3. Januar 2007

Nachrichtenarmer Jahresbeginn

Nicht viel los im Reich des Carl XVI Gustav. Er kann sich in aller Ruhe das Kaminfeuer anmachen lassen und mit Silvia den einen oder anderen gemütlichen Video-, oder sagt man schon DVD-Abend (?), machen.

Die Sozis suchen immer noch nach einer Frau. Eine, die den abgewählten Ministerpräsidenten Göran "HSB" ("Han som bestämmer", Der, der bestimmt) Persson an der Spitze der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens ersetzen soll. Und eine Frau soll es sein. Erklärte Favoritin der Herzen und der Vernunft war Margot Wallström, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Aber die hat schon früh und dann immer wieder signalisieren lassen, dass sie nicht will. Brüssel ist angenehmer, sagt sie zwar nicht, aber man versteht den Untertext.

Wie immer in Schweden, wenn man jemanden sucht, der zu kandidieren bereit ist, gründet man erst mal eine entsprechende Wahlkommission ("valberedning"), die in quälend langsamer Arbeit alles richtig macht. Und die fragt Leute, ob sie Lust haben zu kandidieren, fragt andere Leute, was sie denken würden, wenn XY kandidieren würde usw. Und am nächsten Tag stehen die Antworten der Gefragten in den Zeitungen.

Eine Absage nach der anderen, scheints. Karin Jämtin entschied sich für den Oppositionsposten in Stockholm, wo eh alle vier Jahre ein Machtwechsel ansteht, weil der Stockholmer stets unzufrieden mit den Gewählten ist. Also wird Jämtin dem Gesetz der Serie nach 2010 Bürgermeisterin ("finansborgarråd") der Hauptstadt.

Ulrica Messing (*1968) war jetzt an der Reihe gefragt zu werden und angeblich hat auch sie nein gesagt. Messing war es, die Schweden 1999 ein einzigartiges Gesetz verschaffte, das im Volks- und Medienmund sogenannte "Sexkaufgesetz". Das Gesetz stellt den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe. Damit wurden nicht die Prostituierten, sondern die Freier kriminalisiert. Es hat die Prostitution jedoch nicht abgeschafft. Viele vor allem osteuropäische Frauen werden freiwillig oder zwangsweise nach Schweden importiert und gehen nun, geschützt vor dem möglichen Schutz der Öffentlichkeit in Wohnungen irgendwo in der Nachbarschaft von Sven Svensson ihrem Gewerbe nach. Schweden sieht dies als eine Errungenschaft, an der sich die Welt ein Beispiel nehmen sollte.

Deshalb gab es Anfang letzten Jahres im Land auch eine große Diskussion darüber, ob die schwedische Fußballnationalmannschaft nicht besser die Fußball-WM in Deutschland boykottieren solle, da Deutschland in diesen Dingen nach Ansicht von Meinungsmachern sehr rückständig sei und den Handel mit Frauen begünstige. Skizzen von sogenannten Verrichtungsboxen nach holländischem Modell entsetzten viele Schweden und bestätigten das vorhandene Deutschlandbild.

Das Nationalteam boykottierte die WM dann doch nicht, Korrespondenten schwedischer Tageszeitungen gingen dem Thema Prostitution und WM nach und in einem Berliner Etablissement, so konstatierte ein Journalist der angesehenen Zeitung Svenska Dagbladet (konservativ) war nichts los und die Mitarbeiterinnen beklagten sich darüber, dass alles nur Fußball gucke. Lediglich drei Landsleute, zwei davon in gelb-blauen Trikots saßen an der Bar. Dann verlor das Team nach einer Katastrophenleistung mit 0:2 gegen Deutschland im Achtelfinale und viele meinten, es wäre besser gewesen zu boykottieren, dann hätte man sich die Schande von München erspart. Fredrik Ljungberg. Kapitän und Fußballer des Jahres 2006, spricht heute noch nicht über das Achtelfinale, das man auch mit 0:7 hätte verlieren können.

Ulrica Messing hat einerseits wesentlichen Anteil daran, dass das "Sexkaufgesetz" Schweden auf der moralischen Weltkarte einen weiteren Stern eingebracht hat. Und richtig so, sage ich mal hier an dieser Stelle. Gleichzeitig hat Ulrica Messing auch als Wirtschaftsministerin wesentlich dazu beigetragen, dass Schweden seinen Platz in den "Top Ten" der Waffenexporteure wieder sichern konnte.

Mona Sahlin (*1957) ist dann wohl die einzige, die übrig bleiben wird. Ihr schnappte die Männergarde in der eigenen Partei anno 1995/96 den schon längst versprochenen Posten an der Parteispitze weg, weil sie mit der Kreditkarte des schwedischen Reichstags mal Toblerone und Windeln eingekauft hatte und eine Menge privater Rechnungen zu spät bezahlt hatte. Wochenlang veranstalteten die Medien eine Hetzjagd auf Mona, so dass sie letztlich klein beigeben musste, das war die Zeit, als das Wort "Time-Out" ins Schwedische kam. Männliche Politikerkollegen besuchten sogar Striplokale in Paris und zahlten mit der Kreditkarte der Steuerzahler und als sie von Journalisten darauf hingewiesen wurden, reagierten sie erstaunt, es sei so verraucht gewesen, dass sie damals nicht gesehen hätten, dass fast alle anwesenden Frauen nackt gewesen seien. Mona Sahlin musste ins zweite Glied zurücktreten und HSB wurde Ministerpräsident. Und nun hat Mona zehn Jahre gewartet und die Zeit ist gekommen.

So sehr ich die Kampagne gegen sie missbilligt habe, so sehr halte ich sie leider auch für ungeeignet für den höchsten Posten des Landes.

Parteivorsitzende höchster Posten? Nein, selbstredend gehe ich davon aus, dass die im Oktober angetretene bürgerliche Regierung des 41-Jährigen Fredrik Reinfeldt nur ein Intermezzo sein wird. Man kann dem Volk nur einmal weis machen, dass golfschlägerschwingende konservative Millionäre die neuen Vertreter der Arbeiterklasse sind. Sorry, Herr Reinfeldt.

Nein, nichts Neues aus dem Norden zu Beginn des Jahres. Musikbyrån, ein beliebtes Magazin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT, gab gestern seine Liste mit den 50 besten CDs des Vorjahres bekannt. Wie so oft finden sich viele Titel darunter, von denen man/frau nie gehört hat. Beste CD des Jahres nach Ansicht der Programmacher: "Return To Cookie Mountain" von der Gruppe TV On The Radio. Von denen hatte zumindest ich noch nie gehört...

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