Es war ein Missverständnis, dass die estnische Regierung ihre Unzufriedenheit über Schwedens mangelnde Unterstützung bei den aktuellen Vorfällen in Tallinn ausgedrückt hat.
So äussert sich heute Ethel Halliste, die Sprecherin des estnischen Aussnministeriums gegenüber der Presse.
Aussenminister Urmas Paet wies alle Äusserungen zurück, dass der Abbau der umstrittenen Bronzeskulptur im Stadtzentrum ein Fehler gewesen sei.
Das ist sein gutes Recht. Und natürlich sind die Äusserungen aus Moskau, die scharf und kompromisslos Estland kritisieren auch auf dem Hintergrund zu sehen, dass Moskau sich in letzter Zeit sehr nationalistisch gibt und der Vorfall in Tallinn ein mehr oder minder willkommener Anlass zu Stärkedemonstrationen ist.
Dennoch muss sich auch Urmas Paet gefallen lassen, dass man die Aktion in Frage stellt. Das gehört zu den Spielregeln demokratischer Gesellschaften.
Die Proteste von Teilen der immerhin 28% starken russischen Minderheit nehmen das Siegerdenkmal des bronzenen Soldaten lediglich zum Anlass ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, dass die Situation der Minderheit nicht befriedigend ist. Verständlich ist auch, dass die Mehrheit der Esten das Denkmal als ein Symbol der Besatzung ihres landes durch sowjetische Truppen empfand und empfindet.
Viele Russen in den baltischen Republiken fühlen sich benachteiligt und als Bürger zweiter Klasse. Knapp zwei Wochen vor den Feierlichkeiten zum Sieg im Grossen Vaterländischen Krieg das Denkmal abzubauen, ist eine Provokation. Dass man natürlich nicht gewaltsam demonstrieren darf, versteht sich ebenfalls von selbst.
Man kann aber nur hoffen, dass das Thema der Situation der russischsprachigen Minderheiten offen und vorbehaltlos diskutiert wird und dass es in Kürze zu Verbesserungen kommt. Sonst wird sich bald andernorts oder am selben Ort schnell wieder ein Anlass für Konflikte finden, der im Grunde nur Ventil für eine allgemeine Unzufriedenheit ist.
Unterdessen wurde die Bronzeskulptur heute auf einem Kriegsfriedhof wieder aufgestellt. Kritik am Verhalten der estnischen Regierung äusserte auch der Soziologe Juhan Kiviräkh, der der Regierung von Ministerpräsident Andrus Ansips vorwarf, man habe vor der Aussenwelt Bilder von "Abschaum" produzieren wollen, mit dem man nicht verhandeln könne. In der Tageszeitung Eesti Päevaleht verlangte Kiviräkh gar den Rücktritt der Regierung.
Die estnische Botschaft in Moskau wurde den ganzen Montag von russischen Demonstranten belagert. Es wurden Steine geworfen und die estnische Regierung kritisierte die unzureichende Sicherheit. Die Sicherheitstruppen OMON des russischen Innenministeriums mussten eine schwangere Frau aus der Botschaft in Sicherheit bringen.
Die Eskalation muss unbedingt gestoppt werden. Hier haben beide Länder eine grosse Verantwortung. Estland hat heute das Kriegsdenkmal wieder der Öffentlichkeit zurückgegeben, wenn auch an einem anderen Ort. Russland sollte alles tun, damit nationalistsiche Kräfte nicht die Angelegenheit unbotmässig ausnutzen.
30. April 2007
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