16. Februar 2008

Melodifestivalen

Der zweite Teilwettbewerb der schwedischen Vorausscheidung für den ESC. Acht Lieder in Västerås. Man versucht, maximale Gewinnakkumulation zu erzielen. Vier Viertelfinals. Eine zweite Chance. 32 Lieder. Kilometerweise Artikel in ALLEN Zeitungen des Landes.

Superduperfavoriten war vor dem heutigen Abend das Duo Andreas Johnson und Carola Häggvist. Der ganze Wettbewerb wurde als Staffage für Johnson & Häggqvist gesehen, mit Mühe gelangten beide nun in die Trostrunde, weil man sich eben nicht nur auf die Bühne stellen kann, sondern auch noch ein gutes Stück haben sollte. "One Love" bleibt nicht im Gedächtnis haften und ist, wie die meisten aller Beiträge - Dutzendware, Schrott.

In Schweden gibt es nicht so viele begabte Komponisten, dass es für einen jährlich hochklassigen Wettbewerb mit 32 Liedern reichen würde.

Sanna Nielsen marschierte mit einer Celine-Dion-Nummer "Empty Room" direkt ins Finale. Sie sieht niedlich aus, hat eine Stimme, die das Stück sehr gut trägt, aber sie singt ohne mit den falschen Wimpern zu zucken "My life goes on just like the moon" und in diesem Moment möchte man seinen Kaffee über den Fernseher schütten.

Der zweite Beitrag "Just One Minute", der ins Finale kommt, sieht so aus, wie man sich als Hetero eine Schwulendisco zu fortgeschrittener Stunde vorstellt. Glatzköpfige Zwillingsbrüder in roten Anzügen, die vor 35 Jahren modern waren, als Tavares die europäischen Discos mit "Heaven Just Can Be An Angel" oder so ähnlich aufmischten.

Melodifestivalen engagiert rund ein Drittel der Bevölkerung, heute Abend riefen 700.000 an und morgen, quatsch gleich, werden die Abendzeitungen von der sensationellen Watsche für Johnson & Häggqvist schreiben. Aftonbladet schreibt schon jetzt: "Skrällen" (Die Sensation). Und Expressen titelt: "Folket svek Carola" (Das Volk verliess Carola).

Das schwedische Fernsehen hat leider alle Videos der Sendungen bei Youtube herausgenommen. Mehr Infos auf der Sonderseite bei SVT.

1 Kommentar:

Hansbaer hat gesagt…

Es ist immer wieder interessant, zu erleben, dass selbst junge Schweden "Ein bisschen Frieden" kennen, obwohl dieses Lied jungen Deutschen nicht selten vollkommen unbekannt ist. Die Schweden haben irgendwie eine Liebesaffäre mit dem ESC, die selbst 34 Jahre nach ABBA noch intensiver wird.
Es scheint ihnen auch nicht ansatzweise bewusst zu sein, dass der Wettbewerb in den allermeisten Ländern nur auf sehr reserviertes Interesse stößt.

Trotzdem muss man dem Melodifestivalen das Kompliment machen, dass es zum Einen die Leute mitreißt und für den ESC interessiert, zum Anderen auch viel mehr Künstlern die Chance gibt, nach Belgrad zu fahren - wo nehmen schon 32 Titel beim Vorentscheid teil?

Interessant ist, dass die Leute anscheinend gar nicht kümmert, ob sie ein Lied nach Belgrad schicken, das auch eine Chance hat - man merkt da auch ein bisschen, dass die Schweden bislang sehr erfolgsverwöhnt waren, wenn man einmal von letztem Jahr absieht.

Daher ist auch so manches Abstimmungsergebnis überraschend.
"I love Europe" ist ein Titel, der so klingt, als wäre er 1965 an der Copacabana geschrieben worden. Zudem dürfte mittlerweile auch aufgefallen sein, dass keine dieser anbiedernden Liebeserklärungen an Europa jemals auch nur in die Nähe des Sieges beim ESC gekommen ist.

Und nur weil ein gerade dem Kalten Krieg entkommenes Europa Carola Häggkvist mit dem Sieg belohnte, heißt noch lange nicht, dass ihr jemals wieder gelingen wird. Ich finde, der Titel klingt sogar ausgesprochen unangenehm.

Die Jungs in den roten Anzügen waren ja nicht schlecht, aber Chancen beim ESC sind da wohl kaum zu erwarten.
Immerhin haben die Zuschauer erkannt, dass das Gedudel von The Nicole genau dem entspricht, mit dem Bosnien-Herzegowina gefühlte 10mal gescheitert ist.
Sanna Nielsen ist wiederum das, was Europa von Schweden erwartet: blond und hübsch - für den Sieg wird das aber nicht reichen.

Mein persönlicher Favorit: Amy Diamond - zwar ist das Lied wieder eine ihrer eingängigen, aber harmlosen Popnummern, aber der Jugendbonus samt ihrer beeindruckenden Stimme könnten das Rennen machen.

Das Schlimme ist nur: Ich liege bei meinen Tipps in Sachen ESC grundsätzlich daneben :-)