauch von meinem Wissen mache (natürlich nicht), dann mache ich mich strafbar, wenn ich dem Nachbarsjungen oder der alten Tante im Supermarkt erzähle, wie man das technisch machen könnte...

Gespannt darf man sein, wie die Strafverfolgung des Beihilfe-Tatbestands erfolgen soll, wenn man es schon nicht schafft, Millionen von Kleinkriminellen (glaubt man dem Gesetz) den Prozess zu machen.

Gefunden bei e24.se.

Margot + Fredrik = sant

Sprachkonferenz in der Hochburg sozialdemokratischer Volksbildung in Schweden, dem ABF-Huset auf Sveavägen. Vor der Tür eine ältere Dame, warm angezogen an diesem kalten Samstagnachmittag, die auch mir einen Zettel "Nej till EU" in die Hand drückt. EU-Gegner sind nicht wenige in einem Land, das sich in der Volksabstimmung zum Beitritt Anfang der 90er Jahre aus rein ökonomischen Erwägungen für das "ja" entschieden hatte.

Das donnernde Nein zum Euro 2003 in einem weiteren Plebiszit gab ein deutliches Stimmungsbild ab, das sich beileibe nicht nur auf die Währungsfrage bezogen hat.

Heute nun schreiben EU-Kommissarin Margot Wallström (s) und Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt gemeinsam einen europafreundlichen Artikel am Vorabend nicht nur der Einführung der Sommerzeit, sondern auch des 50-Jährigen Jubiläums der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wrtschaftsgemeinschaft.

"Wir schreiben diesen Artikel gemeinsam, weil wir beide an die europäische Zusammenarbeit glauben." Nicht mehr und nicht weniger. Als EU-Kommissarin hat Wallström ohnehin mehr der europäischen Sache verpflichtet zu sein als schnöder nationaler Parteipolitik. Für Reinfeldt bedeutet die Unterschrift Wallströms allerdings auch innenpolitisch etwas, seine bislang eher blasse Erscheinung wird durch die Gesellschaft der äusserst beliebten Sozialdemokratin aus Karlstad ein wenig aufgewertet.

Carl Bildt klatscht Beifall nach seiner eigenen Kubakrise (siehe dazu Thomas Kommentar). Im Kulturbloggen wird darauf hingewiesen, dass es einige grundlegende Gemeinsamkeiten in der Europafrage geben mag, aber in Detailfragen die Positionen zwischen (s) und (m) durchaus sehr unterschiedlich sein dürften. Recht hat er.

Der Post und die Diskussion dazu in Jinges Blog zeigt, dass die Meinungen in Schweden sehr geteilt sind.

Der "Kontinent" war schon immer weit weg. Besonders junge Frauen zeigen sich in Umfragen zur Einstellung eher negativ.

Die Tradition der vermeintlichen Allianzfreiheit Schwedens ist eine ganz andere als die Integrationsbemühungen deutscher Politiker, die es für wichtig erhielten, Deutschland nie mehr isoliert in Europa liegen zu lassen. Allerdings überschätzen die EU-Gegner in Schweden die Folgen eines Austritts. Die EU ist und bleibt ein Macht- und Wirtschaftsfaktor und ist es vielleicht noch mehr, wenn man aussen vor steht.

Der Artikel von Reinfeldt/Wallström ist gut gemeint und erklärt sich anhand des bevorstehenden Jahrestags. Er ist allerdings zu inhaltsleer, um wirklich Zweifler oder Gegner zu überzeugen. Notwendig wäre eine Kampagne der grossen Parteien, in der auch konkrete Informationen an die Bevölkerung gegeben werden.

Klubbeuropa unterwegs

Gestern startete der Klubb:Europa seine Schwedentournee mit sechs DJs aus sechs europäischen Ländern durch sechs schwedische Orte.

Erste Party in der Chokladfabriken in Malmö. Weitere Tourorte: Linköping (heute Abend), Stockholm (Dienstag), Uppsala (Mittwoch), Umeå (Freitag), Skellefteå (Samstag). Schaut mal rein. In Malmö ging es so:

23. März 2007

Ordförande Persson - Teil 3

Munter weiter geht es im schwedischen Fernsehen mit der Reihe "Ordförande Persson" um den ehemaligen Regierungschef Hans Göran Persson. Für mich, wie schon früher geschrieben, reine Unterhaltung. Besser als "Diese Drombuschs" und "Svensson, Svensson".

Zeitungen und Blogs quillen über mit Kommentaren, Zustimmung und Ablehnung scheinen sich erstaunlicherweise die Waage zu halten.

Teil 3 brachte Höhepunkte wie die Äußerung über seine ehemalige Stellvertreterin Margareta Winberg, die jetzt Schwedens Botschafterin in Brasilien ist: "Ja, alte, liebe Margareta. Eine äußerst merkwürdige Person, muss ich schon sagen. Hat in der letzten Zeit keine sonderlichen politischen Großtaten vollbracht. Wenige Leute haben eine so angenehme Reise gehabt wie Margareta Winberg."

Persson berichtete auch von der einsamen Zeit nach der Trennung von seiner Frau Annika, als er sich ganz alleine nach Harpsund zurückzog und wie dereinst Henry David Thoreau (Walden) Besinnung in den Wäldern suchte. "Ich hatte null sozialen Umgang. Ich hatte überhaupt keine Kontakte außerhalb meiner Arbeit, keine Freunde, keinen Umgang, der einer normalen sozialen Situation entspricht. Das waren schlechte Jahre, sehr schlechte Jahre."

Nur der König kommt durchweg gut weg. Ihm wird alles verziehen, auch die politisch unkluge Reise nach Brunei. Aber Persson weiß genau, dass jede Kritik am Monarchen seinem eigenen Nachruf schaden würde. Die Bernadottes sind tabu.

Der bewegendste Moment die Erinnerung an den Mord an Außenministerin Anna Lindh am 10. September 2003, inmitten der Vorbereitungen auf die Volksabstimmung. Persson musste die Nachricht vom Anschlag und dann die Todesnachricht verkünden und in diesem Moment ist er kein Schauspieler, da versagt seine Stimme ob der Grausamkeit und Sinnlosigkeit dieses furchtbaren Verbrechens an einer über alle Parteigrenzen hinweg geachteten Politikerin, Frau und Mutter.

"Ordförande Persson" ist ein noch nie dagewesenes Fernsehformat. Sowohl Fichtelius wie Persson beweisen ungeheuren Mut mit der Veröffentlichung. Dass es einzelne Blogschreiber und Journalisten gibt, die bedauern, dass die Angesprochenen nicht zur Sprache kommen können, ist bloße Kosmetik. Die meisten werden ohnehin jetzt im Nachhinein auf allen Kanälen interviewt.

Zum Schmunzeln noch ein Video, das ich bei Youtube fand: Chinesen besuchen Katrineholm, die erste politische Wirkungsstätte des großen Vorsitzenden Persson:

Wallström kritisch gegenüber den eigenen Reihen

Margot Wallström ist stellvertretende Vorsitzende der EU-Kommission. Vor einigen Jahren führten interne Auseinandersetzungen zum Rücktritt Wallströms aus der Regierung Persson und der Emigration nach Brüssel.

In einem Interview mit dem schwedischen Rundfunk kritisierte Margot Wallström nun die Haltung der eigenen Partei zur Europapolitik und stellte der konservativen Regierung Reinfeldt ein besseres Zeugnis aus.

Von Margot Wallström, die Wunschkandidatin des Volkes war als Nachfolgerin von Göran Persson als Vorsitzendem der Sozialdemokraten, hätte ich mir mehr politische Reife erwartet.

Wallström weiss, wie tief zerrissen die eigene Partei in Sachen EU ist und sie weiss, dass die bürgerlichen Parteien von jeher positiv gegenüber der EU eingestellt sind. Die eigene Partei jetzt noch einmal öffentlich zu kritisieren, ist eine billige Retourkutsche, die sich vor allem gegen ihren einstigen Vorsitzenden Persson richtet.

Wollte Wallström die eigene Partei in der Europapolitik verändern, hätte sie sich vergangenen Samstag zur Vorsitzenden wählen lassen können. Verantwortung abzulehnen und dann nachzukarten ist schlechter Stil.

Weitere Verschlechterungen für Arbeitslose in Schweden

Arbeitsmarktminister Sven-Otto Littorin gab gestern bekannt, dass Arbeitslose ab dem 2. Juli 2007 schon ab Tag 1 der Arbeitslosigkeit gezwungen werden können, umzuziehen und auch Arbeit anzunehmen, für die sie nicht ausgebildet sind.

Die Politik der sozialen Kälte geht weiter.

22. März 2007

Legale Wucherpreise: Arcade Fire in Stockholm

Morgen Abend spielt die kanadische Band Arcade Fire im vornehmen Circus auf Djurgården und das Konzert ist ausverkauft. Die Tickets kosteten 310 Schwedenkronen. Einer der in Schweden legalen Schwarzhändler bietet sehr gute Sitzplätze für nur 695 Kronen an.

Wann macht man endlich ein Gesetz, dass organisiertem Schwarzhandel dieser Art den Boden entzieht? Einer der halbseidenen Anbieter in Stockholm will für die besten Tickets für "The Police" statt der vom Veranstalter ausgeschriebenen 850 SEK nicht weniger als 1.995 SEK.

Ordförande Persson – Es ist noch nicht vorbei

Wenn Regierungschefs abtreten, dann veröffentlichen sie gewöhnlich früher oder später ihre Memoiren. Willy Brandt schrieb seine Erinnerungen, in denen Mitte der 80er Jahre so weise Sätze wie „Berlin wird leben und die Mauer wird fallen“ standen, die mit dem heutigen Wissen als visionär gelten dürfen. Franz-Josef Strauss schrieb in seiner Autobiographie, dass sich sein Widerstand gegen das Naziregime unter anderem dadurch zeigte, dass er den Hitler-Gruss mit einem bayrischen „Grüss Gott!“ erwiderte. Ich habe das Buch danach nicht zu Ende gelesen.

Hans Göran Persson hat Schweden zehn Jahre lang regiert, etwas länger stand er der grössten Partei, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens vor, Sohn eines Bauarbeiters und einer Hausfrau. Abitur auf dem Technischen Gymnasium in Vingåker, abgebrochenes Studium. Bürgermeister in Katrineholm, wo man ihm den Beinamen „Hans som bestämmer“ (HSB) gab – der, der entscheidet.

Als Parteivorsitzender war er die vierte Wahl. Ingvar Carlsson wollte in den Neunziger Jahren den Führungsstab an Mona Sahlin übergeben, die an der Toblerone-Affäre scheiterte. Ein anderer Vorsitzender musste her. Jan Nygren lehnte ab, ebenso Ingela Thalén. Blieb nur der Finanzminister übrig.

Während all seiner Amtsjahre hat der Fernsehjournalist Erik Fichtelius Interviews mit Persson gemacht, konserviert und aufbewahrt für die Veröffentlichung nach dem Rücktritt des Regenten von allen Ämtern.

Knapp 60 Stunden nachdem nun doch Mona Sahlin, Toblerone hin oder her, zur ersten Vorsitzenden der grössten Partei des Landes gewählt worden ist, lief am Montagabend die erste von vier Folgen von „Ordförande Persson“ - Vorsitzender Persson.

Dass Göran Persson gerne austeilt, das weiss man in Schweden. Und so sparte er in den beiden bisher ausgestrahlten Folgen auch nicht mit Schmäh gegenüber seinen Zeitgenossen.

Das Denken sei gewiss nicht Mona Sahlins Stärke, Carl Bildt sei ein hoffnungsloser Fall, er (Persson) habe ihm verschiedene Posten angeboten, er habe alles abgelehnt. George W Bush wird masslos unterschätzt, Kim Il Sung ist ein kleiner Onkel in Freizeitkleidung mit hohen Absätzen, mit dem er fünf Stunden lang sehr kritisch debattiert hat und Helmut Kohl ass sicher zehn kleine Päckchen rohe Butter, als die Verhandlungen über den Euro zu scheitern drohten. Respekt erweist Göran Persson dem schwedischen König, der sicher kein grosser Redner sei, der aber mit viel Einfühlungsvermögen Situationen und Probleme gut erfassen könne.

Gudrun Schyman, Ex-Vorsitzende der Linkspartei, sei jemand, auf den man sich im Krisenfall nicht verlassen könne. Sie sei auch nicht ganz richtig beieinander. Auf einem Parteiführertreffen in Vorbereitung der schwedischen EU-Präsidentschaft 2001 hatte Schyman die Herren der Runde angefahren: „Ihr Kerle wollt immer nur herumficken, aber das geht nicht.“ Kein gutes Aushängeschild für Schweden, meint Persson und in der Runde, in der es eigentlich um anderes ging, sei eisiges Schweigen eingetreten. Schyman hat heute dementiert, auch der ehemalige Vorsitzende der Christdemokraten, Alf Svensson, sagte er könne sich an eine solche Äusserung Schymans nicht erinnern. Birger Schlaug, Sprecher der Grünen, verkündete heute, dass eine Besprechung, die nach Persson in der Sauna stattgefunden habe, in einer Küche absolviert worden wäre.

Persson erzählt, Fichtelius ist dabei. Manchmal im Büro in der Staatskanzlei Rosenbad, manchmal in der Natur, in Harpsund (Residenz) oder anderswo.

Und Schweden kommentiert. Die erste Folge von „Ordförande Persson“ sahen 1,3 Millionen. Nicht schlecht für ein politisches Programm. Weit entfernt vom nationalen Kleinod „Melodifestivalen“, aber doch.

Die Wahlen 2006, darin stimmen viele Betrachter überein, gingen für die Sozialdemokraten verloren, weil das Volk Persson überdrüssig geworden war, dieser es aber nicht bemerkt hatte. Die wirtschaftlichen Zahlen sprachen für den Premier und die Regierung. Es ging aufwärts und die Reinfeldts und Olofssons sonnen sich nun in rosigen Zahlen, deren Grundlage durch Perssons Regierung geschaffen wurde.

Aber er sollte weg. Ihn wollte man nicht mehr sehen. Man nahm ihm übel, dass er sich einen teuren Altersruhesitz in Sörmland zugelegt hatte, ein Gut mit mehreren Gebäuden, riesigem Grundstück mit seiner neuen Frau, der Chefin von Systembolaget und ehemaligen Staatssekretärin seines Finanzministeriums, Anitra Steen.

Seine Ausfälle gegenüber anderen waren recht unschwedisch. Maud Olofsson, die Vorsitzende der Zentrumspartei, fragte er, ob sie zugenommen habe. Seine eigene Sozialministerin Margot Wallström wusste damals nicht, dass er an einer Reform der Kindergartengebühren arbeitete. Gezeigt wird die Pressekonferenz anlässlich der Präsentation des sozialdemokratischen Wahlmanifests 1998, als Persson die „Maxtaxa“-Reform verkündet und nun versteht man den verständnislosen Seitenblick Wallströms zu ihrem Chef. Unmittelbar nach der Wahl trat sie von ihrem Posten aus familiären Gründen zurück. Sie rächte sich später als EU-Kommissarin in Brüssel, als sie Schwedens Regierung mehr Engagement in EU-Fragen abverlangte. Jetzt unter Mona Sahlin wird sie wieder aktiver für die Partei werden.

„Ordförande Persson“ ist kritisiert worden. Fichtelius sei zu nah an die Macht gerückt, gebe die journalistische Objektivität auf zugunsten von Hofberichterstattung. Es fehlten die Stimmen der anderen Zeitgenossen. Nur Persson dürfe reden, es ergebe kein ausgewogenes Bild.

Neidisch sind viele, dass Fichtelius mit seinem Projekt etwas weltweit noch nie Dagewesenes schafft. Einen Regierungschef über dessen gesamte Amtszeit immer wieder zu befragen. Hofberichterstattung ist das indes nicht, denn Fichtelius lässt Persson reden und enthält sich aller Kommentare. Und die Zeitgenossen, über die gesprochen wird, sind so aufgebracht, dass sie ihre Kommentare in den Medien abgeben.

Zwei Folgen stehen noch aus, dann ist die Ära Persson erst einmal ad acta gelegt. Allerdings wird TV-Journalist Fichtelius noch im April ein Buch zur Sendung auf den Markt bringen. Titel ist ein Zitat des Ex-Premiers, das seine Situation an der Spitze der Regierung zusammenfasst: „Aldrig ensam – alltid ensam“ - Niemals allein, immer allein. Der Interviewte sitzt derweil an seiner Autobiographie, die vermutlich im Herbst erscheinen wird. Ob das Buch ein ähnlicher Verkaufsschlager wird wie Ex-Finanzminister Kjell-Olof Feldts Buch „Alla dessa dagar“ (All jene Tage) bleibt abzuwarten. Perssons Pension ist hoch genug, um nicht darauf angewiesen zu sein.

19. März 2007

Zurück aus Östersund

Ein Wochenende in Östersund

Hier war ich schon lange nicht mehr. In den 80er Jahren besuchte ich Östersund zum ersten Mal, damals im Sommer und in Erinnerung hatte ich, dass die Stadt trotz ihrer geringen Grösse sehr lebendig wirkte. Das lag an der Perspektive; wir kamen aus dem kleinen Bergdorf Åre, das seitdem die Zahl seiner Gästebetten und den Grad seiner Bekanntheit deutlich gesteigert hatte. Im Sommer war Åre ein kleines Bergdorf im Schatten des Åreskutan, Ort auf der Durchreise von Sundsvall und Östersund in die norwegische Domstadt Trondheim. Norwegische Busse hielten mehrmals täglich vor den kleinen Supermärkten Konsum und ICA des Örtchens und spuckten Horden von kaufwilligen Norwegerinnen aus, die ihre Einkaufswagen in Windeseile bis zum Rand füllten. Norwegen war damals schon sündhaft teuer. Wir achteten nach einer Weile auf die Verfallsdaten der Lebensmittel eines Geschäfts, nachdem wir schlechte Erfahrungen gemacht hatten.

Seit diesem ersten Besuch sind 23 Jahre vergangen, eine Zahl, die verdeutlicht, dass der Blogger älter wird. 1984 ist verdamp lang her. Es war das Jahr der Fussballeuropameisterschaft in Frankreich. Allan Simonsen, der dänische Rechtsaussen, der bei Borussia Mönchengladbach Fussballer des Jahres in Europa geworden war, hatte sich im Spiel gegen Frankreich das Bein gebrochen und die Fortsetzung seiner Karriere beim neuen Club C.F. Barcelona musste mit einem grossen Fragezeichen versehen werden. Simonsen gehört für mich auch heute noch zu den besten Fussballern, die Europa hervorgebracht hat. Der kleine Mann mit der Nummer 7, den Hennes Weisweiler nach einem Probetraining eigentlich wieder zurück ins dänische Vejle schicken wollte, der dann aber Tore am Fliessband für den niederrheinischen Verein produzierte.

1984 gab es noch die Sowjetunion und die DDR, ein gewisser Michail Gorbatschow war nur den besseren Kennern des sowjetischen Systems bekannt, Soldaten der Roten Armee standen in Afghanistan und wurden von durch Amerika gesponsorte Mudschaheddin bekämpft. Einer der besten Freunde der USA in dieser Region hiess Osama bin Laden, den die CIA ausbildete und förderte.

Und Östersund stand vor einer seiner zahlreichen Bewerbungen um die Olympischen Winterspiele, nicht wissend, dass man jedes Mal scheitern sollte. Die Spiele wurden 1994 ins norwegische Lillehammer vergeben, einen weiteren Ort, der sich mit einer Jahreszahl verbindet, die meinen ersten Besuch in Skandinavien anzeigt: 1980. Lillehammer am Mjösa-See, wie ich später erfuhr auf der falschen Seite des Mjösa-Sees, auf der richtigen, der Sonnenseite liegt der Ort Gjövik aus dem Ingunn stammte, die mir in Fagernes nicht nur das erzählte.

Am Wochenende fanden in Östersund die Weltmeisterschaften der Enduro-Fahrer statt, auf dem Frühstücksbuffet im SAS Hotel Radisson hatte man zur Feier dieses grossen Ereignisses in der jämtländischen Hauptstadt ein Motorrad platziert, dass sich direkt oberhalb der Eier befand, hart und weichgekocht. Wie so oft in Hotels, wo man gleich mehrere hundert Eier kocht, nicht sonderlich gut abgeschreckt, so dass man die Schale in kleinen Stücken vom essbaren Teil trennen muss. Sie kennen das.

In Östersund schneite es fast das ganze Wochenende und als ich gestern noch über die Prästgatan schlenderte, hätte ich dies auch auf Langlaufskiern tun können. Überall schon sieht man Hinweise auf die Weltmeisterschaften im Biathlon, die vom 08.-17.02.2008 stattfinden werden. Die Hotels sind weitgehend ausgebucht und man rechnet mit einem enormen Andrang von Fans aus Deutschland und dem benachbarten Norwegen. Die deutschen Frauen und der ungekrönte König Ole Einar Björndalen sind Publikumsmagneten geworden. Wo Deutschland noch vor ein paar Jahren im Bann von Sven Hannawald und Martin Schmitt stand, sind es nun die Kleinkaliber-Sprinterinnen wie Andrea Henkel, Magdalena Neuner und Kati Wilhelm, die den Deutschen an so manchem langweiligen Samstag- oder Sonntagvormittag Zerstreuung geboten haben.

Aber nicht nur Enduro fand in Östersund statt. Ich war auf der Tagung des Fremdsprachenlehrerverbands LMS, die jedes Mal woanders ist. Gävle, Luleå, Skövde, Örebro, Göteborg, nun Östersund und im nächsten Jahr dann Visby. Ein zwischen 300 und 1.000 Personen umfassender Teilnehmerkreis, der sich in seinem Kern jährlich trifft. Hej hier und da, lang nicht gesehen, wie schön, was machen die Kinder, ein Todes- oder Krankheitsfall in der Familie führt zu kurzfristiger Betroffenheit, jemand ist schwanger, man freut sich, eben ein Mikrokosmos des Lebens.

Der Flug zurück ist verspätet und es ist 23 Uhr, als ich zu Hause bin. Zeit nur für einen kurzen Erschöpfungsschlaf, die Wochen sind hektisch im März und nun bin ich schon wieder auf dem Weg nach Göteborg.

In Östersund sitze ich am Freitagabend in einer Kneipe, ein Mann an der Theme hält sich die Hand vor den Mund, stürzt aus dem kleinen Lokal und kotzt gegen die Fensterscheibe. Ist der Alkoholkonsum in Norrland wirklich grösser als im Süden wie manche Schweden behaupten? Oder zeigt sich hier nur die grosstädtische Arroganz und Überlegenheit gegenüber der minderwertigen Provinz?

„I was born in a small town, educated in a small town, all my friends are so small town, that's good enough for me,“ singt eines meiner musikalischen Idole, John (Cougar) Mellencamp aus Bloomington, Indiana, der trotz seines massiven Erfolgs auch in den amerikanischen Metropolen seiner Kleinstadt und den Menschen immer treu geblieben ist.

Östersund 2007 revisited. Es kommt mir kleiner vor bei diesem Besuch, auch weil der Ausgangsort meines Besuchs nicht Åre sondern Stockholm ist. Aber es ist ganz ok, auch wenn ich den Nightclub Seven gegenüber dem Hotel nicht ausprobiert habe, ich war einfach zu müde.

14. März 2007

Führungsstile im Vergleich: Reinfeldt vs. Persson

Der hoch angesehene Politikwisseneschaftler Olof Ruin ist der Ansicht, dass der eher zurückhaltende und kaum wahrnehmbare Führungsstil von Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt für das Bild von Vorgänger Göran Persson in der Geschichtsschreibung günstig ist.

In einem Kommentar in DAGENS NYHETER schreibt Ruin: "Jetzt wo Göran Persson die politische Bühne bald verlassen wird, ist die Lage paradox. Das Merkwürdige ist, dass nun wo es einerseits Grund gibt, sich an die Errungenschaften seiner Regierungszeit zu erinnern, sein dominanter Führungsstil im Nachhinein als weniger kritikwürdig zeigt, wenn er verglichen wird mit der Unsichtbarkeit und dem Schweigen, das in vieler Hinsicht den heutigen Ministerpräsidenten kennzeichnet."

In der Tat könnte der Unterschied zwischen Persson und Reinfeldt kaum deutlicher sein. Während der Sozialdemokrat den Beinamen HSB bekam, HAN SOM BESTÄMMER (der, der sagt wos lang geht) und die Mitglieder seiner Regierung zu Statisten degradierte, gibt Reinfeldt den Regierungschef in einer Rolle, die in Hollywood bestenfalls in der Kategorie "Best supporting actor" die Chance Nominierung bekäme.

Reinfeldt überlässt seinen Ministern das Rampenlicht, steht deutlich im Schatten seines Affären verteidigenden und bloggenden Aussenministers Carl Bildt, dessen Nominierung von vielen Beobachtern ohnehin als ein riskables Unterfangen für den politisch weitgehend unerfahrenen Reinfeldt gewertet wurde.

Auch die anderen Figuren im Kabinett Reinfeldt wie etwa Zentrumsvorsitzende Maud Olofsson und Bildungsminister Lars Leijonborg spielten sich in den letzten Wochen deutlich in den Vordergrund des Geschehens.

Der Chef, dass legt zumindest die Analyse der Medienpräsenz nahe, wirkt heute eher wie ein Volontär in einem Kabinett selbstbewusster Referenten.

Magnus Ljungkvist kritisiert in seinem Blog die äusserliche Fixierung von Olof Ruin, übersieht dabei aber, dass die mediale Wirkung von Politikern auch in Schweden zunehmend wichtiger geworden ist.

Auch Johan Ingerö findet, dass Professor Ruin zu sehr auf das äusserliche Erscheinungsbild fixiert sei. Aber er vermisst auch eine klare Linie in der Politik der neuen Regierung: "Politische Führung ist für mich mehr, als nur Budgets zusammenstellen und der Verfassung treu zu sein. Es geht darum, anzuzeigen, wohin man das Land führen will und warum gerade dorthin. Das totale Unvermögen, eine Richtung anzuzeigen ist eine gigantische Schwäche nicht nur bei Reinfeldt, sondern allgemein bei den neuen Moderaten."

Fernsehkritik: "Leende guldbruna ögon"

"Dansband"-Musik gehört zu dem, was man hierzulande gerne in die Rubrik "något av det svenskaste som finns" (etwas was kaum schwedischer sein könnte) einsortiert.

Ungekrönter König der singenden Combos, die mit ihren schmalzigen Schmonzetten durch die Provinz reisen ist der Barde Christer Sjögren mit seiner Gruppe "Vikingarna", die auch in Deutschland mit den teutonischen Versionen ihrer schwedischen Erfolgsschlager beachtliche Erfolge beim Publikum vom "Blauen Bock" und "Musikantenstadl" feierten. Sollte jemandem das Phänomen "Dansband" noch nichts sagen, der möge sich bei Youtube ein Video von Lasse Stefanz (hier mit Truck-Stop-Hut) anschauen mit dem Klassiker "De sista ljuva åren".

Mehr als 20% der schwedischen Bevölkerung hat wie man das heutzutage politisch korrekt sagt Migrationshintergrund. Dass aber dunkelhäutige und dunkelhaarige Menschen orientalischer Herkunft in einer "Dansband" spielen, das war bislang undenkbar und lediglich richtigen "Viking"ern vorbehalten (siehe oben).

Nun zeigte das schwedische Fernsehen eine dreiteilige Fernsehserie mit dem Titel "Lächelnde goldbraune Augen" - ein Dreiteiler, in dem der Versuch einer Gruppe von sympathischen Aussenseitern aus dem Getto der Vorstadt beschrieben wird, auf diesem urschwedischen Terrain Erfolg zu haben und Ernst genommen zu werden.

Die Charakterzeichnung überzeugend, das Drehbuch stimmig und lediglich am Ende mit dem Auftritt bei der schwedischsten aller Fernsehsendungen, dem allsommerlichen "Allsång på Skansen" und der Begegnung mit dem leibhaftigen Christer Sjögren etwas zu pathetisch.

Aber insgesamt die Höchstnote für diesen Dreiteiler.

Eine kongeniale Parabel über die schwedische Gesellschaft. Über den verzweifelten Versuch der Menschen mit Migrationshintergrund, in diesem Land akzeptiert zu werden. Sie versuchen es mit voller Kraft und stellen beim ersten öffentlichen Auftritt auf der Party eines Neureichen in Hammarby Sjöstad dann entsetzt fest, dass man sich über die dunkelhaarigen Einwanderer schon seit Wochen im ganzen Land königlich via Internet amüsiert.

Weil das Ganze zur besten Sendezeit läuft, gibt es am Ende dann doch das Happyend für die würdevollen Charaktere der Band, der Keyboarder gespielt von Fares Fares, den wir schon aus den Filmen seines Bruders Josef Fares ("Jalla! Jalla!" und "Kopps") kennen.

Das deutsche Fernsehen zeigt gerne Filme aus Schweden - hier ist eine Miniserie, die sich ARD und ZDF vormerken sollten, weil das Schwedenbild ungleich realistischer ist als in den in Schweden verspotteten "Inga Lundström"-Filmen des ZDF, in denen blondierte Deutsche Volvos fahren und in rustikalen roten Bauernhäusern einander mit einem gestelzten "Hej" begrüssen, bevor sie munter Hochdeutsch plaudern.

Sahlin doch die Falsche?

Eine Meinungsumfrage für den recht neuen Fernsehsender TV8 ergab, dass 4 von 10 Schweden glauben, dass die Chancen mit Mona Sahlin als kommender Vorsitzender der schwedischen Sozialdemokratie bei den nächsten Wahlen steigen würden.

Natürlich führt dies gleich zu Artikeln wie "Sahlin wird wenig zugetraut" in der konservativen Svenska Dagbladet.

Denn im Umkehrschluss analysieren die Zeitungsmacher, dass sechs von zehn Schweden eben anderer Auffassung sein müssen.

Diese sinnlose Umfrage zeigt, wie sehr man mit Statistiken manipulieren kann und man kann dem alten Winston Churchill nur recht geben, dem ein tiefes Misstrauen gegen Statistik innewohnte.

Denn die Überschrift könnte doch auch positiv lauten: "40% aller Schweden sicher: Mit Sahlin steigen die Wahlchancen".

13. März 2007

MTV versus Youtube

Dass auf www.youtube.com wirklich alles zu finden ist, überrascht nur noch die Fremdsprachenlehrer, die ich bei meiner Arbeit immer wieder treffe. Gibt es irgendein Musikvideo, das man dort nicht finden kann?

Während man den Filesharern seitens der Musikindustrie seit längerem an den Kragen will, war youtube bislang von der Hetzjagd ausgenommen.

Nun schlägt MTV zu und verklagt youtube auf Schadenersatz in Höhe von 1 Milliarde $ wegen Verletzung der Urheberrechte.

Nun kämpft Gigant gegen Gigant. MTV gegen Google, das letztes Jahr youtube verschlungen hat.

Wie das ausgeht, wird sehr interessant. Vermutlich wird Google mit dem MTV-Eigentümer Viacom einen Deal machen und sich auf eine Summe einigen. Ich hoffe, dass die ca. 150.000 Musikvideos, die laut MTV bei youtube zu finden sind, nicht alle im Datenorkus verschwinden.

Die Nachricht des Tages aus dem Internetbereich wird in schwedischen Blogs natürlich schon eifrig diskutiert.

"Syrrans granne" (Der Nachbar der Schwester) weist darauf hin, dass es nach geltender Rechtslage in Schweden verboten sein dürfte, sich urheberrechtliches Material wie MTV-Videos bei Youtube¨überhaupt anzusehen. Er schlägt vor, dass man die Hascher der Musikindustrie in eine Falle locken sollte und ihnen Links zu Musikvideos schickt und sie dann anzeigt, sobald sie den Link angeklickt haben...

Johanna Nylander, die wir hier schon einmal zitiert haben und die sich auf meiner Blogroll befindet, ist der Meinung, dass Viacom mit der Klage ein Eigentor schiesst. Die MTV-Eigner sollten vielmehr für die kostenlose Werbung durch einen dermassen populären Dienst wie youtube dankbar sein.

Maximum Overkill schreibt, dass Viacom durch seine Klage nur beweise, dass es nichts, aber auch gar nichts verstanden habe. Er beklagt, dass die legalen Möglichkeiten zum Download von Musik so unglaublich unbequem seien und nennt den Internetanbieter CDON als Beispiel. Dort lädt man legal Dateien im WMA-Format herunter, die bei jedem Abspielen einen Code aus dem Internet herunterladen müssen, um zu funktionieren. Ich kann das leider nur aus eigener Erfahrung bestätigen. Bei CDON habe ich mir eine CD heruntergeladen, die mit dem Digital Rights Management geschützt ist. Völlig daneben.

Legal Songs für 9 Kronen bei I-Tunes herunterladen finde ich auch noch zu teuer. Ausserdem bietet I-Tunes nicht alles, was man haben möchte und ausserdem braucht man zusätzliche Software, wenn man keinen I-Pod hat. Man muss die Dateien vom I-Tunes-Format *.m4p mit Programmen wie Tunebite in *.mp3 konvertieren.

11. März 2007

Arbeitslose unter Druck

Die Einführung neuer Regeln für Arbeitslose in Schweden war von der Reinfeldt-Regierung, die sich "Allianz für Schweden" nennt, bereits im Wahlkamp angekündigt worden. Dennoch wurden die bürgerlichen Parteien, die für eine wesentliche Verschlechterung der Bedingungen der Arbeitslosen waren, ins Regierungsamt gewählt.

Als die neuen Regeln dann im Januar eingeführt wurden, gab es massive Proteste seitens der Gewerkschaften.

Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden verdreifacht, im Falle der Arbeitslosigkeit jedoch soll jeder Einzelne bedeutend weniger Geld bekommen.

Seit dem 1. März 2007 ist das Tagegeld für Arbeitslose von maximal 730 auf 680 Kronen gesenkt worden. Alle, die mehr als 18.700 Kronen (2.010 €) brutto verdienen, erhalten somit im Falle der Arbeitslosigkeit weniger als 80% ihres früheren Einkommens.

Langzeitarbeitslose, die mehr als 300 Tage ohne Beschäftigung sind, bekommen nur noch höchstens 65% des einstigen Gehalts.

Auch der Umstand, dass Arbeitslose nur 1/3 der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen sollten, trifft nur zu, wenn ein Arbeitsloser in einem Kalendermonat überhaupt nicht arbeitet. Arbeitet er nur eine einzige Stunde (!), muss er ebenfalls den dreifach höheren Satz zur Arbeitslosenversicherung zahlen.

Der Frühling ist nach Schweden gekommen, heute kann man schon mit offener Jacke durch Stockholm spazieren gehen. Die soziale Kälte im Lande aber nimmt zu.

9. März 2007

Am Montag...

wird in Stockholm das analoge Fernsehnetz mit einem Knopfdruck abgeschaltet. Nach Gotland und einigen anderen Landesteilen wird damit auch in der Haupstadtregion nur noch digitales Fernsehen zu sehen sein.

Alle Elektronikhändler verkaufen die digitalen Empfänger, allerdings brauchen die Kabelfernsehzuschauer sich auch weiterhin keine Box kaufen, da die Umstellung für diesen Kreis keine Folgen hat.

Weiß jemand wie es in Deutschland ausschaut?

6. März 2007

Drohungen gegen Nyamko Sabuni?

Seit Herbst 2006 heißt die schwedische Ministerin für Integrations- und Gleichberechtigungsfragen Nyamko Sabuni (fp). Der Terminkalender der ersten dunkelhäutigen Ministerin Schwedens ist nun nicht länger detailliert auf der Homepage der Regierung zu finden.

Die Pressesprecherin der Ministerin, Ann-Marie Åsheden, will nicht bestätigen, dass es Drohungen gegen Sabuni gibt. Man habe die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Sicherheitspolizei (Säpo) getroffen und veröffentliche nurmehr einige Programmpunkte der Ministerin.

Auch die Sicherheitspolizei zeigt sich verschwiegen. "Unsere Personalstärke ist doppelt so hoch wie früher, aber permanenten Polizeischutz haben lediglich der Ministerpräsident [Reinfeldt], der König, die Königin und die Kronprinzessin," sagt Anders Thornberg, Pressechef der Geheimen.

Keine ungewöhnliche Nachricht. Leider. Ich bin lediglich darüber gestolpert, dass die Termine der Minister öffentlich im Internet zu finden sind. Ausdruck des schwedischen Öffentlichkeitsprinzips. Alle haben das Recht zu erfahren, was die Minister zu welcher Zeit auch immer dienstlich machen.

Das Öffentlichkeitsprinzip in Ehren. Die Erweiterung der EU 1995 durch Schweden und Finnland hat der Gemeinschaft gerade scharfe Kritik an deren unnötiger Geheimniskrämerei zugeführt - mit gutem Recht.

Allerdings geht das Öffentlichkeitsprinzip dann entschieden zu weit, wenn die persönliche Sicherheit von Personen in verantwortungsvollen Staatsämtern, die immer den Zorn von politischen Gegnern oder die Agressivität und Gewaltbereitschaft von gestörten Individuen auf sich ziehen, gefährdet ist.

Zum Anschauen:

Nyamko Sabunis Terminkalender diese Woche (die folgenden vier Wochen sind leer)

und Vergleich

Schulminister Jan Björklund diese Woche

Putzhilfe mit Steuererleichterung

Maud Olofsson war glücklich. Auf einer Pressekonferenz löste die Vorsitzende der Zentrumspartei vergangene Woche ein Wahlversprechen ihrer Allianz für Schweden ein: 50% steuerliche Absetzbarkeit von sogenannten haushaltnahen Diensten.
Wer künftig andere bei sich daheim putzen lässt, kann die Hälfte der Kosten vom Finanzamt zurückbekommen.

In Schweden ein durchaus kontroverses Thema. Die Sozialdemokraten diskutieren das Thema schon seit einigen Jahren und Politiker wie die designierte Vorsitzende Mona Sahlin mussten sich für Sympathien mit der Idee vorhalten lassen, sie hätten sich weit von der Parteibasis entfernt.
Zum einen ist es sicher so: Berufstätige mit Kindern unter zwölf Jahren haben es schwer, das Zeitmanagement des Alltags zu bewältigen. Nach einem Achtstundentag, dem Bringen und Abholen der Kinder bleibt nur wenig Zeit für sich selbst oder den Partner. 50% aller Ehen scheitern in Schweden, nicht zuletzt auch immer wieder am nervenaufreibenden Alltag. In der wenigen Freizeit muss dann das Haus auf Vordermann gebracht werden, am Wochenende wird eingekauft und wenn man keine Grosseltern in der Nähe hat, dann nimmt man die kleinen Kinder mit zu IKEA oder in den Grossmarkt zum Einkaufen.

Also müsste die Putzhilfe eigentlich Erleichterung bringen. Und mehr Zeit, die wir mit dem modischen Wort Qualitätszeit als besonders wertvoll etikettieren.

Viele schwedische Familien, die es sich leisten können, haben allerdings schon längst eine Putzhilfe. Morgens um acht Uhr bewegt sich seit Jahren ein im Sozialsystem unsichbares Heer von vorwiegend polnischen Schwarzarbeitern durch das Land. Magnus Uggla, Popstar von Beruf, hatte es im Vorentscheid zum Eurovision Song Contest in seinem Lied „För kung och fosterland“ herausgeschrien: „då ringer jag till en skum polack“. Und was für Ärger es gab! Die polnische Botschaft, viele Polen im Lande fühlten sich zutiefst beleidigt. Dabei widersprach Uggla allen, die ihm eine herablassende Attitüde gegenüber den Ostseenachbarn andichten wollten. Er habe nur über die Schwarzarbeiter gesungen und eigentlich über die Probleme schwedischer Paare, die immer irgendein Projekt haben müssen, weil sie sich ansonsten gegenseitig langweilen würden und die Scheidung vor der Tür stünde.

Es gibt sie wirklich. Bei Spaziergängen mit dem Hund durch den idyllischen Vorort sah ich immer wieder Abreisszettel mit dem Tenor „Young Polish woman cleans your house. Call 073-XXXXXX“. Und sie sind überall. Ihre Arbeit verrichten sie ohne Sozialabgaben, bei Krankheit müssen sie schauen, wie sie zurecht kommen. Kosten für den Nutzniesser: ca. 100 – 120 Kronen pro Stunde. Die Dienstleister selber reisen seit der EU-Mitgliedschaft als Touristen ins Land, können drei Monate ohne Probleme bleiben und arbeiten sechs Tage in der Woche. An einem Tag schafft man 2-3 Kunden, das bringt ungefähr 800 – 1.000 Kronen am Tag. 4.800 – 6.000 in der Woche. 20.000 und mehr im Monat. Im Heimatland ist das sehr viel Geld.

Aber das Geld auf die Hand, der Traum vom besseren Leben in der Heimat ist meistens nur eine Illusion. Man macht weiter und weiter ohne an die Zukunft zu denken.
Der Regierung mit Maud Olofsson und Finanzminister Anders Borg (m), den beiden Politikern, die die Idee vermarktet haben, will jedoch nicht die Schwarzarbeit bekämpfen. Davon sagen sie jedenfalls nichts. Nein, das Ganze soll die Haushalte entlasten und vor allem Arbeitsplätze schaffen. Dabei wird selbst mit Steuererleichterung die polnische Schwarzputzerin immer noch billiger sein als das steuerlich sanktionierte legale Modell. Aus der Allianzregierung selbst wissen wir, dass es dort nicht sonderlich beliebt war, Fernsehgebühren zu zahlen oder legale Arbeitskraft zu beschäftigen. Von Steuern zahlen gar nicht zu reden. Zwei Ministerinnen des Fredrik Reinfeldt mussten das Kabinett wegen entsprechender Affären schon nach wenigen Wochen verlassen.
Arbeitsplätze schaffen. Viele der heute Arbeitslosen sollen mit anderen Worten inspiriert werden, eigene Putzfirmen zu gründen und mit Ajax und Meister Proper (letzteren gibt's leider nicht in Schweden) bewaffnet in die Häuser einrücken, aus denen morgens bürgerlich wählende Eltern mit ihren Kindern Richtung Arbeit und Kindergarten düsen.

Eine grandiose Schnapsidee. Wie so vieles, das sich die politisch unerfahrene Allianzregierung seit ihrer Machtübernahme einfallen lässt. Man weiss genau, dass man nur vier Jahre Zeit hat, das Land total umzukrempeln und will es mit der Brechstange versuchen. Göran Greider, Chefredakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Dala-Demokraten, nannte den Vorschlag einfach nur strohdumm. Statt im Gesundheitssektor, wo es einerseits an Personal mangelt und andererseits das vorhandene Personal sehr schlecht bezahlt wird, zu investieren, teile man Zuckerstückchen an die eigene Klientel aus.
Die vielen Menschen in Schweden, die jede Krone zweimal umdrehen müssen, die eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation haben, werden kaum Putzhilfen engagieren, weder legale noch illegale. Viele der Menschen mit Migrationshintergrund ebensowenig. Sie sparen, um sich den Traum von einem würdevollen Leben realisieren zu können.

Gegen Haushaltshilfe per se ist nichts einzuwenden. Aber aus den Arbeitslosen ein Heer von Ich-AGs zu machen ist blauäugig. Die schon existierenden Netzwerke der illegalen Arbeiterinnen und Arbeiter sollte man versuchen zu legalisieren. Indem man den Polinnen klar macht, dass sie letztlich von ihrem brutto = netto Arbeiten selbst nur einen kurzfristigen Effekt haben, der ihnen in der längeren Perspektive keine soziale Sicherheit bietet. Im Gegenteil.

Schutzgelder an der Tagesordnung

Seit 1999 hat sich die Zahl der angezeigten und aufgedeckten Schutzgelderpressungen in Schweden verdoppelt. Die Polizei sieht einen klaren Zusammenhang zu der Verbreitung von Motorradgangs wie den Hells Angels, den Bandidos uns anderen Zusammenschlüssen. Vor allem im Restaurantgewerbe, aber auch bei kleinen Läden verdienen die Erpresser ihr Geld. Ein Staatsanwalt forderte die Mindesstrafe bei räuberischer Erpressung auf zwei Jahre anzuheben. Immer häufiger notieren die Verfolgungsbehörden auch, dass Zeugen bedroht werden und ihre Aussagen zurücknehmen. Ein Restaurantbesitzer aus Göteborg, der zu den wenigen Mutigen gehörte, die eine Anzeige machten, sagte, wenn er gewusst hätte, wie wenig er durch die Polizei geschützt sei, würde er nie wieder eine Anzeige erstatten und allen nur empfehlen, lieber die Gelder zu zahlen. Rosige Aussichten.

Jugendhaus in Kopenhagen abgerissen

Am Montag rückten dann die Bagger an. Und machten das seit 25 Jahren existierende Jugendhaus im Kopenhagener Stadtteil Nörrebro dem Erdboden gleich.
Jugendliche Demonstranten aus Dänemark, Deutschland und Schweden hatten tage- und nächtelang in einem ungleichen Duell gegen die Ordnungsbehörden ihrer Wut und Empörung Ausdruck verliehen. 650 junge Leute wurden vorübergehend festgenommen.

Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung ist nicht zu akzeptieren. Aber verstehen konnte man viele der jungen Demonstranten schon. Wie immer mischten sich Krawallmacher unter die Engagierten, was den Befürwortern des Abrisses natürlich entgegen kam.
Im Jahre 2000 hatte die Freikirche Faderhuset das Gebäude erworben und seit einigen Jahren schon den Abriss des Hauses betrieben.

Am Dienstag sollen im Kopenhagener Rathaus Gespräche über die Zukunft des Jugendhauses, das dann schon nicht mehr steht, stattfinden. Die Erwachsenen sind geschockt ob des Zorns ihrer Kinder. Die Freikirche, die eine Minderheit vertritt, ist nicht sonderlich erwünscht in der Nachbarschaft. Populisten wie die der dänischen Volkspartei freuten sich, dass nun Ordnung herrsche und das Haus, das ihnen schon seit langem ein Dorn im Auge war, endlich verschwunden ist. Die jungen Menschen aber, die es bevölkerten, wird man nicht so leicht los. Man kann nur hoffen, dass die Besonnenen auf beiden Seiten schnell den Weg an einen Tisch finden. Denn die junge Generation kann man nicht einfach abschaffen.

1. März 2007

Krawalle in Kopenhagen

Die alternative Szene ist in der dänischen Hauptstadt von jeher wesentlich ausgeprägter gewesen als in Schweden. In den achtziger Jahren besuchte ich die "freie Stadt" Christiania inmitten Kopenhagens, wo viele versuchten, ein linksalternatives Leben zu führen. Neben ernsthaften und seriösen Versuchen gab es in Christiania leider immer auch unverhältnismäßig viele Drogen.

Heute nun gibt es in Kopenhagen handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Bereits 60 Jugendliche wurden vorläufig festgenommen.

Anlass: Um sieben Uhr früh begann die Polizei das Jugendhaus im Stadtteil Nörrebro zu räumen.

Momentan ist die Lage ungewiss. Die Polizei hat zusätzliche Verstärkung aus anderen Polizeibezirken angefordert. Auf der Torvegade brennt eine Barrikade aus Containern. Über der freien Stadt Kristiania sind schwarze Rauchwolken zu sehen, berichtet der Korrespondent der schwedischen Nachrichtenagentur TT.

In den vergangenen sechs Monaten hatte es immer wieder Ärger über das Jugendhaus gegeben. Das Haus war an eine Freikirche verkauft worden und soll abgerissen werden.

Aus Angst vor Demonstrationen vor der dänischen Botschaft in Stockholm wurde deren Bewachung verstärkt.

Mehr dazu und auch Bilder und Videos auf der Homepage des dänischen Fernsehens...