16. August 2007

Zeitung lesen

Angeblich sind die Schweden Weltmeister im Aktienbesitz. Schwedische Zeitungen schreiben ohnehin gerne mindestens einmal pro Woche einen Artikel, in dem sie hervorheben, das Schweden in irgendeinem Bereich Weltspitze ist. So leben wir im besten Land der Welt, jawohl das tun wir. Das gleichberechtigste Land mit dem besten Leitungswasser, dessen Bewohner Vizeweltmeister (leider nur Vize...) im Kaffeetrinken sind, aber Weltmeister im Aktiensparen.

Begründet ist das darin, dass alle in Schweden Steuern bezahlenden Erwerbstätigen jährlich eine Summe zur Alterssicherung in Aktienfonds investiert bekommen. Nicht nur freiwillig also sind neun Millionen Weltmeister im Aktienbesitz.

Und die Aktien fallen, meldet DN. Die Immobilienkreditbranche in den USA geht zum Teufel, tausende Amerikaner aus der unteren Mittelschicht verlieren Haus und Hof und das zieht die Börsen weltweit seit gut 14 Tagen in den Keller. Jetzt ist der gesamte Zuwachs der Stockholmer Börse für 2007 verschwunden. "Na, wie stehen die Aktien?" fragen gern manche Zeitgenossen in Deutschland und meinen eigentlich "Wie gehts?". In Schweden sollte man die Frage zur Zeit also nicht stellen, sie könnte wortwörtlich verstanden werden.

Währenddessen bieten immer mehr Stockholmer Gymnasien ihren Schülern Chinesisch an. Der Zusammenhang ist offenkundig. Aktienfonds mit chinesischen Anteilen sind in diesem Jahr bislang am stärksten gestiegen. Obwohl der Schulbehörde keine Statistik vorliegt, bestätigt auch sie den Trend, es gäbe mehr und mehr Schüler, die Chinesisch lernen.

Wir haben es immer schon gewusst. Europas Rebellen sind nicht die Italiener oder Franzosen oder gar die Briten oder Schweden. Es sind die Dänen. [Vi är röde, vi är hvide...] Trotz der Einführung des "working place ban" für Raucher, paffen die Dänen munter weiter und entdecken Schlupflöcher in dem Gesetz, das sie eigentlich zwingen sollte, ihren Nikotingenuss nach draussen zu verlegen. Wenn ein Lokal kleiner als 40 Quadratmeter ist, darf darin geraucht werden und der Dänemark-Korrespondent stellt entsetzt fest, dass in dem nur 34,4 Quadratmeter grossen "Jernbanecafé" auf dem Hovedbanegård (dem Hauptbahnhof) von Kopenhagen gestern zehn Dänen Bier tranken und rauchten und damit zwei nichtrauchende Touristen den bekannten Gefahren des Passivrauchens aussetzten.

Im schwedischen Pokalfinale der Frauen am gestrigen Abend stellte die 21-Jährige Brasilianerin Marta (wieder einmal) ihre Extraklasse unter Beweis. Als den schwedischen Nationalverteidigerinnen von Meister Umeå IK, Anna Paulson und Karolina Westberg, allmählich schwindlig wurde und Aussenseiter AIK aus dem 0-3 Halbzeitrückstand ein 3-3 gemacht hatte und die nächste Ecke oder der nächste Freistoss das 4-3 für AIK hätten bedeuten können, legte die zierliche Marta einfach einen zusätzlichen Gang ein, überspurtete zwei Verteidigerinnen und schoss das 4-3 Siegtor für Umeå, ihren dritten Treffer in diesem sehenswerten Pokalendspiel. Den auch in Schweden vorherrschenden Vorurteilen, dass Frauenfussball einfach mies sei, bewiesen die 22 Spielerinnen auf Skytteholms IP mit 92 hochklassigen, dramatischen Minuten eindrucksvoll das Gegenteil.

Vor 105 Tagen verschwand in Portugal die kleine Madeleine. Ihre Eltern hatten das Kind alleine gelassen, um zu einem Abendessen zu gehen. Unverantwortlich. Madeleine verschwand und die europäische Presse überschlug sich. Mit jeder Woche, die verstrich, musste man umso mehr annehmen, dass Madeleine tot ist. Fälle wie der der Österreicherin Natascha Kampusch sind Ausnahmen. Jetzt hat man Blutspuren aus der Ferienwohnung analysiert und festgestellt, dass das Blut nicht von Madeleine war. Es gehöre mit einer Wahrscheinlichkeit von 72% einem nordosteuropäischen Mann, stellte das forensische Labor in Birmingham fest. Die portugiesische Polizei geht jetzt auch davon aus, dass das Mädchen nicht mehr am Leben ist. "Wir schenken der Möglichkeit, dass Madeleine tot ist, jetzt mehr Aufmerksamkeit. Das bedeutet aber nicht, dass wir andere Möglichkeiten ausschliessen," sagte Inspektor Olegario Sousa. Sousa bestätigte auch, dass Leichenhunde angezeigt hätten, dass sich eine Leiche in dem Apartment befunden haben muss. Morgen wird die portugiesische Polizei ihre erste Pressekonferenz seit vier Wochen geben. Mehr dazu in The Times.

Die sang- und klanglose Niederlage des schwedischen (Herren)Meisters Elfsborgs im Champions-League-Qualifikationsspiel beim spanischen FC Valencia (0:3 am Dienstagabend) beschäftigt Jan Majlard von Svenska Dagbladet. Eine enttäuschte Abrechnung mit dem schwedischen Männerfussball und ein Stirnrunzeln gegenüber den Kollegen der schwedischen Presse, die dennoch Woche für Woche ie schwedische Liga zu einem grossen Ereignis hochstilisieren. Eine Spitze bekommt auch Nationaltrainer Lars Lagerbäck, der seine Mannschaft langweiligen Fussball spielen lasse. Bravo Jan Majlard! Du hast völlig recht. Ich habe mir zwei Spiele der Herrallsvenskan für teures Geld angesehen und war von dem Niveau des Gebotenen entsetzt. Preis- und Leistungsverhältnis stimmt hier überhaupt nicht. Das einzige, was in Majlards Artikel fehlte, war der Tipp, mal ein Erstligaspiel der Frauen in Schweden zu besuchen, die vielleicht wirklich in der besten Liga der Welt spielen.

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