In Deutschland haben wir eine grosse Tradition von engagierten Fernsehjournalisten, die mit ihren Teams Missstände aufdeckten und so aktiv zur Demokratie beitrugen. Insbesondere die Sendung Monitor des WDR ist mir in bester Erinnerung mit so glänzenden und engagierten Journalisten wie Claus-Hinrich Castorf und Klaus Bednarz.
In Schweden ist der investigative Journalismus nicht unumstritten. Nicht zuletzt wohl auch, weil es den meisten Schweden unangenehm ist, wenn jemand deutlich seine Meinung sagt und andere kritisiert.
Die Sendung "Uppdrag granskning" ist seit Jahren dafür bekannt, dass sie über Dinge berichtet, die im Königreich nicht stimmen. Im Wahlkampf 2002 besuchte Janne Josefsson im laufenden Wahlkampf zu den Parlamentswahlen verschiedene Politiker in ihren Wahlhütten (valstugor) und entlockte einigen von ihnen rassistische Äusserungen. Die Sendung führte wenige Tage vor der Wahl zu einigen Rücktritten besonders von Politikern der moderaten Sammlungspartei. Josefsson wurde der Parteilichkeit beschuldigt, weil er nur einige Parteien des bürgerlichen Lagers "besucht" hatte, bekam aber den grossen schwedischen Journalistenpreis für die "Enthüllung des Jahres".
Josefsson ist politisch wohl eher links von der Mitte, aber er deckt Missstände dort auf, wo sie offenbar sind, egal ob es sich um die dubiosen Wohnungsgeschäfte der Stadtmission handelte oder um den Streik der Kommunalarbeiter 2003. Ein Jahr später zeigte "Uppdrag granskning", dass einige aus der Führungsriege der Linkspartei nach wie vor eine bizarre Verehrung für kommunistische Diktatoren hegten und stellte das Demokratieverständnis des Parteivorsitzenden Lars Ohly in Frage.
Zusammen mit Hannes Råstam machte Josefsson 1998 eine Reportage über Osmo Vallo, der 1995 in Karlstad unter bis heute ungeklärten Umständen in Polzeigewahrsam ums Leben kam. Für die Hantierung durch die Justizbehörden im Fall Osmo Vallo, bei dem möglicherweise sogar ein Obduktionsprotokoll gefälscht wurde, erhielt Schweden deutliche Kritik von amnesty unternational.
Ein Meisterwerk seine Reportage um die Strassenbahnlinie Nummer 5 in Göteborg, die von Biskopsgården nach Örgryte führt (Link zu SVTs Artikel "Bejubeltes Comeback mit Josefsson"), zwei Stadtteile mit sozialen Unterschieden, wie sie grösser kaum sein könnten. 1987 drehte Josefsson hier, interviewte Jugendliche und besuchte beide Stadtteile 2006 abermals. Seine Reportage über die Strassenbahnlinie Nummer 5 weckte grosses Aufsehen und wurde besonders von den besser Gestellten als tendenziös verunglimpft.
Josefsson bewies hier auf eindruckende Weise, dass selbst im sozialdemokratisch geprägten Schweden Klassenunterschiede eine grosse Rolle spielen und Chancengleichheit offenbar nur auf dem Papier vorhanden ist.
Mit dem Fall "Louise" hat das Team von Janne Josefsson einen neuen schmerzhaften, aber notwendigen Meilenstein gesetzt. Er ist zweifelsohne einer der wichtigsten Jourmalisten des Landes.
Völlig unnötig die Kritik von Lars Adaktusson an Josefsson, der sich in Svenska Dagbladet gegen ivestigativen Journalismus aussprach. Josefsson und Adaktusson trafen sich heute Morgen im Sofa der Sendung "Gomorron Sverige" (auf dem der Blogger auch schon mal sitzen durfte). Auf die Vorwürfe, dass Josefsson mit versteckter Kamera arbeite und Adaktusson sich eine Sendung nicht anschauen könne, zu der er kein Vertrauen habe, sagte Josefsson, dass es wichtig sei, gesellschaftliche Missstände aufzudecken und dass Adaktusson heute in einem völlig margainalisierten Fernsehkanal (TV8) arbeite und praktisch keine Zuschauer mehr hätte.
Kuscheljournalismus à la Adaktusson mag zwar der schwedischen Mentalität eher nahe kommen, aber das Land braucht die Josefssons deutlich mehr.
12. April 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen