Sven-Göran Eriksson aus Sunne in Värmland ist 59 Jahre alt. Er heisst wie ein Nachbar, sieht aus wie ein Nachbar und benimmt sich so. Unauffällig, meist höflich, ein klein wenig langweilig.
Im Gegensatz zu den meisten Nachbarn hat Sven-Göran Eriksson aber eine unglaubliche Karriere gemacht. Mit dem IFK Göteborg gewann er den UEFA-Pokal als erste (und letzte) schwedische Mannschaft.
Danach wurde die grosse weite Welt auf Sven-Göran Eriksson aufmerksam. Er wurde Trainer von Mannschaften, deren Namen das Herz von Fussballfans höher schlagen lassen: Benfica Lissabon, der portugiesische Rekordmeister, mit dem er die Meisterschaft in Portugal gewann. AS Rom, mit dem er den italienischen Pokal gewann, AC Florenz (keine Titel), noch einmal Benfica Lissabon, Samporia Genua und Lazio Rom waren seine Stationen, bevor er den Stolz seiner Landsleute ins Unermessliche steigern konnte, als ihm der englische Fussballverband die Trainerschaft antrug. In Italien hatte sich der Schwede ein italienisches Auge erworben.
Längst war der höfliche, unauffällige, aber etwas langweilige Sven-Göran Eriksson "Svennis" für die Schweden geworden. Einer von ihnen, der es geschafft hatte, in die grosse weite Welt zu kommen und dort zu reüssieren.
Als Trainer der englischen Nationalmannschaft war "Svennis" wenig erfolgreich. Fünf Jahre bis 2006 vergingen, in denen das Team wie immer als selbsternannter Favorit bei zwei Weltmeisterschaften und einer Europameisterschaft antrat, aber dann doch, wie immer eigentlich, mehr oder weniger sanglos ausschied. Das einzige Spiel, an das sich die Deutschen erinnern können, ist der fulminante 5:1-Sieg der Engländer unter Svennis in München gegen Deutschland am 01.09.2001. Svennis war gerade ein paar Monate im Amt und nach Blitzkontern schossen Michael Owen (3), Steven Gerrard und Emile Heskey die Tore in einem WM-Qualifikationsspiel für 2002. Und man glaubte, Svennis sei ein Zauberer. Bei der WM im Jahr darauf wurden die Deutschen dann Vize-Weltmeister und England, man muss nachschlagen, scheiterte im Viertelfinale an Brasilien, das eine halbe Stunde mit einem Mann weniger (Ronaldinho) auskommen musste.
Die englische Presse, die Tabloids, können furchtbar sein. The Sun ist die berüchtigste, steht der BILD-Zeitung in keiner Weise nach. Svennis wohnte fünf Jahre in England und hatte nicht nur mit Fussballspielen zu tun, er hatte auch Frauengeschichten. Der unauffällige, höfliche, aber etwas langweilige Mann aus Sunne in Värmland, kommt nämlich fantastisch beim anderen Geschlecht an. Eigentlich seine Privatsache, aber die Tabloids interessierten sich natürlich für alle Geschichtchen und wenn was Schmutziges dran ist, dann um so mehr.
Die Kombination aus beruflichem Misserfolg, den man ihm anlastete, und den ausgewalzten Geschichten des Privatlebens, führte nach der abermals erfolglosen WM 2006 in Deutschland (die Deutschen wurden Dritter und Weltmeister der Herzen, England schied im Viertelfinale im Elfmeterschiessen gegen Portugal aus (das dann von den Deutschen im Spiel um Platz 3 locker mit 3:1 besiegt wurde) zum Rausschmiss. Hat ein Team keinen Erfolg, muss der Trainer gehen. Das ist im Fussball oft so, oft zu Unrecht. Svennis Nachfolger Steve McLaren hat sich auch noch nicht mit Ruhm bekleckert und wird das vermutlich auch nicht tun. Der Fussball jedoch, den Svennis seine "Jungs" spielen liess, zeichnete sich nicht durch Kreativität und Mut aus. Er war mehr auf Sicherheit bedacht und eigentlich sehr konservativ, aber so spielten eigentlich fast alle Teams bei der tollen WM 2006 in Deutschland, an die man sich aber nicht wegen toller Spiele erinnern wird.
Ein Jahr lang nun war der unauffällige, höfliche, bei Frauen sehr erfolgreiche und dann doch nicht so langweilig sein könnende Mann dann arbeitslos. Die schwedischen Medien schrieben einen Schuhkarton voller Artikel und spekulierten, wo denn Svennis nun unterschreiben würde. Angebote soll es viele gegeben haben, massenhaft, von Nationalmannschaften und europäischen Spitzenclubs.
Es wurde Manchester City. Der ehemalige thailändische Ministerpräsident Thaksin Shinawatra hat eine Aktienmehrheit des Vereins erworben und will ordentlich aus seinem Privatvermögen in den eigentlich dem unteren Mittelmass in England angehörenden Club investieren. Ca. 140 Millionen € soll sich Shinawatra den Spass kosten lassen haben. Roman Abramowitsch hatte für sein Hobby Chelsea mehr als 200 Millionen hingeblättert. Gerüchten zufolge darf Svennis ca. 70 Millionen € in neue Spieler investieren. Einer davon ist der Italiener Bianchi.
In Thailand hat man das dortige Vermögen von Shinawatra (ca. 1,2 Milliarden €) wegen Korruptionsverdachts eingefroren. Er soll sich dort noch vor Gericht wegen angeblichen Machtmissbrauchs und Korruption verantworten.
Als Shinawatra am 19. September 2006 bei den Vereinten Nationen in New York sprechen sollte, übernahm daheim in Bangkok eine Militärjunta die Macht und riet ihm, nicht mehr zurückzukommen. Seitdem lebt Shinawatra im englischen Exil und hat nun endlich auch ein Hobby. Manchester City war dabei aber keine Entscheidung des Herzens. Der Thai hatte vergeblich versucht, zuerst den Fulham FC zu kaufen, dessen Eigentümer Mohamed al Fayed (dem auch das berühmte Kaufhaus Harrods gehört) dann doch die Aktien behalten wollte und danach beim FC Liverpool mitgeboten.
Und auch Svennis, unser unauffällige, etwas langweilige, aber im Fussball und bei Frauen durchaus erfolgreiche Mann aus Värmland, war nicht die erste Wahl als Coach. Eigentlich wollte Shinawatra den Italiener Claudio Ranieri haben, der Parma trainiert hatte. Ranieri wechselte aber statt nach England zum nicht unbekannten Aufsteiger in der Serie A in Italien, zu Juventus Turin. Darüber schreiben die schwedischen Zeitungen interessanterweise fast gar nichts.
Und seitdem Svennis dann auch mit Hasse Backe und seinem alten Assistenten Tord Grip zwei weitere Landsleute als Co-Trainer verpflichtet hat, wird jeder Schritt von den schwedischen Medien mit Argusaugen überwacht. Welche Spieler kauft Svennis? Wie sieht der Kostplan für seien Truppe aus? Welchen Tabellenplatz peilt er mit Man City an?
Das Trainingslager, das Manchester City derzeit in Schweden absolviert, verstärkt den enormen Medienrummel noch weiter, der dem Team und vor allem seinem Trainer im Sportteil der grossen Zeitungen in Schweden täglich bis zu zwei Seiten einbringt.
Aber man muss verstehen, dass nun auch Sommerloch ist. Die schwedische Liga spielt zwar, wird aber von der UEFA europaweit nur als die Nummer 29 eingestuft. Die Nationalmannschaft ist auf gutem Weg, die Quali für die EM zu schaffen, aber bei den Turnieren geht es den Schweden eigentlich immer so wie den Engländern. 2002 Golden Goal-Verlust im Achtelfinale gegen Senegal, 2004 bei der EM Elfmeterschiessen gegen die Niederlande im Viertelfinale verloren und 2006 bei der WM sang- und klanglos gegen Deutschland ausgeschieden (0:2).
Die schwedischen Frauen sind ungleich erfolgreicher und ihre Liga die beste der Welt, aber dafür interessieren sich die Medien und damit auch die Zuschauer kaum. Was nicht in den Medien steht, da geht keiner hin.
Svennis ist ein grosses Thema im Sommerloch, aber ich fürchte er wird es bleiben, auch wenn die Premier League in England in vier Wochen startet und die schwedischen Kinder wieder zur Schule und ihre Eltern wieder zur Arbeit gehen werden.
Vielleicht kann Svennis gar die Magic Four (Chelsea London, Arsenal London, Manchestger United und FC Liverpool) erreichen? Wird er weitere Schweden holen, die ausser Torwart Andreas Isaksson spielen sollen? Wird Man City gar ein Schwedenteam mit 3-4-5 Schweden ("svensklag")? Dazu kommt, dass wir alle Experten sind und schnell mal in einem Artikel einen bolivianischen Verteidiger empfehlen, der in der zweiten italienische Liga spielt oder den grossgewachsenen und kopfballstarken Kameruner und so weiter. Oder einen argentinischen Nationaltorwart. Männerfantasien. Frauen gehen gerne Schuhe shoppen im Kaufhaus, Männer würden gern mal eine Fussballmannschaft zusammenkaufen. Und Svennis als Trainer. Perfekt. Mit dem können wir sogar Schwedisch reden.
All diese Fragen beschäftigen die Medien, nicht nur weil Sommerloch ist, sondern weil der unauffällige, höfliche, aber etwas langweilige, aber im Beruf und beim anderen Geschlecht sehr erfolgreiche Mann nicht nur Eriksson heisst wie so viele andere, sondern weil er auch den Traum von der grossen weiten Welt verkörpert, den nicht wenige haben. Svennis ist wie wir, einer von uns und er hat es geschafft in der grossen weiten Welt, auf internationalem Parkett. Aus dem kleinen Sunne. In der grossen Welt.
Und das ist doch was.
19. Juli 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen