Maud Olofsson war glücklich. Auf einer Pressekonferenz löste die Vorsitzende der Zentrumspartei vergangene Woche ein Wahlversprechen ihrer Allianz für Schweden ein: 50% steuerliche Absetzbarkeit von sogenannten haushaltnahen Diensten.
Wer künftig andere bei sich daheim putzen lässt, kann die Hälfte der Kosten vom Finanzamt zurückbekommen.
In Schweden ein durchaus kontroverses Thema. Die Sozialdemokraten diskutieren das Thema schon seit einigen Jahren und Politiker wie die designierte Vorsitzende Mona Sahlin mussten sich für Sympathien mit der Idee vorhalten lassen, sie hätten sich weit von der Parteibasis entfernt.
Zum einen ist es sicher so: Berufstätige mit Kindern unter zwölf Jahren haben es schwer, das Zeitmanagement des Alltags zu bewältigen. Nach einem Achtstundentag, dem Bringen und Abholen der Kinder bleibt nur wenig Zeit für sich selbst oder den Partner. 50% aller Ehen scheitern in Schweden, nicht zuletzt auch immer wieder am nervenaufreibenden Alltag. In der wenigen Freizeit muss dann das Haus auf Vordermann gebracht werden, am Wochenende wird eingekauft und wenn man keine Grosseltern in der Nähe hat, dann nimmt man die kleinen Kinder mit zu IKEA oder in den Grossmarkt zum Einkaufen.
Also müsste die Putzhilfe eigentlich Erleichterung bringen. Und mehr Zeit, die wir mit dem modischen Wort Qualitätszeit als besonders wertvoll etikettieren.
Viele schwedische Familien, die es sich leisten können, haben allerdings schon längst eine Putzhilfe. Morgens um acht Uhr bewegt sich seit Jahren ein im Sozialsystem unsichbares Heer von vorwiegend polnischen Schwarzarbeitern durch das Land. Magnus Uggla, Popstar von Beruf, hatte es im Vorentscheid zum Eurovision Song Contest in seinem Lied „För kung och fosterland“ herausgeschrien: „då ringer jag till en skum polack“. Und was für Ärger es gab! Die polnische Botschaft, viele Polen im Lande fühlten sich zutiefst beleidigt. Dabei widersprach Uggla allen, die ihm eine herablassende Attitüde gegenüber den Ostseenachbarn andichten wollten. Er habe nur über die Schwarzarbeiter gesungen und eigentlich über die Probleme schwedischer Paare, die immer irgendein Projekt haben müssen, weil sie sich ansonsten gegenseitig langweilen würden und die Scheidung vor der Tür stünde.
Es gibt sie wirklich. Bei Spaziergängen mit dem Hund durch den idyllischen Vorort sah ich immer wieder Abreisszettel mit dem Tenor „Young Polish woman cleans your house. Call 073-XXXXXX“. Und sie sind überall. Ihre Arbeit verrichten sie ohne Sozialabgaben, bei Krankheit müssen sie schauen, wie sie zurecht kommen. Kosten für den Nutzniesser: ca. 100 – 120 Kronen pro Stunde. Die Dienstleister selber reisen seit der EU-Mitgliedschaft als Touristen ins Land, können drei Monate ohne Probleme bleiben und arbeiten sechs Tage in der Woche. An einem Tag schafft man 2-3 Kunden, das bringt ungefähr 800 – 1.000 Kronen am Tag. 4.800 – 6.000 in der Woche. 20.000 und mehr im Monat. Im Heimatland ist das sehr viel Geld.
Aber das Geld auf die Hand, der Traum vom besseren Leben in der Heimat ist meistens nur eine Illusion. Man macht weiter und weiter ohne an die Zukunft zu denken.
Der Regierung mit Maud Olofsson und Finanzminister Anders Borg (m), den beiden Politikern, die die Idee vermarktet haben, will jedoch nicht die Schwarzarbeit bekämpfen. Davon sagen sie jedenfalls nichts. Nein, das Ganze soll die Haushalte entlasten und vor allem Arbeitsplätze schaffen. Dabei wird selbst mit Steuererleichterung die polnische Schwarzputzerin immer noch billiger sein als das steuerlich sanktionierte legale Modell. Aus der Allianzregierung selbst wissen wir, dass es dort nicht sonderlich beliebt war, Fernsehgebühren zu zahlen oder legale Arbeitskraft zu beschäftigen. Von Steuern zahlen gar nicht zu reden. Zwei Ministerinnen des Fredrik Reinfeldt mussten das Kabinett wegen entsprechender Affären schon nach wenigen Wochen verlassen.
Arbeitsplätze schaffen. Viele der heute Arbeitslosen sollen mit anderen Worten inspiriert werden, eigene Putzfirmen zu gründen und mit Ajax und Meister Proper (letzteren gibt's leider nicht in Schweden) bewaffnet in die Häuser einrücken, aus denen morgens bürgerlich wählende Eltern mit ihren Kindern Richtung Arbeit und Kindergarten düsen.
Eine grandiose Schnapsidee. Wie so vieles, das sich die politisch unerfahrene Allianzregierung seit ihrer Machtübernahme einfallen lässt. Man weiss genau, dass man nur vier Jahre Zeit hat, das Land total umzukrempeln und will es mit der Brechstange versuchen. Göran Greider, Chefredakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Dala-Demokraten, nannte den Vorschlag einfach nur strohdumm. Statt im Gesundheitssektor, wo es einerseits an Personal mangelt und andererseits das vorhandene Personal sehr schlecht bezahlt wird, zu investieren, teile man Zuckerstückchen an die eigene Klientel aus.
Die vielen Menschen in Schweden, die jede Krone zweimal umdrehen müssen, die eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation haben, werden kaum Putzhilfen engagieren, weder legale noch illegale. Viele der Menschen mit Migrationshintergrund ebensowenig. Sie sparen, um sich den Traum von einem würdevollen Leben realisieren zu können.
Gegen Haushaltshilfe per se ist nichts einzuwenden. Aber aus den Arbeitslosen ein Heer von Ich-AGs zu machen ist blauäugig. Die schon existierenden Netzwerke der illegalen Arbeiterinnen und Arbeiter sollte man versuchen zu legalisieren. Indem man den Polinnen klar macht, dass sie letztlich von ihrem brutto = netto Arbeiten selbst nur einen kurzfristigen Effekt haben, der ihnen in der längeren Perspektive keine soziale Sicherheit bietet. Im Gegenteil.
6. März 2007
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