5. Januar 2007

Arbeitslosenverfolgung

Bereits im Wahlkampf war Schwedens selbsternannt neue Arbeiterpartei, die konservative Moderata Samlingspartiet, mit den anderen bürgerlichen Parteien aus der ebenfalls selbsternannten "Allianz für Schweden" damit an die Öffentlichkeit gegangen, im Falle eines Wahlsiegs den Arbeitslosen das Leben deutlich zu erschweren. Weniger Zeit für den Bezug von Arbeitslosengeld und eine Kürzung der Bezüge standen im gemeinsamen Manifest.

Das schreckte die Schweden nicht ab, die Regierung von Göran Persson abzuwählen, obschon dieser bei jeder Gelegenheit davor gewarnt hatte, dass das bürgerliche Lager mit den geplanten Maßnahmen nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen bekämpfen würde.

Alle in Arbeit befindlichen Schweden bekommen Steuererleichterungen seit dem 01. Januar 2007, dafür haben sich die Gebühren für die Arbeitslosenkassen um das Dreifache monatlich erhöht.

Arbeitslose und Rentner erhalten keine Steuererleichterungen. Schon seit etlichen Jahren gehören Rentner, die in Mülleimern nach Dosen und Flaschen suchen, die sie gegen Pfand abgeben können, zum alltäglichen Bild des Wohlfahrtsstaats.

Nun kommt Arbeitsmarktminister Sven-Otto Littorin (Moderata samlingspartiet) mit einem neuen Anschlag auf das Arbeitslosenheer.

Arbeitslose sollen künftig von Tag 1 der Arbeitslosigkeit gezwungen werden können, jeden beliebigen Job anzunehmen. Damit kann müssten arbeitslose Lehrer sich zur Not bei McDonalds zum Burger braten verdingen oder Ingenieure könnten dazu gezwungen werden, bei einer Putzfirma anzuheuern, um die primäre Klientel der Konservativen mit den sogenannten haushaltsnahen Diensten zu versorgen.

Nach 300 Tagen bekommt man keine Arbeitslosenunterstützung mehr (in Schweden "A-kassa" genannt) und falls man Kinder unter 18 Jahren hat, ist nach 450 Tagen Schluss. Nach dem letzten Tag A-kassa bekommt man "Arbeits- und Entwicklungsgarantie", d.h. maximal 65% des früheren Gehalts. In Schweden, wo es unmöglich ist, von einem Gehalt zu leben, falls man Kinder hat, wird das die Kluft zwischen arm und reich noch weiter vergrößern.

Die allermeisten Touristen in Schweden kennen das Stockholmer Stadtzentrum, die Seen und Wälder und wohnen 2-3 Wochen in roten Sommerhäusern. Natürlich fahren sie nicht in die Gettos der Vorstädte: Husby, Flemingsberg, Skärholmen, Rinkeby und Tensta in Stockholm wären aber eine Reise wert, denn sie würden das zuckrige Schwedenbild, das besonders viele Deutsche haben, mit einer Prise Realität ergänzen. Die Beschlüsse und Vorhaben der Regierung werden die Unterschiede weiter wachsen lassen.

Lena Mellin kommentiert die neuen Vorschläge Littorins heute in der sozialdemokratischen Zeitung Aftonbladet.

Die neue Arbeiterpartei Schwedens will Arbeitslose auch zwingen, den Wohnort zu wechseln, um Arbeit andernorts anzunehmen. In der Theorie klingt das alles wunderbar. Hart, aber gerecht. Es geht aber an der Lebenssituation der Menschen und an den reellen Chancen, die die Gesellschaft bietet, vorbei. Will man Arbeitslose mit Kindern zwingen, den Wohnort zu wechseln? Muss eine alleinstehende, arbeitslose Krankenschwester mit zwei Kindern von Stockholm nach Korpilompolo umziehen, um dort an einer Tankstelle die Spätschicht zu übernehmen?

Das Problem der neuen Arbeiterpartei ist, dass es in ihren Vorstandsreihen niemanden gibt, der auch nur eine Ahnung von der gesamtgesellschaftlichen Realität hat.

Göran Persson hatte recht: Die neue Regierung bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit, sie stürzt sich auf die Arbeitslosen. Denn sie sind es doch letztlich, die Grund sind für die unschöne Statistik. Statt Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich während der Arbeitslosigkeit weiterzubilden und zurück zu finden in eine berufliche Perspektive, die auch psychologisch wichtig ist für das eigene Wohlergehen und das Wohlergehen der Kinder von Arbeitslosen, geht es Littorin und seinen Kollegen um die Erniedrigung von sozial Schwachen.

Dahinter steht natürlich letztlich der Unwillen der Oberschicht, Steuern in hohem Umfang zu zahlen, die allen zugute kommen. Marktwirtschaft ja, aber bitte nicht sozial.

Im Wahlmanifest der Konservativen stand kein Wort über die neuen Ideen Littorins. Aus Feigheit oder aus taktischen Erwägungen? Lena Mellin fürchtet, dass aus der A-Kasse eine B-Kasse werden wird.

Der Journalist Kenneth Jonsgården von Norrländska Socialdemokraten schreibt: "Die meisten wirtschaftlichen Beobachter sind sich einig, dass die schwedische Wirtschaft boomt. Die Frage ist, wie der Zugewinn verteilt werden soll. Sollen die Reichen reicher werden und die Armen ärmer? Die Politik der Rechtsregierung scheint stark in diese Richtung zu führen. Wenige wissen heute, was die eigentlichen Ziele der Arbeitsmarktpolitik der Rechtsregierung sind. Es ist höchste Zeit, alle Karten auf den Tisch zu legen."

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