30. April 2007

Walpurgis-Feiern: 75 Festnahmen in Uppsala, sonst so unruhig wie immer

Traditionell wird in Schweden Walpurgis gefeiert - hierzulande heisst das Valborgsmässoafton. Traditionell hat die Polizei an diesem Feiertag besonders viel zu tun. Trunkenheit, Schlägereien, Körperverletzung.

DIE Hochburg für den "valborgsmässoafton" ist Uppsala. Aus der traditionsreichen Universitätsstadt werden am Abend schon 50 Festnahmen gemeldet. Und wie gewöhnlich sind viele der festgenommenen Trunkenbolde minderjährig, die jüngsten seien 14 gewesen schreibt Expressen in seiner Internetausgabe.

Ansonsten ist es relativ ruhig, die Polizei in Dalarna hat noch niemanden einkassieren müssen, Aussentemperaturen von lediglich sechs Grad mögen dabei unterstützend gewirkt haben.

Am Morgen danach zieht die Polizei Bilanz und stellt fest, dass es so unruhig wie immer in den vergangenen Jahren zu "valborg" war. In allen Landesteilen mussten Jugendliche in Ausnüchterungszellen, in Stockholm musste eine Einrichtung hierfür schon relativ früh wegen Überbelegung geschlossen werden.

In Lund, Göteborg, Västerås und Sandviken wurden junge Frauen vergewaltigt, der festgenommene Tatverdächtige in Västerås ist gerade mal 15 Jahre alt. Da er auch alkoholisiert war, braucht er kaum strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten.

Unruhen in Tallinn

Es war ein Missverständnis, dass die estnische Regierung ihre Unzufriedenheit über Schwedens mangelnde Unterstützung bei den aktuellen Vorfällen in Tallinn ausgedrückt hat.

So äussert sich heute Ethel Halliste, die Sprecherin des estnischen Aussnministeriums gegenüber der Presse.

Aussenminister Urmas Paet wies alle Äusserungen zurück, dass der Abbau der umstrittenen Bronzeskulptur im Stadtzentrum ein Fehler gewesen sei.

Das ist sein gutes Recht. Und natürlich sind die Äusserungen aus Moskau, die scharf und kompromisslos Estland kritisieren auch auf dem Hintergrund zu sehen, dass Moskau sich in letzter Zeit sehr nationalistisch gibt und der Vorfall in Tallinn ein mehr oder minder willkommener Anlass zu Stärkedemonstrationen ist.

Dennoch muss sich auch Urmas Paet gefallen lassen, dass man die Aktion in Frage stellt. Das gehört zu den Spielregeln demokratischer Gesellschaften.

Die Proteste von Teilen der immerhin 28% starken russischen Minderheit nehmen das Siegerdenkmal des bronzenen Soldaten lediglich zum Anlass ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, dass die Situation der Minderheit nicht befriedigend ist. Verständlich ist auch, dass die Mehrheit der Esten das Denkmal als ein Symbol der Besatzung ihres landes durch sowjetische Truppen empfand und empfindet.

Viele Russen in den baltischen Republiken fühlen sich benachteiligt und als Bürger zweiter Klasse. Knapp zwei Wochen vor den Feierlichkeiten zum Sieg im Grossen Vaterländischen Krieg das Denkmal abzubauen, ist eine Provokation. Dass man natürlich nicht gewaltsam demonstrieren darf, versteht sich ebenfalls von selbst.

Man kann aber nur hoffen, dass das Thema der Situation der russischsprachigen Minderheiten offen und vorbehaltlos diskutiert wird und dass es in Kürze zu Verbesserungen kommt. Sonst wird sich bald andernorts oder am selben Ort schnell wieder ein Anlass für Konflikte finden, der im Grunde nur Ventil für eine allgemeine Unzufriedenheit ist.

Unterdessen wurde die Bronzeskulptur heute auf einem Kriegsfriedhof wieder aufgestellt. Kritik am Verhalten der estnischen Regierung äusserte auch der Soziologe Juhan Kiviräkh, der der Regierung von Ministerpräsident Andrus Ansips vorwarf, man habe vor der Aussenwelt Bilder von "Abschaum" produzieren wollen, mit dem man nicht verhandeln könne. In der Tageszeitung Eesti Päevaleht verlangte Kiviräkh gar den Rücktritt der Regierung.

Die estnische Botschaft in Moskau wurde den ganzen Montag von russischen Demonstranten belagert. Es wurden Steine geworfen und die estnische Regierung kritisierte die unzureichende Sicherheit. Die Sicherheitstruppen OMON des russischen Innenministeriums mussten eine schwangere Frau aus der Botschaft in Sicherheit bringen.

Die Eskalation muss unbedingt gestoppt werden. Hier haben beide Länder eine grosse Verantwortung. Estland hat heute das Kriegsdenkmal wieder der Öffentlichkeit zurückgegeben, wenn auch an einem anderen Ort. Russland sollte alles tun, damit nationalistsiche Kräfte nicht die Angelegenheit unbotmässig ausnutzen.

29. April 2007

Karlstad


Zurück in Stockholm nach anderthalb Tagen in Karlstad, der Hauptstadt Värmlands zwischen Stockholm und Oslo gelegen.

Das Stadshotellet, in dem ich seit einigen Jahren immer absteige, wenn ich hier bin, ist ein imposanter Bau aus dem Jahr 1870 und liegt direkt am Klarälven, der hier ruhig und beinahe gemütlich wirkt auf seinem Weg in den Vänern-See.

Mit seinen endlosen Fluren wirkt das Hotel gigantisch, fast zu gross, für eine Stadt dieser Grösse und es kommt wirklich beinahe auf jeder Ansichtskarte von Karlstad vor...

27. April 2007

Keine Bibeln mehr

Die Hotelkette Scandic hat beschlossen, in ihren Hotelzimmern keine Bibeln mehr breitzulegen.

Die Nachricht ist etwa zwei Wochen alt, aber ich stosse darauf, weil ich diesen Post aus dem Stadshotellet in Karlstad schreibe, das der Kette Best Western angehört und ich hier die Bibel in der rechten oberen Schreibtischschublade gefunden habe.

Göran Skytte hatte am 14. April einen Artikel in Svenska Dagbladet geschrieben. Skytte ist der Ansicht, dass Scandic nun eine Grenze überschritten habe. Man könne in Schweden ungestraft Kübel von Hohn, Kritik und Spott über das Christentum ausgiessen, aber nun, so ist er überzeugt, würden christliche Geschäftsleute beginnen, die Hotels der Kette zu boykottieren.

Moment mal.

Natürlich ist dieses Blog auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung und dazu gehört Religionsfreiheit. Ich lasse mich gerne belehren, aber wie viele Geschäftsleute, Urlauber lesen des Abends in ihrem Hotelzimmer oder vorm Frühstück noch einmal schnell ein paar Bibelverse? Vielleicht bin ich als nichtpraktizierender Christ da auch unsensibel.

Das mediale Angebot von Hotelzimmern ist in der Tat bizarr - da haben wir einerseits die Bibel und andererseits auf dem Fernseher das Klappschild mit dem Angebot, erotische Filme für nur 95 Kronen anzuschauen- bis 12 Uhr am nächsten Tag.

Die Minibar bietet mir ein Glas Rotwein zur Bibellektüre und ein Bier zum Porno.

Zum Schluss: Mir persönlich ist es völlig egal, ob in Hotelzimmern Bibeln ausliegen. Mich beleidigt es nicht und auch Andersgläubige sollten den Umstand ignorieren können. Ob aktive Christen unbedingt Bibeln in Hotelzimmern brauchen, weiss ich nicht, ich bezweifle es.

Ich für mein Teil verlasse jetzt das Hotelzimmer und gehe ein Bier trinken.

25. April 2007

Umeå marschiert

Vor der Saison hatte man Linköping als einen der Hauptkonkurrenten von Umeå IK um die schwedische Frauenfussballmeisterschaft auserkoren.

Nach drei Spieltagen ist Linköping mit drei Niederlagen Tabellenletzter und Umeå führt mit 9:0 Toren und 9 Punkten das Feld wieder souverän an. Lediglich LdB FC Malmö ist ebenfalls noch ohne Punktverlust.

Das vermeintliche Spitzenspiel gewannen die Nordschwedinnen durch zwei Tore von Neuzugang Madeleine Edlund (früher Sunnanå) mit 2:0 in Linköping.

Beeeindruckend auf der Seite von Linköping lediglich die Zuschauerzahl: 3210.
Durch den gleichzeitigen Punktverlust (1:1) von Vizemeister Djurgården bei Sunnanå (Torschützin für die Stockholmerinnen war Deutschlands Weltmeisterin Ariane Hingst) ist es den beiden Spitzenteams gelungen, sich etwas abzusetzen.

Göteborgs gestrige klare 0:3 Niederlage in Örebro (Hattrick durch die eingewechselte Emma Erixon) hat einen weiteren Aussenseiterkandidaten straucheln lassen. Schwedens Fussballerin des Jahres, Lotta Schelin (Götebrog), war offenkundig noch müde von der anstrengenden Reise nach China, wo sie in einer Weltelf spielen durfte.

Und noch was Schönes

Die Mehrheit der Schweden hat die Europäsiche Union nie geliebt. Man ist mehr aus wirtschaftlichen Erwägungen beigetreten vor 12 Jahren und in den letzten Jahren merkte man vor allem bei jungen Menschen eine grosse Skepsis gegen die EU.

Teils liegt das daran, dass Schweden ein kleines Land ist und Angst vor Fremdbestimmung hat, andererseits glauben viele Schweden, dass sie im besten Land der Welt leben und europäische Standards annehmen bedeuten könne, dass man sich eigentlich verschlechtern müsse.

Eine frische Untersuchung der Universität Göteborg zeigt nun, dass die Volksmeinung Europa gegenüber sich gewandelt habe. Professor Sören Holmberg sagte, dass heute 43% der Schweden für und nur 31% gegen die EU seien. Damit hat sich Schweden vom negativsten aller Mitgliedsländer auf Rang 18 von 27 hoch gearbeitet.

Ich finde, das ist eine gute Nachricht.

100

200 Posts habe ich in diesem Blog bisher geschrieben. 100 Jahre alt ist heute meine Grossmutter geworden und 100 Kronen erhielt der kleine Adam in Solna von keinem Geringeren als dem schwedischen Justizkanzler, dem höchsten Juristen des Landes.

Adam hatte vor zwei Jahren einen eigentlich wertlosen Ring auf der Strasse gefunden und ihn bei der Polizei abgegeben. Nun bekam der Junge einen Brief vom Justizkanzler, der sein Verhalten ausdrücklich lobt und ihm dafür 100 (in Worten: einhundert) Schwedenkronen zuspricht.
Adam bleibt gelassen und kündigte an, er werde das Geld auf sein Sparbuch bringen...

Das ist doch mal eine schöne Nachricht.

24. April 2007

Nein, sagt Malmström

Cecilia Malmström, die in den unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung vom Vorsitzenden der schwedischen Liberalen Lars Leijonborg einsetzenden Nachfolgediskussionen als Mitfavoritin genannt wurde, hat laut "nein" gesagt: "Ich sage das, was ich schon früher gesagt habe, ich will nicht Parteivorsitzende werden," erklärte die EU-Ministerin heute.

Malmstrm ist Mutter von 2-Jährigen Zwillingen, ein Grund für sie, die Frage nach dem Vorsitz abzulehnen.

Damit wird scheinbar Schulminister Jan Björklund, vor Jahresfrist noch Oppositionspolitiker mit dem Fachgebiet Bildung im Stockholmer Stadtrat, immer mehr zum einsamen Favoriten. 38% der Leser von Svenska Dagbladet sprachen sich in einer nichtrepräsentativen Umfrage auf der Homepage der Zeitung für Björklund aus.

15% sprachen sich für die 38-Jährige Integrationsministerin Nyamko Sabuni aus, die damit hinter Björklund und Malmström Platz drei belegte. Sabunis Berufung für eine Kandidatur wäre allerdings genial: Damit würde man ein Zeichen gegen den Rechtsruck setzen, dem die Partei in den vergangenen Jahren durch populistische Kampagnen Leijonborgs ausgesetzt war. Allerdings kann man Sabuni kaum zu einer Kandidatur raten. Denn auch Schweden ist noch längst nicht so weit, dass eine dunkelhäutige Frau mit einem afrikansichen Namen sich ungefährdet als Parteivorsitzende in der Öffentlichkeit bewegen könnte. Gleichwohl ist es eine verlockende Vorstellung. Sabuni ist hochintelligent, eine glänzende Rhetorikerin, sie ist jung, ehrgeizig und sie hat eine sehr gute Medienpräsenz. Insofern würde sie wirklich Farbe in die schwedische Politik bringen im Gegensatz zu dem eher grau-langweiligen Björklund.

Aber alle Genannten, Malmström, Sabuni und Björklund haben kleine Kinder und müssen im Zweifelsfall abwägen, ob das etwaige Amt mit der Familie vereinbar ist.

"Niemals allein - immer allein" - Lars Leijonborg tritt zurück

Am Montag hat der Vorsitzende der liberalen Volkspartei Lars Leijonborg seinen Rückritrtt bekannt gegeben. Er wird seinen Posten aber erst Anfang September beim nächsten Parteitag in Västerås räumen.

Nicht erst seit der Affäre um das unrechtmässige Eindringen in das Intranet der Sozialdemokraten im Wahlkampf 2006 steht Leijonborg im Kreuzfeuer der Kritik.

Seit 1997 steht er der Partei vor und hat die Liberalen in dieser Zeit ein ordentliches Stück nach rechts rücken lassen. Sprachliche Forderungen an Einwanderer, härteres Zugreifen in der Schule, all das ist auf Leijonborgs Mist gewachsen und brachte ihm 2002 im Wahlkampf Erfolge ein. Inzwischen aber sind viele der damaligen Wähler entweder zum Original, den Schwedendemokraten übergelaufen oder aber sie haben sich für Fredrik Reinfeldts "neue" Moderaten entschieden.

Die Intranetaffäre hatte das Fass für viele zum Überlaufen gebracht. Göran Persson hat in den Interviews mit Erik Fichtelius über seine Situation "Niemals allein, immer allein" gesagt. Das gilt genauso für Lars Leijonborg und alle, die in Toppositionen der Macht gelangen. Mitleid muss man deshalb nicht mit ihnen haben.

Als Nachfolger ist vor allem Schulminister Jan Björklund im Gespräch, aber auch Cecilia Malmström wird immer wieder als Kandidatin genannt.

23. April 2007

Neues Gesetz soll Pädophile stoppen

Endlich will Schweden dem Beispiel Grossbritanniens folgen und es unter Strafe stellen, wenn Erwachsene mit sexuellen Absichten unter falscher Identität Kontakt mit Kindern im Internet aufnehmen.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird heute Justizministerin Beatrice Ask (m) vorgelegt. Einer Untersuchung des Rats zur Vorbeugung von Verbrechen (BRÅ) zufolge, gaben bei einer Untersuchung 50% aller befragten Mädchen in der neunten Klasse an, dass sie im Internet schon einmal von Männern wegen sexueller Dinge angesprochen worden seien.

Der schwedische Entwurf geht weiter als der britische, in dem er bereits die Kontaktanbahnung, die meistens unter vorgetäuschter Identität eines mit dem Kind Gleichaltrigen geschieht, schon unter Strafe stellen wird.

Eine sehr gute Initiative. Allerdings dürfte die Zahl der Straftaten, die in Schweden begangen werden, so immens hoch sein, dass man sich fragen muss, wie die Strafverfolgung in der Praxis aussehen soll. Grooming, wie der Straftatbestand im Englischen heisst, ist so umfassend, dass die schwedische Polizei mit ihren bescheidenen Ressourcen wohl kaum von den STraftätern ernst genommen werden muss.

Heute arbeiten schon viel zu wenige schwedische Polizisten gegen Kinderpornographie im Internet. Ein weiteres eminentes Problem ist juristischer Natur: Es wird sehr schwer zu beweisen sein, dass sexuelle Absichten vorliegen. Man braucht die lückenlose Zusammenarbeit aller Chatseiten für Jugendliche und Kinder von Lunarstorm und Habbo und so weiter.

UUnd man braucht empfindliche Strafmasse für Verbrechen dieser Art.

Eltern müssen nicht mehr nur um ihre Kinder fürchten, wenn sie auf dem Hof oder in der Nachbarschaft spielen, sondern auch, wenn sie in ihrem eigenen Zimmer sitzen. Ich kann allen Vätern und Müttern nur raten, unbedingt darauf zu achten, auf welchen Internetseiten ihre Kinder surfen. Wenn es interaktive Portale sind, auf denen man mit anderen kommunizieren kann, sollte man dringlichst mit dem Kind Zeit vor dem PC verbringen und es über alle Gefahren aufklären. Manche Eltern verbieten solche Seiten einfach oder sperren den Browser des Computers, das geht natürlich auch.

22. April 2007

Schwere Schwedengruppe

Bei der Auslosung für die Fussballweltmeisterschaft der Frauen in China haben die Schwedinnen eine der denkbar schwierigsten Konstruktionen erwischt. Gegnerinnen in der Vorrunde im September sind Nigeria, die USA und Nordkorea.

Die US-Damen übernahmen kürzlich von Welt- und Europameister Deutschland Rang 1 der FIFA-Weltrangliste. Seit 40 Begegnungen haben die Amerikanerinnen nicht verloren. Die letzten beiden Begegnungen mit den Schwedinnen wurden jeweils 3:2 gewonnen. Nordkoreas Auswahl gewann 2006 die Juniorinnenweltmeisterschaft in Russland und Nigeria ist amtierender Afrikameister.

Einziger Trost ist Nationalcoach Thomas Dennerbys lakonische Feststellung, dass man 2003 exakt dieselbe Gruppe gehabt hätte. Damals erreichten die Frauen um Victoria Svensson das Finale und verloren durch Nia Künzers Golden Goal mit 1:2 gegen Deutschland.

Sollten die Blaugelben sich in der Gruppe als Zweite hinter den USA durchsetzen, könnte es im Viertelfinale bereits eine Neuauflage des WM-Finales von 2003 geben, wenn nämlich Deutschland wie erwartet Gruppensieger wird.

Bei der WM in China dürften die USA Topfavorit sein. Zum erweiterten Kreis sind Deutschland, Norwegen und Schweden zu zählen. Aussenseiter, die man nicht unbeachtet lassen darf sind Nordkorea, Brasilien und Gastgeber China. In jedem Fall kann man ein äusserst spannendes und hochklassiges Turnier erwarten. Die Spitze im Frauenfussball hat sich enorm verbreitert und Schweden hat nach wie vor die beste Liga der Welt, in der viele ausländische Stars spielen.

Hammarbyfrauen noch sieglos


Auch im dritten Spiel gab es keinen Sieg für die Frauen von Hammarby. Im Heimspiel gegen LdB Malmö FC setzte es eine bittere 1:3 Niederlage. Knapp 500 Besucher am Kanalplan sahen eine Galavorstellung der Isländerin Asthildur Helgadottir, die alle drei Tore für die Gäste erzielte.

Bei den Gastgeberinnen musste Supertalent Louise Fors nach einer halben Stunde das Spielfeld verletzt verlassen. Die schnellen Spitzen Jessica Landström und Sara Johansson hatten kein Rezept gegen die sicher stehende Abwehr der Gäste, die erst vorletzte Woche den Vereinsnamen wechselten. Aus Malmö FF wurde LdB Malmö FC - damit verbunden ein für den Frauenfussball einmaliger Sponsorenvertrag, der mit ca. 2,5 Millionen € für drei Jahre dotiert ist.

Auf dem Foto: Asthildur Helgadottir vor dem von ihr verwandelten Foulelfmeter.

Keine Debatte mit Reinfeldt

Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt erklärte am Samstag, dass er nicht daran denke, mit dem Vorsitzenden der rechtspopulistischen Sverigedemokraterna eine Fernsehdebatte zu führen.

"Er soll nicht einen Millimeter mehr Aufmerksamkeit bekommen, sondern der Ausgangspunkt muss sein, die gesellschaftlichen Probleme sichtbar zu machenund etwas gegen sie zu tun, von denen seine Partei profitiert auf der Grundlage einer perversen Sicht worin diese Probleme sich begründen," sagte Reinfeldt am Rande eines Treffens seiner Partei in Göteborg.

Vorher hatten Vertreter der Liberalen, seiner eigenen Partei wie auch die Vorsitzende der Sozialdemokraten mit Jimmie Åkesson im Fernsehen debattiert.

Die Erklärung von Fredrik Reinfeldt ist zu begrüssen. Es geht nicht darum, die Probleme einer gescheiterten Integrationspolitik an den Menschen festzumachen, die hier eingewandert sind. Es geht vielmehr darum, dafür zu sorgen und dazu beizutragen, dass sich Dinge zum Besseren für die Bewohner dieses Landes, unabhängig davon, welche Haar- oder Hautfarbe oder welche Religion sie haben, zu verändern. Das muss von den demokratischen Parteien des Landes getan werden und nicht von Parteien, die einzelne Bevölkerungsgruppen zu Sündenböcken erklären.

21. April 2007

Aus- und Fortbildung für Lehrer

Gestern morgen sah ich im Internet die Pressekonferenz von Bildungsminister Lars Leijonborg und Schulminister Jan Björklund über das Programm "Lärarlyft" der schwedischen Regierung.

Bis 2010 will man insgesamt 3,5 Milliarden Kronen in die Aus- und Weiterbildung von Lehrern investieren. Die staatliche Schulbehörde Skolverket erhält den Auftrag, dieses Programm zu administrieren.

Lehrer können sich ab Anfang 2008 ein Semester lang vom Schuldienst beurlauben lassen und bei einem Gehalt von 80% an einer Universität oder Hochschule ihre pädagogische und fachdidaktische Kompetenz auf den neuesten Stand bringen.

In Zukunft will man untersagen, dass an den Schulen des Landes Lehrer ohne formale Ausbildung angestellt werden. Die Zahl der unausgebildeten Lehrer ist relativ hoch, allerdings muss man berücksichtigen, dass die meisten unausgebildeten Lehrer in den berufsvorbereitenden Zweigen des Gymnasiums tätig sind. Es sind oft durchaus Fachkräfte, die angehende Friseusen, Köche und KFZ-Mechaniker unterrichten, ihnen felt aber die pädagogische Ausbildung hierfür.

Grundsätzlich ist die Initiative zu begrüssen, denn Fortbildung ist ein wichtiges Gut in einer Gesellschaft, die im Wesentlichen auf Wissen zur Erhaltung und Vermehrung des Wohlstands angewiesen ist. In Deutschland hat es in dieser Richtung auch die eine oder andere Novelle gegeben, Fortbildung dort ist aber oft noch aus der eigenen Tasche zu bezahlen und findet demnach nicht statt in einem System, in dem man als beamteter Lehrer ohnehin ausgesorgt hat.

Hier nähern wir uns einem wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Ländern. Der Lehrerberuf in Schweden ist sehr schlecht bezahlt. Nach einem jahrelangen Studium, das fur viele erhebliche Studienschulden, die verzinst werden, mit sich bringt, arbeiten viele Lehrer mit Gehältern zwischen 20 und 25.000 Kronen brutto. Zwar ist neuerdings ein Trend zu verzeichnen, das viele Gemeinden höhere Eingangsgehälter zahlen - das Lebenseinkommen eines Lehrers ist aber vergleichsweise gering. Es gibt wenig Anreize.

Im Segment der Fremdsprachenlehrer hat das dazu geführt, dass man die angehenden Deutsch- oder Französischlehrer im ganzen Land an wenigen Händen abzählen kann. Besser sieht es für Englisch aus, aber auch hier haben manche Universitäten Einbrüche von bis zu 50% zu verzeichnen.

Mit anderen Worten: Es genügt nicht, allein auf die Aus- und Weiterbildung zu setzen. Das grösste Zukunftsproblem der schwedischen Schule wird der zu erwartende Lehrermangel sein - wenn es kaum noch Studenten gibt, die die formalen Qualifikationen für den Lehrerberuf erwerben, schneidet man sich mit dem Verbot der Anstellung von unausgebildeten Lehrern ins eigene Fleisch.

Leijonborg und Björklund sollten alles tun, um den Beruf attraktiv zu machen. Das geschieht im Wesentlichen durch die Vergütung. Es genügt beileibe nicht, Lehrern zu erlauben, Mobiltelefone von Schülern zu beschlagnahmen oder im ersten Schuljahr wie in Stockholm bereits notenähnliche Beurteilungen schreiben zu dürfen.

Kritik an Mona Sahlin

Vorgestern hatte Mona Sahlin an einer Fernsehdiskussion mit dem Vorsitzenden der rechtspopulistischen Sverigedemokraterna Jimmie Åkesson teilgenommen.

Gestern hagelte es Kritik an der 50-Jährigen aus den eigenen Reihen. Ilmar Reepalu, Bürgermeister in Malmö: "Wir sollten nicht in dieser Art Format auftreten, wo die wie eine grosse Partei behandelt werden. Ich weiss nicht, was eine entsprechende Werbekampagne für diese Partei gekostet hätte. Die müssen jetzt sehr zufrieden sein."

Reepalu kündigte an, nächste Woche Freitag bei der Sitzung des Parteivorstands offiziell Beschwerde einzulegen.

Auch der Vorsitzende der Linkspartei Lars Ohly äusserte Kritik. Er ist der Meinung, dass man Debatten dieser Art nicht gewinnen kann, da sie ihre Auffassung der Wirklichkeit zur Grundlage jeder politischen Frage machen würden.

Die Sprecherin der Grünen Maria Wetterström ist der gleichen Meinung wie Reepalu und Ohly. Sie hat eine entsprechende Anfrage bereits abgelehnt.

Unterdessen suchen Serigedemokraterna weiterhin nach einem Lokal für ihren Parteitag. Nachdem in Schweden alle Anfragen abschlägig beschieden worden waren, hatte man es in Dänemark versucht - nun sagte aber auch das Hotel Hvide Hus in Kopenhagen nein zu der Anfrage aus Schweden. Man habe grundsätzliche Sicherheitsbedenken, sagte Hoteldirektor Martin Dyrholm. Die Partei erwägt nun, das Hotel wegen der kurzfristigen Absage auf Schadenersatz zu verklagen.

In den letzten Wochen haben die Rechtspopulisten, deren wichtigste Wahlfrage das "Ausländerproblem" ist, ungeheuer viel Publizität in den Medien erhalten. Das verdeutlicht die Unsicherheit der etablierten Parteien ebenso wie die Unsicherheit der Medien mit der Tatsache umzugehen, dass erstmals in der schwedischen Geschichte eine eindeutig ausländerfeindliche Partei auf dem Weg ins Stockholmer Parlament zu sein scheint. Die medienwirksame, kostenlose Kampagne trägt in der Tat stark dazu bei, den Schwedendemokraten den Weg in den Reichstag zu bahnen.

20. April 2007

Frauen lügen nicht

"Wir glauben den Frauen ja." Diesen Satz hört man immer wieder vor dem Amtsgericht in Eksjö in diesen Tagen.
Angeklagt sind Frauen, drei Mitarbeiterinnen eines Frauenhauses und eine Schulrektorin.

1998 verliert eine Mutter vor dem Amtsgericht in Östersund das Sorgerecht um ihre beiden Söhne. Statt dem Vater die Kinder jedoch zu überlassen, nimmt sie ihre Kinder und flieht. Nach Tranås, wo sie bei den Frauen vom Frauenhaus Zuflucht findet. Wie schon in Östersund behauptet sie, dass der Mann die beiden Söhne sexuell missbraucht hat. In Östersund war das Verfahren mit dieser Anklage gegen den Vater eingestellt worden. Nach zahlreichen Gesprächen mit den Kindern hatte sich herausgestellt, dass die Mutter den Vater zu Unrecht angeklagt hatte, um dessen Umgang mit den Kindern zu verhindern.

Die Frauen in Tranås glauben ihrer Geschlechtsgenossin. Sie helfen der Frau, sich mit irhen beiden Söhnen zu verstecken. Unter falschem Namen können die Kinder eine Schule besuchen. Die Rektorin macht es möglich. In sechs Jahren gibt das Frauenhaus mehr als 200.000 Kronen für die Frau aus.

Unterdessen sucht die Polizei in Östersund nach der flüchtigen Frau, die ihre Kinder der Sorge ihres Mannes entzogen hat. "Eigenmächtigkeit mit Kindern", heisst das Vergehen.

Schliesslich nach sechs Jahren, in denen die Kinder ihren Vater, der rechtmässig das Sorgerecht erhalten hatte, nicht gesehen haben, beginnt die Frauenfront zu bröckeln. Die Rektorin Agneta Melner ist sich inzwischen fast sicher, dass man der Frau nicht hätte glauben sollen. Sie schreibt einen anonymen Brief an die Polizei in Östersund. Die Frau wird festgenommen, zu zehn Monaten Haft verurteilt. Der Vater darf seine Kinder nach sechs Jahren wiedersehen. Die Söhne sind sechs Jahre älter, sie sind einander fremd geworden.

Nach dem Haftaufenthalt wohnen die Kinder wieder bei der Mutter. Der Vater in Nordschweden. Ab und an dürfen die Kinder den Vater besuchen. Die Mutter hat gewonnen. Die Kinder den Vater verloren.

Jetzt stehen die vier Frauen vor Gericht. Im Saal jeden Tag viele Frauen mit lila T-Shirts. Unterstützerinnen aus dem Frauenhaus.

Die Wirklichkeit ist, dass jeden Tag in Schweden Frauen misshandelt werden. Kinder werden missbraucht. Natürlich ist es wichtig, dass es Zufluchtsorte gibt. Allerdings müssen such sie sich innerhalb der Rechtsordnung bewegen. Der Vater hat seine Kinder nicht sexuell missbraucht, die Anklagen waren falsch. Zu diesem klaren Entschluss sind die Behörden nach eingehender Prüfung gekommen.

Da ist es beschämend und billig, wenn in manchen Blogs einfach behauptet wird, dass es grundsätzlich schwer sei, Fälle von Inzest zu beweisen und die Frau schon richtig gehandelt habe.

In diesem Fall gibt es ein klares Gerichtsurteil. Wenn für Fraueninitiativen nicht einmal mehr die Rechtssprechung gilt, dann sind sie nicht mehr auf dem Boden der Demokratie. Zwei Kindern wurde aus offenkundigen Rachegründen der Vater von einer manipulativen Mutter genommen, das kommt in Schweden und anderswo täglich vor. Es wird höchste Zeit, dass wir uns mit diesem Phänomen beschäftigen.

Auch Frauen lügen, manche zumindest. Zu Lasten ihrer Kinder.

Mona Sahlin diskutiert mit Jimmie Åkesson

Nachdem bereits Politiker der liberalen Volkspartei und der moderaten Sammlungspartei mit dem Vorsitzenden der rechten Schwedendemokraten debattiert haben, tat dies gestern auch die neue Vorsitzende der Sozialdemokraten Mona Sahlin in der Sendung "Kvällsöppet" im vierten Programm.

Nach dem Gespräch erklärte Sahlin, für sie wäre das eine einmalige Angelegenheit gewesen. Nun bereite sie sich vor auf Debatten mit Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt und mit dem würde sie gerne dreimal pro Tag öffentlich debattieren.

Statt mit Politikern wie Åkesson zu diskutieren komme es jetzt darauf an, den Bewohnern der Vororte zum Beispiel in Landskrona (wo die Schwedendemokraten bei den Kommunalwahlen mehr als 25% bekamen) zu zeigen, dass dies eine Partei sei, die lediglich Ausländerfeindlichkeit als Programm verkörpere und im Grunde arbeiter- und frauenfeindlich sei.

"Die ganze Zeit kommt er immer zu den Einwanderern zurück, egal um welche Fragestellung es sich handelt und er wirft Zahlen um sich ganz im rechtspopulistischen Geist, als ob jede Debatte darum ginge, dass man Milliarden für etwas anderes ausgeben könne. Das ist eine gefährliche Taktik," sagte Mona Sahlin.

Jimmie Åkesson selbst entwickelte viele Argumente aus den Unruhen der letzten Tage in Malmö-Rosengård, einem Stadtteil, in dem hauptsächlich Migranten leben. Åkesson erklärte auch, dass es keine Diskriminierung von Ausländern auf dem Arbeitsmarkt in Schweden geben würde.

Die grundsätzliche Frage ist, ob man solche Debatten mit rechtspopulistischen Parteien führen sollte. Die Schwedendemokraten haben eine wesentliche politische Frage: Stop der Einwanderung nach Schweden und dann allmähliche Rückführung von nichtnordischen Immigranten in ihre Heimatländer.

Während es für Åkesson darum geht, die Meinung seiner Wähler zu festigen und das eine oder andere Prozent dazu zu gewinnen, haben die etablierten Parteien in der Regel Standpunkte zu allen Politikfeldern und wollen weite Teile der Bevölkerung erreichen. Folglich kann man in solchen Diskussionen eigentlich nur schlecht aussehen.

Denn im Prinzip geht es darum, was Mona Sahlin auch gestern gesagt hat: Man darf nicht den Immigranten die Schuld geben, sondern man muss die missglückte Integrationspolitik korrigieren. Zugunsten der Menschen, ungeachtet welche Haar- oder Hautfarbe sie haben oder an welche Religion sie glauben.

19. April 2007

Happyend für Metallica

Jetzt ist es amtlich. Vor ein paar Tagen berichtete ich hier an dieser Stelle, dass das Einwohnermeldeamt in Kungälv den Eltern eines sieben Monate alten Mädchens verbieten wollte, das Kind Metallica zu nennen.

Heute zogen die Behörden ihren Einspruch überraschend zurück.


Metallica Tomaro wird in dem Pass des Kindes stehen. Aus der ganzen Welt hatten sich Unterstützer bei den Eltern gemeldet, der Vater wurde von Rundfunkstationen in den USA und Norwegen interviewt.

Von der gleichnamigen Band kamen noch keine Glückwünsche.

Sofia Mattsson - "Schönste Ringerin"

Sofia Mattsson gewann gestern bei den Europameisterschaften der Ringerinnen die Bronzemedaille in der Klasse unter 48 Kilogramm Körpergewicht.

Nicht, dass mich das sonderlich interessiert hätte, aber der Veranstalter wollte auch die hübscheste Ringerin küren und entschied sich für die 17-Jährige aus dem lappländischen Gällivare.

Die Bulgaren hatten sich das so schön vorgestellt und rechneten nicht damit, dass das die sonst so besonnenen Schweden über derlei Chauvinismus zornesrot werden können.

"Das gibt es doch gar nicht. Da sitzen alte Männer und wollen bestimmen, wer am hübschesten ist. Das ist widerlich," sagte Schwedens Nationaltrainer Patrik Jansson der Zeitung Sportbladet.

Auch Sofia selbst war alles andere als angetan von der Auszeichnung und lehnte den Preis ab. Bei Ringerwettbewerben in Osteuropa ist es nicht unüblich, lediglich bei den Frauen die "Miss Ringen" zu küren. Bei den Männern findet ein solcher "Wettbewerb" nicht statt.

Tausende ohne Arbeitslosenversicherung

In Schweden zahlt man seine Arbeitslosenversicherung in eine Kasse ein. Die Regierung Reinfeldt hat die Kosten hierfür drastisch erhöht, die Leistungen für Arbeitslose dagegen drastisch gekürzt. Das schafft Arbeitsplätze, wenn man den Ministern Littorin und Reinfeldt glauben kann.

Der Blogger selbst zahlte bis Ende 2006 monatlich 268 Kronen für die Arbeitslosenversicherung und die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Seit Januar 2007 muss ich monatlich 460 Kronen bezahlen, eine Erhöhung um etwas über 70%.

Die grosse schwedische Angestelltengewerkschaft HTF meldet, dass 15.000 ihrer Miglieder nicht länger gegen Arbeitslosigkeit versichert sind, weil sie die drastisch erhöhten Beiträge nicht eingezahlt haben. Ca. 17.000 von 590 000 Mitgliedern der Kasse der Kommunalangestellten haben ihren Mitgliedsbeitrag für Januar noch nicht enrichtet und verlieren in diesen Tagen ihre Mitglieschaft.

Der Massenausmarsch aus den Arbeitslosenkassen kommt angesichts der fulminanten Erhöhung der Beiträge nicht unerwartet. Die Schwächung der Arbeitnehmerpositionen ist kalte Absicht einer Regierung, die vor allem für ihre eigene Klientel arbeitet. Zentrumsparteivorsitzende und Wirtschaftsministerin Maud Olofsson möchte so bald wie möglich als nächsten Punkt den Kündigungsschutz angreifen, um mehr schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Alexandramann

Atheer Al Suhairy stand gestern vor dem Oberlandesgericht, das zwar seine 12-Jährige Haftstrafe auf zehn Jahre senkte, aber es bleibt bei lebenslanger Ausweisung aus Schweden - in den Irak, den Al Suhairy als kleiner Junge verlassen hatte.

Auch das Revisionsgericht sah es als erwiesen an, dass sich Al Suhairy über mehrere Jahre als "Alexandra" in verschiedenen Internetforen mit Kindern und jungen Mädchen unterhalten hat. Er gab vor, ein Fotomodell namens Alexandra zu sein, erschlich sich so das Vertrauen der Heranwachsenden. Alexandra vermittelte dann den Kontakt zu einem männlichen Freund, Al Suhairy.

58 Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren hat "Alexandra" Al Suhairy innerhalb mehrerer Jahre sexuell missbraucht. Einige von ihnen haben Selbstmordversuche unternommen, viele sind immer noch in psychiatrischer Behandlung.

Der Prozess gegen den "Alexandramann" ist das umfassendste Sexualdelikt in der schwedischen Kriminalgeschichte.

Nach Verbüßung der Haftstrafe soll Al Suhairy in sein Heimatland Irak ausgewiesen werden.

Unverständlich, warum das Oberlandesgericht die Haftstrafe in einem besonders schweren Fall uzm zwei Jahre absenkt, unverständlich, warum al Suhairy nicht sofort in den Irak abgeschoben wird und seine Opfer und deren Angehörige zehn Jahre lang mit ihren Steuern den weiteren Aufenthalt eines Mannes finanzieren müssen, der nicht nur Körper geschändet, sondern vor allem Seelen auf unabhsehbare Zeit schwer geschädigt hat.

18. April 2007

Festnahme im Mordfall Ivanisevic

Im Fall der Ermordung des kroatischen Au-Pair-Mädchens Jelena Ivanisevic hat die Polizei in Göteborg gestern Abend eine Festnahme gemacht.

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 24-Jährigen ausländischen Staatsbürger, der sich seit einem jahr in Schweden aufhält und in einer anderen polizeilichen Ermittlung figuriert hat.

Nähere Angaben, in welcher Beziehung er zu der Ermordeten gestanden hat bzw. wie Jelena ums Leben gekommen ist, wollte die Polizei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht machen.

Nach Angaben von Polizeisprecherin Malin Sahlström erklärte der Mann, dass er mit dem Verbrechen nichts zu tun habe.

Bis spätestens Freitagmittag muss der Staatsanwalt einen Haftbefehl erwirken.

17. April 2007

Die Kluft wächst - Vom Haushaltsentwurf der Regierung profitieren allein die Besserverdienenden

Zweimal im Jahr spaziert der Finanzminister mit dem in blaugelber Schleife eingebundenen Haushaltsentwurf von seinem Ministerium zum schwedischen Reichstag, um den Parlamentariern vorzustellen, wo und wie die Regierung ökonomische Veränderungen durchführen wird.

Gestern stellte der aktuelle Amtsinhaber Anders Borg (m) das Budget der neuen Moderaten und ihrer Allianz vor.

Abschaffung der Vermögenssteuer, Abschaffung der Steuer auf Haus- und Grundbesitz und Einführung einer Pauschalsumme, weitere Verschärfung der Restriktionen gegen Arbeitslose. Gleichzeitig kündigte der Minister an, die Zinsen würden bis Ende 2008 auf 5,75% steigen, was besonders hart für Familien mit Kleinkindern ist, die sich in den letzten Jahren Häuser gekauft haben und Kredite abzahlen.

Fazit auch der bürgerlichen Presse:

Die klassischen Profiteure des Haushalts sind Hausbesitzer in Schwedens teuerster Gemeinde Danderyd mit hohen Einkommen. Sie haben ab Januar 2008 bedeutend mehr Geld in der Brieftasche, ca. 3.200 Kronen netto pro Monat.

Verlierer des Budgets: Arbeitslose, Alleinerziehende, Studenten, Rentner.

Borg verteidigte den Entwurf damit, dass durch die Steuererleichterungen für Besserverdienende Arbeitsplatze geschaffen würden.

Dabei ist die von ihm und seinem Chef Reinfeldt und den Bundsgenossen Leijonborg (fp), Hägglund (kd) und Olofsson (c) katastrophal für das Land.

Die Abschaffung der Haus- und Grundstückssteuer entlastet zwar sehr viele Familien, die sich das Eigenheim so gerade leisten konnten. Dass man stattdessen eine Einheitsgebühr von höchstens 4.500 Kronen festsetzt, führt jedoch zu massiver Ungerechtigkeit. Egal ob das eigene Haus in Västerbottens Inland steht und ca. 450.000 Kronen wert ist oder aber auf Lidingö, wo man für dasselbe Haus 5 Millionen verlangen kann, es wird über einen Kamm geschoren.

Die Preise für Häuser in attraktiven Gebieten wie Stockholm und Göteborg auf einem ohnehin schon völlig überhitzten Wohnungs- und Häusermarkt werden weiterhin steigen.
Die eher wertlosen Eigenheime in den dünner besiedelten Gebieten werden weiter im Wert sinken. Regionalpolitisch ein schlimmer Fehlgriff. Dass ausgerechnet die Nordscwhedin Maud Olofsson mit ihrer ländlichen Zentrumspartei eine Politik begünstigt, die die Kluft zwischen Stadt und Land weiter wachsen lässt, ist erstaunlich.

Die avisierten Zinserhöhungen bedeuten für Familien des Mittelstands eine Erhöhung der Kosten für einen Kredit von 1 Million um knapp tausend Kronen im Monat. Das Wohnen im eigenen Heim wird für viele dann nicht mehr zu schaffen sein. Und wenn sie verkaufen müssen, dann werden sie für den Gewinn statt bislang 20 sogar 30% Gewinnsteuer zahlen müssen.

Wer reich ist, wird noch viel reicher werden, auf die Arbeitslosen, die Armen und sozial Schwachen wird Druck gemacht und auch Teile des Mittelstands werden in Bedrängnis geraten.

Borgs gestrige Äusserung, dies sei ein guter Tag für Schweden zeigt entweder sein politisches Unvermögen oder eine beängstigende Form von höhnischem Zynismus.

Unruhen in Rosengård

Viele deutsche Touristen fahren nach Schweden der Idylle wegen. Sie suchen nach Bullerbü, Saltkråkan, verträumten Seen, dichten Wäldern, der Mitternachtssonne und unbedingt muss man einen Elch gesehen haben, bevor man nach Bitterfeld und Castrop-Rauxel zurückkehrt.

Und daheim geht es einmal im Monat zu IKEA, um richtig schwedische Köttbullar zu essen, mit Sahnesosse und Preiselbeeren und den Kindern oder Enkeln kauft man eine Packung Polkagrisar.

Schweden ist aber schon seit langem ein Einwanderungsland. Und leichter als Bullerbü zu finden sind die Vororte der drei grossen Städte, in denen der Migrantenanteil weit¨über 70% liegt. Soziale Brennpunkte werden diese Trabantenstädte oft genannt, in letzter Zeit wird der Vorort aber auch in populären Kinofilmen romantisiert.

In Stockholm gibt es Husby, Rinkeby, Tensta, Flemingsberg, Skärholmen. In Göteborg Angered und nicht zuletzt Hisingen, einem Stadtteil in dem in einer 1998 Diskothek 63 Jugendliche bei neinem der schlimmsten Brände der Nachkriegsgeschichte starben.

Kein Stadtteil gilt aber so problembeladen wie Rosengård in Malmö. Heimat des inzwischen bei Inter Mailand kickenden Fussballsuperstars Zlatan Ibrahimovic, Zlatan, der res geschafft hat, hier rauszukommen und reich zu werden.

Jetzt macht Rosengård täglich Schlagzeilen, die Angst verbreitet sich unter der Lokalbevölkerung und den Politikern, dass die Unruhen aus den französischen Vororten mit brennenden Autos und gewalttätigen Krawallen auch Schweden erreichen könnten.

Am Wochenende wurden nachts mehrere Müllhäuschen angezündet. Die anrückenden Feuerwehrleute wurden von Jugendlichen mit Steinen und Eiern beworfen. Auch gestern brannte es wieder an mehreren Stellen und erneut wurde die Feuerwehr attackiert.

Unterschiedlich die Versionen, wie das Ganze angefangen hat. Da geht es einmal angeblich um fussballspielende Jugendliche, die vertrieben werden sollten und daraufhin Steine warfen. Die Polizei sagt, sie wäre zu einem Einsatz gerufen worden, weil ein Mann mit einem Schwert Kinder verfolge - als sie gekommen waren, wäre jedoch niemand zu sehen gewesen, dafür wurden sie aber mit Steinen attackiert.

Die 14-16-Jährigen Schüler der Rosengård-Schule behaupten, die Polizei hätte alles angefangen, weil ein Polizist seine Waffe gegen Kinder gezogen hätte. Leider gibt es inzischen mehrere Zeugenaussagen von unterschiedlichen Personen, die die Geschichte mit der Pistole bestätigen.

Viele sind sauer, das jetzt so viel über Rosengård geschrieben wird. "Sobald was passiert, kommen die Journalisten. Aber niemand kommt hierhin, um über die heruntergekommenen Häuser, die mit Graffiti bespritzten Treppenhäuser, über die Grünflächen, um die sich niemand kümmert und über die kaputten Spielplätze zu schreiben," sagt ein alter Mann.

Jetzt sind Presse und Rundfunk in Rosengård. Wenn es ruhiger wird, dann gehen sie wieder. Und dann sind die Einwohner wieder unter sich. Und Touristen finden den Weg nicht hierher. Bullerbü ist weit.

Rabulist zieht Paralleln: "Wenn ich in den Zeitungen lese, wer die Gewinner und wer die Verlierer des Haushalts sind, dann wohnen die Verlierer in Rosengård. Sie haben nichts weder von der Abschaffung der Vermögenssteuer noch von der Abschaffung der Gebäudesteuer. Jetzt sollen die Menschen in Rosengård auf den Arbeitsmarkt getrieben werden, ein Arbeitsmarkt, auf dem es bislang keinen Platz für sie gab."

15. April 2007

Die Quittung: Aktuelle Sonntagsfrage

In der heutigen Ausgabe von Göteborgs Posten veröffentlicht das Blatt die aktuelle Antwort auf die Sonntagsfrage, vom renommierten Meinungsfroschungsinstitut SIFO durchgeführt.

Danach erhalten die oppositionellen Sozialdemkraten unter Leitung ihrer neuen Vorsitzenden Mona Sahlin sensationelle 44,1%, so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Mit dieser Stimmenzahl wären die Sozialdemokraten stärker als ALLE Regierungsparteien zusammen, die nurmehr lediglich 41,3% bekommen.

Zum einen erklärt sich dieser aktuelle Stand aus der neuen Rolle Mona Sahlins, die noch keine Wähler am rechten oder linken Rand verschreckt hat und wohl vor allem Sympathien eingesammelt hat.

Die starke Unterstützung jedoch alleine auf diesen Effekt zu reduzieren, würde zu kurz greifen.

Die Regierung Reinfeldt hat durch viele Reformen vor allem Politik gegen die sozial Schwachen gemacht. Dennoch haben viele Reinfeldt und seinen Mitstreitern geglaubt, dass die konservativen Blauen die neue Arbeiterpartei sein wollen - spätestens im April 2007 nimmt ihnen das jedoch niemand mehr ab.

Finanzminister Borg: Wohngeld abschaffen

Seit Oktober 2006, als die selbsternannten neuen Moderaten in Schweden das Ruder übernommen haben, wird eine Sozialleistung nach der anderen auf den Prüfstand gestellt. Nun denkt Finanzminister Anders Borg darüber nach, das Wohngeld abzuschaffen und stattdessen alleinerziehenden Müttern das Kidnergeld zu erhöhen.

Der eigentlich zuständige Sozialminister Göran Hägglund (Vorsitzender der Christdemokraten) wollte die Äusserung Borgs am Samstag nicht kommentieren, offenbar war das Vorpreschen des Finanzministers, der den stärksten Part der Koalition repräsentiert, nicht in der sonst so einigen Allianz für Schweden abgesprochen gewesen. Auch der Vorsitzende des Sozialausschusses im Reichstag, der Zentrums-Abgeordnete Kenneth Johansson hatte nichts gewusst.

Borg dagegen hatte im Gespräch mit dem schwedischen Rundfunk am Samstag gesagt, er hoffe, man könne das so schnell wie möglich umsetzen.

Dazu Stimmen.

KAS schreibt in seinem Blog: "Fredrik Reinfeldt hatte im Fernsehen vor der Wahl hoch und heilig versprochen, dass es den Frührentnern in Schweden nich schlechter gehen sollte. Jetzt arbeitet sein Finanzminister dafür, dass die am schlechtesten Gestellten in unserer Gesellschaft das Recht auf Wohnen verlieren sollen. Das Wohngeld für Menschen mit Garantiepension abzuschaffen, ist ganz einfach nicht normal."

Eatfrog aus Luleå bringt die Sache auf den Punkt. Zwar will Borg die alleinstehenden Mütter kompensieren, er vergass dabei aber die zweite Gruppe, für die Wohngeld in Schweden überlebenswichtig ist, die Studenten:

"Besorgt billigere Wohnungen für Jugendliche! Oder erhöht die Studienunterstützung! Was zum Teufel auch immer. Aber hütet euch davor, die Lebenssituation für alle armen Studenten oder diejenigen, die bald von zu Hause ausziehen möchten, zu verschlechtern. Langfristig lohnt das nicht."

Rechtzeitig zum Sendetermin: Interview mit Johannas Vater

uf vier Seiten präsentiert Aftonbladet heute eine Menge von Fotos und ein Interview mit Johanna Sällströms Vater Roy.

Das Ganze wäre nicht so anrüchig, wenn nicht heute Abend um 21.00 auf TV 4 "Vor dem Frost" (Innan frosten) als erster einer Reihe von Wallander-Filmen gezeigt würde.

Unter der Woche hatte Johannas Mutter der Konkurrenz von Expressen ein Interview gegeben.

Es gibt eine Reihe von Einzelheiten, die aber nichts Neues zu Tage fördern. Johanna war überarbeitet, vom Tsunami tief betroffen, depressiv. Brach ihre Arbeit an den Tschechow-Aufführungen in Malmö nach mehreren Tagen Fieber ab, wurde in einer psychiatrischen Klinik behandelt, erhielt Freigang, um sich¨um ihre Tochter Talulah zu kümmern.

Auch der Vater macht sich Vorwürfe, nicht entschieden genug gehandelt zu haben. Die Tochter zu zwingen, in Behandlung zu bleiben, sie alleine gelassen zu haben.

Tod eines Au-Pairs

Es ist einer der spektakulären Kriminalfälle, die man ansonsten eigentlich nur aus Romanen und Filmen kennt.

Die 20-Jährige Jelena Ivanisevic kam aus Kroatien zum Studieren nach Schweden und arbeitete und wohnte als Au-Pair-Mädchen in einer schwerreichen schwedischen Familie. Die Gasteltern sind auf einem Urlaub in Übersee und Jelena ist alleine zu Hause.

Als sie längere Zeit nichts von sich hören lässt, werden Freunde in Schweden und Verwandte in Kroatien unruhig. Die Polizei bricht die Tür der Luxusvilla auf und findet Jelena in Handschellen tot auf einer Toilette. Zunächst will die Polizei Selbstmord (?) nicht ausschliessen, teilt aber der Familie in Kroatien schon bald mit, dass Jelena offenbar ermordet wurde.

Zunächst gehen die Ermittlungsbehörden in Göteborg davon aus, dass Jelena möglicherweise von einem Bekannten getötet wurde. In den aller meisten Tötungsdelikten sind es dem Opfer Bekannte oder gar Nahestehende, die verantwortlich sind.

Dem Mobiltelefon Jelenas wird Bedeutung beigemessen. Sämtlicher SMS- und Telefonverkehr wird zurückverfolgt, mit allen Kontakten gesprochen.
Am 7. April hatte Jelena ihrem älteren Bruder in Kroatien eine SMS geschrieben, dass sie eine geplante Reise nach Norwegen abgesagt hätte. Tags darauf antwortet der Bruder und fragt, wie es Jelena geht, erhält aber keine Antwort. Am Donnerstag, als Jelena mehrere Verabredungen nicht eingehalten hat und an der Haustür nicht auf das Klingeln antwortet, wenden sich Bekannte an die Polizei.

14. April 2007

Summer In The City

Und so kam der Sommer nach Stockholm. Es zieht die Menschen auf die Strassen, in die Cafés und Kneipen. Viele sitzen einfach nur am Kai in Gamla Stan und lassen die Füsse baumeln. Die Treppen des Konzerthauses am Hötorget sind gefüllt und wer einen freien Tisch am Medborgarplatsen auf Söder sucht, um ein kühles Bier zu trinken, muss sich ganz genau umschauen.

Viel zu warm (rund 18 Grad), um noch eine Jacke zu tragen. Am Sergels torg auf der "Plattan" demonstrieren einige Exil-Pakistani gegen die Regierung von General Mudscharaff, in den umliegenden Geschäften und Kaufhäusern reibt man sich die Hände, der Verkauf von Sommerkleidung nimmt deutlich zu. Familien streunen mit ihren kleinen Kindern durch den Kungsträdgården, wenn jetzt mal Gröna Lund schon auf hätte (erster Tag der neuen Saison ist der 28.04.), dann könnte man Karussell fahren und Zuckerwatte essen.

Die Fenster sind geöffnet, das Licht strömt herein, das Licht, das man im Norden im Winter so schmerzlich vermisst und dessen Rückkehr zu neuer, beinahe vergessener Sinnlichkeit führt.

Debatte mit den Rechten

Die rechtslastigen Schwedendemokraten (SD), die bei den letzten Wahlen in viele Gemeindeparlamente eingezogen sind und deren Ziffern auch in Zielrichtung Reichstag bedrohlich ansteigen, sind in der vergangenen Woche von verschiedenen Parteien des bürgerlichen Regierungslagers zu öffentlichen Debatten eingeladen worden.

Der Generalsekretär der Liberalen Erik Ullenhag debattierte mit dem Parteivorsitzenden von SD, Jimmie Åkesson auf dem Fernsehsender TV8. Åkesson sagte, seine Partei habe eine Lösung des Arbeitslosenproblems, mit der man auf einen Schlag 30-40 Millirden Kronen sparen könnte: Stop der Masseneinwanderung nach Schweden und Beginn der Rückführung von Immigranten.

Ullenhag wies mehrfach darauf hin, dass SD eindeutig eine Partei mit lediglich einer Sachfrage, dem seogenannten "Ausländerproblem" sei und in wesentlichen Politikbereichen nichts zu bieten habe.

Hier ein paar Auszüge aus schwedischen Blogs:

Jinge: "Begeht man den Fehler zu glauben, dass Schweden dem gröbsten Rassismus gegenüber geimpft sei, dann irrt man sich. So ist es nicht, sondern wir haben, genau wie alle anderen Länder, einen relativ grossen Teil der Bevölkerung, der sich nicht bemüht, darüber nachzudenken, warum wir hier Menschen aufnehmen sollten, die hierhin kommen wollen. Dann einen Jimmy Åkesson dort sitzen zu lassen und seine Lügen im Fernsehen verbeiten zu lassen, ist Tragik im Quadrat."

Peka tillbaka macht auf die Darstellung der Medien aufmerksam und meint, dass SD gemeinhin als Underdogs dargestellt würden, die um ihre demokratischen Rechte kämpften. Nun hätten sie sogar Probleme, ein Lokal für die Parteiversammlung zu finden. Letztlich käme das den Radikalen entgegen, weil der Eindruck verstärkt würde, SD kämpfe gegen das Etablissement und besitze eine Wahrheit, die niemand hören wolle.

Daniel scheint mit SD zu sympathisieren und behauptet, sämtliche Parteien hätten mit Hilfe von linken Journalisten versucht, SDs Arbeit zu sabotieren... Er schreibt, dass die Probleme der rechten Partei ein Lokal für die Jahreshauptversammlung zu finden schon merkwürdig seien, denn der Vorsitzende der Linkspartei habe sich bis vor kurzem noch Kommunist genannt und diese Partei hätte keine Lokaöprobleme.

In einem Leitartikel in der heutigen Ausgabe von Dagens Nyheter kommentiert die liberale Zeitung, die Parteien gäben sich jetzt so viel Mühe mit SD zu debattieren. Viel wichtiger sei jedoch, die Politikfelder anzugehen, wegen der Menschen in Versuchung geraten, die Rechten zu wählen:

"Wahrscheinlich ist nur ein kleiner Teil der Wählerschaft der Schwedendemokraten an den diffusen Träumen der Partei von etwas "Urschwedischem" interessiert. Eine Stimme für die Schwedendemokraten ist eher eine Stimme gegen etwas: gegen eine Integrationspolitik, die als missglückt empfunden wird, gegen Arbeitslosigkeit, gegen Aussenvorstehen. Indem man die Ursachen dieser Unzufriedenheit angreift, kann man am besten verhindern, dass die Schwedendemokraten neue Erfolge bei der nächsten Wahl feiern."

13. April 2007

Krankschreibung ab erstem Tag?

Die schwedische Regierung wird vorschlagen, dass ab dem nächsten Jahr Arbeitgeber ab dem ersten Tag einer Krankmeldung eine ärztliche Bescheinigung verlangen dürfen. Ziel ist natürlich, den Missbrauch von Krankmeldungen zu vermeiden. Die zuständige Ministerin Cristina Husmark Pehrsson sagte jedoch gegenüber dem schwedischen Rundfunk, man wolle durch diese Massnahme Menschen helfen, die Probleme mit Missbrauch von Alkohol oder Drogen hätten oder chronische Krankheiten.

Wers glaubt.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der oppositionellen Sozialdemokraten, Ylva Johansson, bezeichnete den Vorschlag der Regierung als "haarsträubend" und warnte davor, dass Armeen von erkälteten Menschen die Arztpraxen unnütz bevölkern würden aus Angst vor Sanktionen.

Bisher ist es in Schweden so, dass man ab dem sechsten Krankheitstag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen muss. Anders als in Deutschland gibt es hier auch einen Karenztag, d.h. am ersten Tag einer Krankheit gibt es kein Gehalt. Ab dem zweiten Tag erhält man 80% des sogenannten krankengeldrelevanten Einkommens, das eine Höchstgrenze von gegenwärtig 25.200 kr/Monat (2720 €) hat. Wer mehr verdient erhält immer nur 80% von 25200 pro Krankheitstag.

Wer weiss, wie sehr die ärztlichen Gesundheitszentralen überlaufen sind, wie schwer es ist, einen Arzttermin zu bekommen, der kann erahnen, wie unpragmatisch der Vorschlag der Regierung ist. Die personelle Ausstattung des Gesundheitswesens wird es nahezu unmöglich machen, das geplante Gesetz umzusetzen.

Kranke sollen bereits am ersten Tag einer schweren Erkältung, einer ansteckenden Brechdurchfallerkrankung in den Wartezimmern der Gesundheitszentralen sitzen und darauf hoffen, dass ein Arzt Zeit hat, ihnen eine Bescheinigung auszustellen, um sie dann wieder nach Hause zu schicken.

Wie weltfremd und geradezu unüberlegt, um nicht zu sagen dumm, dieser Vorschlag ist, ist jedem klar, der schon einmal eine Arztpraxis aufgesucht hat.

12. April 2007

Uppdrag granskning: Janne Josefsson

In Deutschland haben wir eine grosse Tradition von engagierten Fernsehjournalisten, die mit ihren Teams Missstände aufdeckten und so aktiv zur Demokratie beitrugen. Insbesondere die Sendung Monitor des WDR ist mir in bester Erinnerung mit so glänzenden und engagierten Journalisten wie Claus-Hinrich Castorf und Klaus Bednarz.

In Schweden ist der investigative Journalismus nicht unumstritten. Nicht zuletzt wohl auch, weil es den meisten Schweden unangenehm ist, wenn jemand deutlich seine Meinung sagt und andere kritisiert.

Die Sendung "Uppdrag granskning" ist seit Jahren dafür bekannt, dass sie über Dinge berichtet, die im Königreich nicht stimmen. Im Wahlkampf 2002 besuchte Janne Josefsson im laufenden Wahlkampf zu den Parlamentswahlen verschiedene Politiker in ihren Wahlhütten (valstugor) und entlockte einigen von ihnen rassistische Äusserungen. Die Sendung führte wenige Tage vor der Wahl zu einigen Rücktritten besonders von Politikern der moderaten Sammlungspartei. Josefsson wurde der Parteilichkeit beschuldigt, weil er nur einige Parteien des bürgerlichen Lagers "besucht" hatte, bekam aber den grossen schwedischen Journalistenpreis für die "Enthüllung des Jahres".

Josefsson ist politisch wohl eher links von der Mitte, aber er deckt Missstände dort auf, wo sie offenbar sind, egal ob es sich um die dubiosen Wohnungsgeschäfte der Stadtmission handelte oder um den Streik der Kommunalarbeiter 2003. Ein Jahr später zeigte "Uppdrag granskning", dass einige aus der Führungsriege der Linkspartei nach wie vor eine bizarre Verehrung für kommunistische Diktatoren hegten und stellte das Demokratieverständnis des Parteivorsitzenden Lars Ohly in Frage.

Zusammen mit Hannes Råstam machte Josefsson 1998 eine Reportage über Osmo Vallo, der 1995 in Karlstad unter bis heute ungeklärten Umständen in Polzeigewahrsam ums Leben kam. Für die Hantierung durch die Justizbehörden im Fall Osmo Vallo, bei dem möglicherweise sogar ein Obduktionsprotokoll gefälscht wurde, erhielt Schweden deutliche Kritik von amnesty unternational.

Ein Meisterwerk seine Reportage um die Strassenbahnlinie Nummer 5 in Göteborg, die von Biskopsgården nach Örgryte führt (Link zu SVTs Artikel "Bejubeltes Comeback mit Josefsson"), zwei Stadtteile mit sozialen Unterschieden, wie sie grösser kaum sein könnten. 1987 drehte Josefsson hier, interviewte Jugendliche und besuchte beide Stadtteile 2006 abermals. Seine Reportage über die Strassenbahnlinie Nummer 5 weckte grosses Aufsehen und wurde besonders von den besser Gestellten als tendenziös verunglimpft.

Josefsson bewies hier auf eindruckende Weise, dass selbst im sozialdemokratisch geprägten Schweden Klassenunterschiede eine grosse Rolle spielen und Chancengleichheit offenbar nur auf dem Papier vorhanden ist.

Mit dem Fall "Louise" hat das Team von Janne Josefsson einen neuen schmerzhaften, aber notwendigen Meilenstein gesetzt. Er ist zweifelsohne einer der wichtigsten Jourmalisten des Landes.

Völlig unnötig die Kritik von Lars Adaktusson an Josefsson, der sich in Svenska Dagbladet gegen ivestigativen Journalismus aussprach. Josefsson und Adaktusson trafen sich heute Morgen im Sofa der Sendung "Gomorron Sverige" (auf dem der Blogger auch schon mal sitzen durfte). Auf die Vorwürfe, dass Josefsson mit versteckter Kamera arbeite und Adaktusson sich eine Sendung nicht anschauen könne, zu der er kein Vertrauen habe, sagte Josefsson, dass es wichtig sei, gesellschaftliche Missstände aufzudecken und dass Adaktusson heute in einem völlig margainalisierten Fernsehkanal (TV8) arbeite und praktisch keine Zuschauer mehr hätte.

Kuscheljournalismus à la Adaktusson mag zwar der schwedischen Mentalität eher nahe kommen, aber das Land braucht die Josefssons deutlich mehr.

Der Fall "Louise" - Wenn die Gesellschaft versagt

Gestern las ich erstmals vom Fall der 15-Jährigen, die "Louise" in den Medien genannt wird und die fünf Jahre lang aufgrund des grenzenlosen Versagens der Behörden durch ihren Vater einem furchtbaren Martyrium ausgesetzt war: Leben in unhygienischen, asozialen Verhältnissen, hundertfacher sexueller Missbrauch durch den Vater, einer Person, deren mangelnde Eignung als Erziehungsberechtigter den Behörden bekannt gewesen ist.

Das Team um den Journalisten Janne Josefsson von "Uppdrag granskning" (Auftrag Nachforschung) hatte den Fall am letzten Dienstag in seiner Sendung schwedenweit bekannt gemacht. Obwohl die Reporter immer wieder heisse Eisen anfassen und kontroverse Themen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, hat selten ein Beitrag so heftige emotionale Reaktionen der Zuschauer ausgelöst wie der über Louise.

Die Verantwortlichen in der Gemeinde Vetlanda in der Nähe von Göteborg sahen sich einem solchen Druck ausgesetzt, dass gestern um 13.00 Uhr eine Pressekonferenz gehalten wurden. Der Chef der Sozialfürsorge in Vetlanda, Ola Götesson, entschuldigte sich dabei öffentlich bei dem Mädchen. Die Kritik der Verwaltung des Provinziallandtags, die für schwedische Verhältnisse mit ungewöhnlich scharfen Worten die mangelnde Fürsorge der Gemeinde kritisiert hatte, bezeichnete Götesson dabei als völlig berechtigt.

Im Sommer 2006 floh Louise von ihrem Vater und erzählte von den Übergriffen. Der Vater wurde festgenommen und inzwischen in eine rechtspsychiatrische Klinik eingewiesen.

"Uppdrag granskning" hatte unter anderem nachgewiesen, dass die Gemeinde zahlreiche Informationen über den Vater hatte, die ihn als völlig ungeignet für die Sorge um seine Tochter dargestellt hätten, da sie sich jedoch in einer anderen Abteilung befunden hatten, waren sie nie den Entscheidern bekannt geworden.

Inzwischen ist der Abteilungsleiter der Familiensektion der Gemeinde Vetlanda, Boo Hedbrant, von seinem Amt mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Sein Chef Ola Götesson sieht zum Rücktritt (noch?) keinen Anlass.

Eine Reihe von Fernsehzuschauern hat bei der Polizei Anzeige gegen die Verantwortlichen erstattet. Nach der TV-Sendung waren einige Tausend im Chat von "Uppdrag granskning" und das Forum quillt über.

11. April 2007

Mittwochmorgen

Srahlender Sonnenschein, blauer Himmel, aber noch ein wenig kühl und windig - so präsentiert sich mir die schwedische Haupstadt heute Morgen.

Ein Blick in die Tagespresse. Svenska Dagbladet schreibt über eine Fernsehsendung, die ich gestern Abend verpasst habe: "Uppdrag granskning", eines der wenigen Magazine, das investigativen Journalismus betreibt. Gestern berichtete das Team über den Fall der 15-Jährigen Louise, die nach der Scheidung ihrer Eltern von der Mutter herausgeworfen wurde und fünf Jahre lang mit ihrem psychisch kranken, sehr gewalttätigen Vater leben musste.

Das Kind lebte im Wald unter Planen, musste Drogen für seinen Vater dosieren und erlebte ein fünfjähriges Martyrium inklusive der traumatisierenden Erfahrung vom eigenen Vater sexuell missbraucht zu werden.

Das Sozialamt in Vetlanda wusste von den miserablen Lebensbedingungen des Kindes mehr oder minder von Anfang an und tat nichts. Heute gibt es eine Pressekonferenz der politisch Verantwortlichen in Vetlanda aus Anlass der Sendung. Ich hoffe, dass die leitenden Mitarbeiter, die von Louise gewusst haben, wenigstens Abmahnungen bekommen.

Aftonbladet zeigt einen jubelnden Larry Birkhead (Larry Who?), der sich nun auch ganz öffentlich der Vater des Babys der verstorbenen Anna Nicole Smith (doppelter Genitiv) nennen darf. Ansonsten beschäftigen sich die sozialdemokratischen Boulevardblattmacher hauptsächlich mit dem zweiten Tag des Prozesses gegen diejenigen, die sich ins Datennetz der Sozialdemokraten vor Jahresfrist widerrechtlich eingeloggt hatten.

Die unabhängig liberale Dagens Nyheter meldet, dass die stürmischen Winde über Teilen von Nordschweden nun einen Teil des Daches der Hochschule in Östersund weggerissen haben. Bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 110 km/h fliegen verschiedene Gegenstände über das Campusgelände und ein grosses Fenster der Bibliothek sei buchstäblich pulverisiert worden.

Ansonsten der Hinweis darauf, dass die Preise für "bostadsrätts"-Wohnungen in Stockholm weiter steigen, das liest man nun schon immer wieder seit sechs Jahren.

Heute Abend um 19.00 Uhr beginnt die Damallsvenskan 2007, für mich mit der Begegnung zwischen den beiden Stockholmer Clubs AIK und Djurgården in dem kleinen Stadion von Skytteholms IP in Solna. Sehr gespannt bin ich auf den ersten Auftritt der deutschen Weltmeisterin Ariane Hingst für den schwedischen Vizemeister. Wer sich für einen Vorbericht auf die neue Saison interessiert, der sei auf meinen Artikel für Fansoccer hingewiesen.

Dieses Blog hatte gestern unglaubliche 408 individuelle Besucher, ich hoffe, dass ich weiterhin Themen finde, die euch interessieren und bin für Tipps und Wünsche dankbar.

10. April 2007

Watergate in Schweden: Prozessbeginn

Als schwedischen Watergate-Skandal hatten einige Medien im September 2006 die Affäre tituliert.

Mitarbeiter der liberalen Volkspartei hatten sich ins Intranet der regierenden sozialdemokratischen Partei eingeloggt und Informationen über die aktuelle Wahlkampfstrategie für die eigenen Aktionen nutzbar gemacht.


Heute nun beginnt der Prozess gegen sechs Personen vor dem Stockholmer Amtsgericht.
Wie nicht anders zu erwarten war, mit einem Blitzlichtgewitter von Dutzenden Journalisten.

Per Jodenius, der als Hauptschuldiger gilt, möglicherweise aber nur im Auftrag handelte, sagte zu Journalisten von Dagens Nyheter, die Sozialdemokraten hätten im September lediglich Krokodilstränen vergossen, denn sie hätten längst von dem ungesetzlichen Eindringen gewusst und versuchten dies nutzbar für den eigenen Endspurt im Wahlkampf zu machen,

Als ob dies das Verhalten der sechs Angeklagten entschuldigen würde. Das Opfer ist selbst schuld, diese Behauptung kennt man leider auch von vielen Gewalttätern.

8. April 2007

Das Rätsel um den Tod von Johanna Sällström

Vor ein paar Wochen wurde die junge Schauspielerin Johanna Sällström tot in ihrer Wohnung in Malmö aufgefunden.

Den Logdateien meines Blogs entnehme ich, dass immer wieder über google.de nach Informationen über Johanna gesucht wird und so Besucher in mein Blog kommen, wo ich die Nachricht sehr früh gebracht hatte. Johanna Sällström hatte in Deutschland offenbar viele Fans, nicht zuletzt wegen ihrer Rolle in den populären Wallander-Filmen an der Seit von Krister Henriksson.

Ich habe mich nun einmal nach Informationen im schwedischsprachigen Internet umgeschaut.

Johanna und ihre kleine Tochter erlebten im Dezember 2004 die Tsunami-Katastrophe in Thailand. Es heisst, dass dies ihr Leben verändert hat. Sie wurde schwermütiger und war oft in tiefen Gedanken versunken. Stürzte sich in die Arbeit und machte in einem Jahr 13 Filme.

Über die Todesursache stand nichts in den Zeitungen. Selbst die sonst so effekthaschende und auf schnellen Verkauf angewiesenen Abendzeitungen Expressen und Aftonbladet hatten sich Schweigen verordnet, wohl auch mit Rücksicht auf Johannas kleine Tochter.

Dagens Nyheter schrieb: "Sie wurde tot in ihrer Wohnung in Malmö aufgefunden. Nach Angaben der Polizei in Malmö gibt es keinen Anlass, ein Verbrechen zu vermuten."

Svenska Dagbladet: "Die Todesursache ist noch nicht bekannt, aber es gibt keinen Verdacht auf ein Verbrechen."

Im Blog Åsiktstorpeden steht folgender Kommentar: "Wird Johannas Tochter ihre Mamma weniger vermissen, nur weil wir es beschämend finden, über psychische Krankheiten zu reden? Johanna Sällströms Selbstmord handelt von einem einzigen Versagen. Dem Versagen der schwedischen Psychiatrie, denn soweit ich weiss hat Johanna Hilfe wegen starker Depressionen gesucht. Das Schweigen der Medien trägt somit nicht nur zum Tabu bei und damit zur Schande für die Angehörigen, das Schweigen führt auch dazu, dass es über das Versagen der Psychiatrie keine Diskussion gibt." Der Blogger weist darauf hin, dass es 2002 in Schweden 540 Verkehrstote gab, aber 1485 Selbstmorde. Die Forschung zur Verkehrsicherheit bekomme 70 Millionen Kronen pro Jahr, die Forschung zur Verhinderung von Selbstmorden dagegen nur 2 Millionen.

Natürlich hätte sie gerettet werden können. Es ist oft der mangelnde Einsatz der Psychiatrie, vor allem darin begründet, dass die finanziellen und personellen Ressourcen drastisch reduziert worden sind in den vergangenen 15 Jahren. Das führt zu furchtbaren Gewalttaten wie etwa dem Mord an Anna Lindh oder dem Mord an dem kleinen Filipp vor wenigen Monaten. Es führt aber auch zu Selbstmorden wie dem von Johanna Sällström, ungleich weniger spektakulär. Es nützt wirklich nichts, das zu verschweigen. Menschen wie Johanna, die in tiefer Depression gelandet sind, was jedem passiern kann, muss geholfen werden. Wenn man erkennt, dass sie suizidal sind, muss man sie vor sich selber schützen. Jeder Tod dieser Art ist ein Versagen der Gesellschaft. Ein kleines Mädchen muss jetzt ohne seien Mutter aufwachsen. Vem bryr sig? Wer macht sich Gedanken darüber? Wer handelt?

Ein weiterer Grund für das Schweigen der Medien ist sicherlich auch, dass viele psychisch Kranke, suizidgefährdete Menschen sich Johanna Sällström zum Vorbild nehmen könnten.

ÄNDERUNG (06.05.2007):

Ich nehme hier das Youtube-Video zu Johanna raus und lege das Musikvideo von The Fray: "How To Save A Life" rein, dessen Text sehr gut passt, jedes Mal, wenn ich das Lied höre, denke ich an Johanna Sällström.

6. April 2007

Darf ein Kind Metallica heissen?

Immer wieder mal kommen Artikel in den Zeitungen, wenn Eltern ihren Neugeborenen ausgefallene Vornamen geben wollen, das Einwohnermeldeamt aber der Auffassung ist, dass der Name unpassend ist und dem Kind eher schaden kann.

Neuester Fall in Schweden ist ein Mädchen, das ihre Eltern mit dem Rufnamen Metallica haben taufen lassen. Das am 8. Oktober 2006 geborene Kind hört angeblich schon auf den Namen und ist auch kirchlich getauft worden.

Bei der offiziellen Registrierung beim Einwohnermeldeamt war jedoch Endstation. Beide Parteien treffen sich vor Gericht, sind inzwischen schon in der zweiten Instanz. Die erste hat den Eltern Recht gegeben, das 6 Monate alte Baby solle Metallica heissen dürfen, zumal es schon eine glückliche Frau mit diesem Vornamen in Schweden gibt. Das Einwohnermeldeamt ist jedoch in die Revision gegangen.

Die Namenswächter sind der Meinung, dass die Hardrockband Metallica für kommerzielle Produkte stehe, und der Name eines Kindes nicht damit verbunden sein solle.

Die Eltern sehen die Namensgebung als Menschenrecht für ihre Tochter, viele Blogger geben ihr Recht. Blogge Bloggelito schreibt, dass in Schweden alles verpönt sei, was nonkonformistisch sei, alles müsse in wenige Schubladen passen.

Akkeman bringt richtigerweise in die Debatte ein, dass man in Schweden erst vergangene Woche lesen durfte, dass es einem Fan von 007 gelungen sei, sich den Mittelnamen James Bond offiziell registrieren zu lassen und das Argument "kommerziell" wehrt er mit dem Argument ab, dass man dann auch den Namen Mercedes nicht mehr zulassen dürfe (wenngleich das Auto natürlich nach einer Frau benannt wurde und nicht umgekehrt).

In den bislang 22 Blogeinträgen bekommt Skatteverket einiges ab und man ahnt, dass die Behörde in Schweden nicht sonderlich beliebt ist. Blogge Bloggelitos Post mag dafür representativ sein. Selbst bin ich der Ansicht, dass Metallica nicht unbedingt der Traumname für ein Kind sein dürfte, aber die Eltern werden sich hoffentlich etwas dabei gedacht haben, ebenso wie der Vater der dereinst seinen Sohn "Sue" nannte...

Passend zum Thema: Hier das Video "One" von na wem schon: METALLICA


5. April 2007

Ordförande Persson - letzter Teil

Heute Abend habe ich mir endlich den letzten Teil der vierteiligen Reihe mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden Göran Persson ansehen können. Die Sendung kam bereits letzte Woche Montag.

Kaum ein anderes Fensehprogramm ausser natürlich dem "Melodifestivalen" hat in diesem Jahr so viel Aufsehen erregt wie die Gespräche mit Persson.

Die letzte Folge gab nun Aufschluss über den Niedergang und die Wahlniederlage der Sozialdemokraten und besonders ihres langjährigen Chefs.

Persson selbst bezeichnete sich schon 2004 und 2005 als amtsmüde. Er sei nicht motiviert für einen weiteren Wahlkampf, aber möglicherweise könne man die Wahl auch mit Routine gewinnen. Gegen einen Gegner, der sich als Allianz für Schweden formiert hat und der mit seinen vier Parteivorsitzenden, die auf einem Sofa sitzen und an Tick, Trick und Track (und Truck) erinnern, durch Schweden fährt und dessen Vorsitzender intern "Seife" genannt wird, weil er jedem entgleitet und zu nichts eine deutliche Position hat.

Persson überschätzt sich selbst in diesen Monaten, man gewinnt keine Wahl nur durch Routine. Die Menschen merken, dass er amtsmüde ist, dass er sich mehr für seinen Altersruhesitz in Sörmland interessiert, einem Bauernhof für ca. 2 Millionen Euro ausserdem, den viele Parteigenossen als unangemessen protzig und teuer empfinden.

Dabei ist es vermessen zu verlangen, ein Ministerpräsident und eine Generaldirektorin des schwedischen Alkoholmonopols müsten in einer 2-Zimmerwohnung in einem mit sozialen Problemen belasteten Vorort wohnen. Dennoch, ausgerechnet die sozialdemokratische Aftonbladet (die einem konservativen norwegischen Verlag gehört...) berichtet immer wieder über den Hausbau mit Grafiken und Skizzen, so dass die Leser nun wissen, wo Persson und Steen ihren Whirpool stehen haben.

Der Sozialdemokrat hat Recht, sein Hauptgegner Reinfeldt ist nichtssagend und völlig ohne Ausstrahlung, aber der Politfuchs vermag nicht einzusehen, dass die Leute weniger Reinfeldt wollen, als ihn abwählen.

Der Mord an Anna Lindh hat der früheren Nachfolge einen Strich durch die Rechnung gemacht. Reinfeldt und seine zweitklassigen Mitstreiter Olofsson, Hägglund und Leijonborg (Persson: "Ein durch und durch unseriöser Politiker") hätten gegen die starke und gemeinhin beliebte Aussenministerin keine Chance gehabt, die Messerstiche Mihajlo Mihajlovics gegen Anna Lindh haben möglicherweise die schwedische Geschichtsschreibung verändert.

Und Margot Wallström wollte nicht. Persson bot ihr das Amt der Sozialministerin an, um sie aus der EU-Kommission wegzuholen und als seine Nachfolgerin aufzubauen, aber die persönlichen Gräben, an denen Persson nicht unschuldig ist, zwischen den Beiden waren zu gross.

Vorsitzender Persson ist nun zu Ende und die Debatte um die Sendung, die ungewöhnlich heiss war, nicht zuletzt wegen der zahlreichen andere disqualifizierenden Äusserungen des Ex-Regierungschefs wird bald verebben und von neuen politischen Diskussionen überflutet werden.

Mona Sahlin hat als erste Frau den Vorsitz der grössten Partei Schwedens übernommen. Es ist an der Zeit, dass Schweden nach den Wahlen am 17.09.2006 eine handlungskräftige Opposition bekommt.

Arm gebrochen - kein Fehlverhalten

Matondo Suala ist 23 Jahre alt. Sie kommt aus Stockholm und möglicherweise hat sie nur einen wesentlichen Fehler, der dazu geführt haben könnte, dass ihr linker Arm gebrochen ist - ihre Hautfarbe ist schwarz.

Als die 23-Jährige mit Bekannten in der Stockholmer U-Bahn von Wächtern angehalten wurde, sie möge ihren Fahrausweis vorzeigen entstanden Tumulte, die dazu führten, dass Matondos Arm glatt gebrochen wurde.

Die junge Frau und ihre Begleiterinnen behaupten sich nicht auffällig verhalten zu haben, die beiden Wächter decken sich gegenseitig und schilderten ihrem Chef Håkan Isaksson der Bewachungsfirma Nordisk bevakningstjänst eine andere Geschichte: Matondo habe laut geschrien, worauf die Wächter beschlossen hätten, sie aus der U-Bahnstation "zu entfernen". Daraufhin sei sie so aggressiv geworden, dass sie einen der Wächter gebissen hätte, worauf die Männer Matondo auf den Boden bringen "mussten" und dabei sei etwas mit dem Arm geschehen.

Håkansson vertraut seinen Angestellten völlig und geht davon aus, dass alles korrekt gelaufen ist.

Muss man das kommentieren? In der heutigen Ausgabe der Stockholmer Gratiszeitung City berichten andere Bürger, dass Wächter sich unverhältnismässig aggressiv auch ihnen gegenüber verhalten hätten. Im Zweifelsfall deckt man sich dann und das Opfer hat keine Chance, die Wahrheit zu beweisen.

Eine kleine Episode in zwei Ausgaben von Stockholm City, aber beim Lesen wird mir ganz unwohl.

4. April 2007

Reinfeldt zu fein für gebratenen Hering

Mehrere schwedische Zeitungen schildern heute den Besuch von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in einem Krankenhaus in Oskarshamn. Reinfeldt ass zwar in der Kantine, aber im Gegensatz zum Personal, das gebratenen Hering essen durfte, wurde für den Ministerpräsidenten geholtes Essen aus einem Gourmetrestaurant serviert.

Peinlich, peinlich? In Expressens Leserforum haben sich bislang 136 Leser geäussert. Die Meinungen halten sich durchaus die Waage.

Frisch gebloggt meint: Ich hätte auch auf den gesalzenen, gebratenen Hering verzichtet, hätte aber meinen Stab gebeten, nicht unbedingt Luxusessen herbeizuschaffen, sondern die Küche gebeten, Hackfleischbällchen oder Pytt i Panna zu kochen. Hering ist nicht jedermanns Geschmack - aber Fingerspitzengefühl besitzt offenbar auch nicht jeder.

Regierung Reinfeldt schafft Vermögenssteuer und Haussteuer ab

Letzte Woche verkündete das Kabinett Reinfeldt die Abschaffung der Vermögenssteuer - gestern nun kam der zweite Streich: Die "fastighetsskatt", Steuer auf Haus- und Grundbesitz wird ab dem 01.01.2008 abgeschafft.

Abgeschafft? Nicht ganz. In jedem Fall hat man vor, dass alle Hausbesitzer maximal nur noch 4.500 Kronen im Jahr bezahlen müssen, egal wie viel das Haus wert ist.

Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass beide Reformen vor allem die Bezieher besonders hoher Einkommen begünstigen.

Erhöht wird allerdings zur Finanzierung des zweiten Vorhabens die Gewinnsteuer auf den Verkauf von Häusern und Wohnungen - von 20 auf 30%.

Aus mehreren Gesichtspunkten ist die Abschaffung der Steuer auf Haus- und Grundbesitz zu kritisíeren: Zum einen werden diejenigen am meisten davon profitieren, die schon am meisten haben. Zum anderen führt es dazu, dass die ohnehin seit Jahren ins Unermessliche steigenden Preise für Häuser und Wohnungen in den Grosstadtregionen noch weiter steigen werden.

Zum einen will Reinfeldt, dass die Menschen mobiler werden, d.h. im Fall der Arbeitslosigkeit sofort bereit sind, ihren Wohnort zu verlassen, um Arbeit in anderen Landesteilen zu suchen. Zum anderen wird die Erhöhung der Gewinnsteuer dazu führen, dass die Menschen sich zweimal fragen werden, ihr Haus zu verkaufen, um die hohen Steuern beim Verkauf zu vermeiden.

In Skellefteå traf ich am Samstag eine junge arbeitslose Frau, die drei Kinder im Alter von 2, 7 und 9 Jahren hat. Ihr Mann hat Arbeit, die Kinder gehen zur Schule. Ab dem 01.07. kann sie dazu gezwungen werden, nach Südschweden zu ziehen, um weiter in vollem Umfang Arbeitslosenhilfe zu bekommen. Ein unakzeptabler Zustand.

Unter der Überschrift "Die Rechten schlagen gegen die Armen zu" kommentiert Jinge in seinem Blog:

"Die Gesellschaft war von jeher geteilt in jene, die besitzen und jene, die nichts besitzen. Unsere jetzige Regierung bemüht sich, diese Ordnung aufrechtzuerhalten. Fraglich ist, wie lange es dauert, bis der Schlag gegen diejenigen die keine Häuser und kein Vermögen haben, gegen die Rechtsregierung zurückschlägt? Vielleicht dann, wenn eine Generalamnestie für Steuerhinterzieher verkündet wird?"

Besonders perfide ist, dass die Regierung offensichtlich vorhat, die höhere Gewinnsteuer retroaktiv zu erheben. Bislang war es möglich, dass man, wenn man ein teureres Haus, eine teurere Wohnung kaufte, einen Aufschub der Gewinnsteuern erhielt. All diejenigen, die Aufschub erhalten haben, sollen nun die Steuern rückwirkend höher zahlen. Ein skandalöser Vorgang, der den Begriff Rechtsunsicherheit assoziieren lässt.

Die OECD hat Schweden im Übrigen sofort kritisiert. Die Abschaffung der Steuer und Umwandlung in eine relativ moderate Gebühr würde die schwedische Wirtschaft weiter anheizen mit allen Risiken für Inflation und Zinserhöhungen.

Dass jetzt innerhalb einer Woche zwei Steuern massiv verändert bzw. abgeschafft werden, ist gleichzeitig auch ein verzweifelter Versuch der Rechtsregierung, die überaus schlechten Ziffern der Meinungsumfragen zu wenden.

Die konservative Svenska Dagbladet zitiert kritische Stimmen. John Hassler, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Stockholm: "Diese Entscheidung ist aus zwei Gründen falsch: die Wirtschaft wird schlechter funktionieren und gleichzeitig werden diejenigen bevorzugt, denen es schon gut geht." Hassler befürchtet wie der Blogger, dass die Preise z.B. auf dem Stockholmer und Göteborger Markt weiter davongaloppieren.

1. April 2007

Klubb:Europa auf dem Weg nach Hause

Nach dem letzten Gig in Skellefteå und der anschliessenden Geburtstagsfeier in Zimmer 418 im Hotel Malmia sind wir heute wieder nach Stockholm gekommen und am Abend sind alle wieder nach Hause geflogen. Mit Ausnahme von Suzy, deren Flugzeug nach Helsinki erst um 22.55 geht. A bientot Suzy!

Zehn Tage haben wir den europäischen Gedanken gelebt und eine sehr intensive Zeit miteinander verbracht. Die beste Party vielleicht in Uppsala bis 01 und anschliessendem Backstage mit den Studis der Uni bis zu spät.

Dann besuchten wir Donnerstag/Freitag die Umeå Open, dreimal ausverkauftes Haus mit je 3.000 Leuten im Folkets Hus, sicher das meiste Publikum. Ruhig dann in Skellefteå, wo uns einige verpasst haben und sicher nie erfahren werden, dass ihnen ein geniales Setup entgangen ist: Drum*n*Bass-Maestro Philip "the check" T.B.C., Elektronika-Prinzessin Suzywan, Berlins Housejuwel DJ Aroma, Dariusz "Makarov" Makaruk, Rumäniens Avantgardekünstler Yvat und last not least DJ Bunuel aus Finnland, flexibel wie kaum ein anderer.

Ja, ich weiss, es war ne geile Zeit...