22. März 2007

Ordförande Persson – Es ist noch nicht vorbei

Wenn Regierungschefs abtreten, dann veröffentlichen sie gewöhnlich früher oder später ihre Memoiren. Willy Brandt schrieb seine Erinnerungen, in denen Mitte der 80er Jahre so weise Sätze wie „Berlin wird leben und die Mauer wird fallen“ standen, die mit dem heutigen Wissen als visionär gelten dürfen. Franz-Josef Strauss schrieb in seiner Autobiographie, dass sich sein Widerstand gegen das Naziregime unter anderem dadurch zeigte, dass er den Hitler-Gruss mit einem bayrischen „Grüss Gott!“ erwiderte. Ich habe das Buch danach nicht zu Ende gelesen.

Hans Göran Persson hat Schweden zehn Jahre lang regiert, etwas länger stand er der grössten Partei, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens vor, Sohn eines Bauarbeiters und einer Hausfrau. Abitur auf dem Technischen Gymnasium in Vingåker, abgebrochenes Studium. Bürgermeister in Katrineholm, wo man ihm den Beinamen „Hans som bestämmer“ (HSB) gab – der, der entscheidet.

Als Parteivorsitzender war er die vierte Wahl. Ingvar Carlsson wollte in den Neunziger Jahren den Führungsstab an Mona Sahlin übergeben, die an der Toblerone-Affäre scheiterte. Ein anderer Vorsitzender musste her. Jan Nygren lehnte ab, ebenso Ingela Thalén. Blieb nur der Finanzminister übrig.

Während all seiner Amtsjahre hat der Fernsehjournalist Erik Fichtelius Interviews mit Persson gemacht, konserviert und aufbewahrt für die Veröffentlichung nach dem Rücktritt des Regenten von allen Ämtern.

Knapp 60 Stunden nachdem nun doch Mona Sahlin, Toblerone hin oder her, zur ersten Vorsitzenden der grössten Partei des Landes gewählt worden ist, lief am Montagabend die erste von vier Folgen von „Ordförande Persson“ - Vorsitzender Persson.

Dass Göran Persson gerne austeilt, das weiss man in Schweden. Und so sparte er in den beiden bisher ausgestrahlten Folgen auch nicht mit Schmäh gegenüber seinen Zeitgenossen.

Das Denken sei gewiss nicht Mona Sahlins Stärke, Carl Bildt sei ein hoffnungsloser Fall, er (Persson) habe ihm verschiedene Posten angeboten, er habe alles abgelehnt. George W Bush wird masslos unterschätzt, Kim Il Sung ist ein kleiner Onkel in Freizeitkleidung mit hohen Absätzen, mit dem er fünf Stunden lang sehr kritisch debattiert hat und Helmut Kohl ass sicher zehn kleine Päckchen rohe Butter, als die Verhandlungen über den Euro zu scheitern drohten. Respekt erweist Göran Persson dem schwedischen König, der sicher kein grosser Redner sei, der aber mit viel Einfühlungsvermögen Situationen und Probleme gut erfassen könne.

Gudrun Schyman, Ex-Vorsitzende der Linkspartei, sei jemand, auf den man sich im Krisenfall nicht verlassen könne. Sie sei auch nicht ganz richtig beieinander. Auf einem Parteiführertreffen in Vorbereitung der schwedischen EU-Präsidentschaft 2001 hatte Schyman die Herren der Runde angefahren: „Ihr Kerle wollt immer nur herumficken, aber das geht nicht.“ Kein gutes Aushängeschild für Schweden, meint Persson und in der Runde, in der es eigentlich um anderes ging, sei eisiges Schweigen eingetreten. Schyman hat heute dementiert, auch der ehemalige Vorsitzende der Christdemokraten, Alf Svensson, sagte er könne sich an eine solche Äusserung Schymans nicht erinnern. Birger Schlaug, Sprecher der Grünen, verkündete heute, dass eine Besprechung, die nach Persson in der Sauna stattgefunden habe, in einer Küche absolviert worden wäre.

Persson erzählt, Fichtelius ist dabei. Manchmal im Büro in der Staatskanzlei Rosenbad, manchmal in der Natur, in Harpsund (Residenz) oder anderswo.

Und Schweden kommentiert. Die erste Folge von „Ordförande Persson“ sahen 1,3 Millionen. Nicht schlecht für ein politisches Programm. Weit entfernt vom nationalen Kleinod „Melodifestivalen“, aber doch.

Die Wahlen 2006, darin stimmen viele Betrachter überein, gingen für die Sozialdemokraten verloren, weil das Volk Persson überdrüssig geworden war, dieser es aber nicht bemerkt hatte. Die wirtschaftlichen Zahlen sprachen für den Premier und die Regierung. Es ging aufwärts und die Reinfeldts und Olofssons sonnen sich nun in rosigen Zahlen, deren Grundlage durch Perssons Regierung geschaffen wurde.

Aber er sollte weg. Ihn wollte man nicht mehr sehen. Man nahm ihm übel, dass er sich einen teuren Altersruhesitz in Sörmland zugelegt hatte, ein Gut mit mehreren Gebäuden, riesigem Grundstück mit seiner neuen Frau, der Chefin von Systembolaget und ehemaligen Staatssekretärin seines Finanzministeriums, Anitra Steen.

Seine Ausfälle gegenüber anderen waren recht unschwedisch. Maud Olofsson, die Vorsitzende der Zentrumspartei, fragte er, ob sie zugenommen habe. Seine eigene Sozialministerin Margot Wallström wusste damals nicht, dass er an einer Reform der Kindergartengebühren arbeitete. Gezeigt wird die Pressekonferenz anlässlich der Präsentation des sozialdemokratischen Wahlmanifests 1998, als Persson die „Maxtaxa“-Reform verkündet und nun versteht man den verständnislosen Seitenblick Wallströms zu ihrem Chef. Unmittelbar nach der Wahl trat sie von ihrem Posten aus familiären Gründen zurück. Sie rächte sich später als EU-Kommissarin in Brüssel, als sie Schwedens Regierung mehr Engagement in EU-Fragen abverlangte. Jetzt unter Mona Sahlin wird sie wieder aktiver für die Partei werden.

„Ordförande Persson“ ist kritisiert worden. Fichtelius sei zu nah an die Macht gerückt, gebe die journalistische Objektivität auf zugunsten von Hofberichterstattung. Es fehlten die Stimmen der anderen Zeitgenossen. Nur Persson dürfe reden, es ergebe kein ausgewogenes Bild.

Neidisch sind viele, dass Fichtelius mit seinem Projekt etwas weltweit noch nie Dagewesenes schafft. Einen Regierungschef über dessen gesamte Amtszeit immer wieder zu befragen. Hofberichterstattung ist das indes nicht, denn Fichtelius lässt Persson reden und enthält sich aller Kommentare. Und die Zeitgenossen, über die gesprochen wird, sind so aufgebracht, dass sie ihre Kommentare in den Medien abgeben.

Zwei Folgen stehen noch aus, dann ist die Ära Persson erst einmal ad acta gelegt. Allerdings wird TV-Journalist Fichtelius noch im April ein Buch zur Sendung auf den Markt bringen. Titel ist ein Zitat des Ex-Premiers, das seine Situation an der Spitze der Regierung zusammenfasst: „Aldrig ensam – alltid ensam“ - Niemals allein, immer allein. Der Interviewte sitzt derweil an seiner Autobiographie, die vermutlich im Herbst erscheinen wird. Ob das Buch ein ähnlicher Verkaufsschlager wird wie Ex-Finanzminister Kjell-Olof Feldts Buch „Alla dessa dagar“ (All jene Tage) bleibt abzuwarten. Perssons Pension ist hoch genug, um nicht darauf angewiesen zu sein.

Keine Kommentare: